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BAUGENEHMIGUNG Mit Hingabe

Für viele Beamte aus den Baubehörden fängt das Verdienen nach Feierabend erst richtig an. Im Auftrag von privaten Bauherren produzieren sie Pläne, die dann von ihrer eigenen Behörde genehmigt werden.
aus DER SPIEGEL 46/1977

Der Fleiß deutscher Staatsdiener geht manchem zu weit: Beamte und Angestellte in den staatlichen Bauämtern, das jedenfalls behaupten Architekten und ihre Standesvertreter, nutzen ihre Freizeit zu lukrativer Nebentätigkeit -- zu Lasten ihrer Konkurrenten aus der freien Wirtschaft und womöglich ihres Arbeitseinsatzes während der Dienststunden.

Tausende von Eigenheimbauern wissen den Erwerbssinn der Baubeamten zu schätzen. Sie übertragen die gesamte Bauplanung, bisweilen gar die Bauaufsicht, ihres neuen Eigenheimes den Experten aus den Behörden.

Und die verstehen ihr Fach. Die Staatsbediensteten können sich nicht nur als diplomierte oder graduierte Ingenieure und Architekten ausweisen. Sie haben zwei weitere entscheidende Vorteile: Die Beamten kennen die Tricks und Tücken des Genehmigungsverfahrens. Und sie sorgen für eine Menge guten Willens.

Alle Unterlagen nämlich, Formulare, Zeichnungen und Berechnungen, wandern vom emsigen Freizeit-Bauplaner unmittelbar an den eigentlichen Arbeitgeber, die Behörde. Dort entscheidet dann der Kollege im Zimmer nebenan über die Baugenehmigung.

»Werden Baubehörden« -- sorgt sich der Bund der Steuerzahler -- »zu privaten Architektenbüros?« Vergeblich versuchten die Experten des Steuerzahler-Vereins die Frage zu klären, wie eigentlich das Behördenpersonal die aufwendigen Nebentätigkeiten offenbar mühelos verkraften kann.

Unklar bleibt auch, wie die Diener zweier Herren den Interessenkonflikt zwischen Pflicht und Neigung, Dienst und Nebenerwerb lösen. Die Landesregierung von Rheinland-Pfalz etwa fürchtet laut einem Minister-Rundschreiben, daß die Nebentätigkeit von Verwaltungsangehörigen die »ordnungsgemäße Erfüllung der dienstlichen Pflichten« gefährden könne. Eine »Kollision mit dienstlichen Interessen« sei keineswegs auszuschließen.

Auch im niedersächsischen Landtag regte sich ZweifeL So fragte der Abgeordnete Peter-Jürgen Rau (FDP) im vergangenen Sommer bei der Landesregierung an, ob der Freizeitjob der Staatsdiener nicht am Ende darauf hinauslaufe, daß der Beamte »direkt oder indirekt die eigene Planung behördlich genehmige«.

Wirtschaftsminister Erich Küpker. FDP, wollte davon nichts wissen. Das Bundesverwaltungsgericht, meinte der Liberale, vertrete im übrigen die Auffassung, »daß die Pflicht des Beamten, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen«, sich im allgemeinen durchaus mit einer Nebentätigkeit vereinbaren lasse.

Noch in der Weimarer Republik waren die Bräuche strenger. Beamten war jede Nebentätigkeit untersagt, wenn sie durch ihre Freizeitbeschäftigung der privaten Wirtschaft Konkurrenz machten.

Nach bundesdeutschem Recht wird einem Beamten oder Angestellten im öffentlichen Dienst die Erlaubnis für einen Nebenjob nur verweigert, wenn die Gefahr der Interessenkollision oder einer Vernachlässigung der üblichen Pflichten besteht.

In den Jahren des Baubooms konnten die freien Architekten und Ingenieure über den jetzt beklagten unlauteren Wettbewerb leicht hinwegsehen. Viele Großprojekte sorgten für Beschäftigung und Einkommen und landeten schon wegen ihrer Dimension bei Architekten- oder Ingenieurbüros.

Doch im vierten Jahr der Krise am Bau tut die Konkurrenz aus den Amtsstuben weh. Die Bauwirtschaft lebt zum großen Teil von den Aufträgen kleiner privater Bauherren, jeder sechste Architekt ist arbeitslos.

Der Bund Deutscher Architekten (BDA) schätzt, daß von allen Bauplanungsaufträgen allenfalls noch 30 Prozent bei den freien Architektenbüros landen. Den Hauptteil übernehmen laut BDA die Konkurrenten aus dem Staatsdienst, vielfach -- wie etwa in Bayern -- können auch Handwerksmeister die Bauvorlagen einreichen.

Mehr als Schätzungen aber können weder der BDA noch die Architektenkammern oder die Behörden anbieten. Denn wer eigentlich die Bauvorlagen ausarbeitet und vorlegt -- das wird von keiner Behörde erfaßt, von keiner Statistik ausgewiesen.

Unablässig fordert deshalb der Architektenbund, Namen und Beruf der Plänemacher zu registrieren. »Dann wird sich herausstellen«, glaubt BDA-Geschäftsführer Klaus Neuenfeld. »daß die Masse der Pläne gar nicht von Berufenen vorgelegt wird.«

Bislang allerdings blieben alle Versuche der Architekten, sich der lästigen Konkurrenten zu entledigen, im Vorplanungsstadium stecken. Zaghafte Versuche, das Problem auf politischer Ebene anzugehen, schlugen ausnahmslos fehl.

Erfolglos antichambrierte der ehemalige BDA-Landesvorsitzende Kurt Jung, derzeit stellvertretender Vorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, bei seinen Parteifreunden in den Ministerien mit der Forderung, wenigstens die Nebentätigkeitsverordnung für Beamte restriktiv zu handhaben. Parteifreund Gerhart Baum, Parlamentarischer Staatssekretär des Innenressorts, wußte keine Hilfe: »In vielen Fällen« bleibe »gar nichts anderes übrig, als die Nebentätigkeit zu genehmigen«.

Nicht einmal der schon vor zwei Jahren in Rheinland-Pfalz per Minister-Rundschreiben eingeführte Brauch, bei der Genehmigung von Nebentätigkeiten einen »besonders strengen Maßstab« anzulegen, machte Schule: Kein Bundesland konnte sich bisher zur Nachahmung entschließen.

Den Architekten bleibt da nur Resignation gegenüber der pensionsberechtigten Konkurrenz.« Wir reden im Grunde um das Problem immer nur herum«, ahnt BDA-Geschäftsführer Neuenfeld, »obgleich es für wirkliche Aktionen höchste Zeit wäre.«

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