Mobilfunk-Recycling Handys für die Welt
Die Firma im Erdgeschoss eines Münchner Bürohauses neben dem Olympiastadion bekommt jeden Tag ungewöhnliche Post: Handys in der Tüte. "Manche Geräte sind nicht älter als ein halbes Jahr", sagt Grant Kirkman, Geschäftsführer von Greener Solutions Deutschland GmbH, "andere sind echte Oldies mit Klappantenne."
Rund 500 bis 2000 ausgemusterte Handys landen täglich bei Greener Solutions. Sie sind verpackt in frankierte Rückgabebeutel der großen Mobilfunkbetreiber Vodafone, E-Plus oder neuerdings auch T-Online, die in den Telefonläden oder auch Apotheken kostenlos ausgegeben werden. Die Transporttüten für den klingelnden Elektronikschrott können zudem in jedem Briefkasten eingeworfen werden.
Sieben Mitarbeiter sortieren den einlaufenden Mobilfunk-Müll nach genauen Kriterien. Rote Wanne heißt Weiterverkauf, grüne Wanne bedeutet Verschrottung. Mittels eines Scanners und moderner Datenverarbeitung wird zuvor der meist unter dem Batterieteil versteckte Gerätecode eingelesen. "Wir können am Schluss genau sagen, wohin jedes einzelne Gerät gegangen ist", versichert Manager Kirkman.
Die Idee zu dem Handy-Recycling hatte der schottische Geschäftsmann Colin Armstrong-Bell, 34, der inzwischen europaweit mit den großen Mobilfunkbetreibern kooperiert. Als ehemaliger Armeeoffizier und Investmentbanker organisierte er das Rücknahmesystem zunächst in Großbritannien mit militärischer Präzision. "Wir bieten maßgeschneiderte Lösungen, die unsere Kunden auch zu einem grünen Image verhelfen sollen", sagt Armstrong-Bell.
Doch die "grünen Lösungen" für die europaweit wachsende Handy-Halde ist umstritten. Denn die Hersteller von Mobilfunkgeräten verdienen vor allem am Verkauf neuer Modelle - die Recyclingware ist unbeliebt. Erfolglos verhandelten die großen Gerätehersteller wie Siemens, Nokia, SonyEricsson, Motorola zusammen mit den Netzbetreibern über ein gemeinsames Branchenabkommen.
Die "Hand(y) it back"-Initiative des Berliner Branchenverbandes Bitkom scheiterte bislang an den unterschiedlichen Interessen. Die meisten Hersteller befürworten nur für besonders wertvolle Komponenten, wie die Speicherchips oder Platinen, eine Wiederverwertung, die sich jedoch als unwirtschaftlich herausstellte.
Im Berliner Verband für Informationstechnologie Bitkom wird zudem bereits ein wachsender Export von deutschen Mobiltelefonen in Dritte-Welt-Länder kritisiert. "Dass die Geräte in den Schwellenländern später in der freien Natur entsorgt werden", urteilt Bitkom-Manager Mario Tobias, "kann nicht im Interesse der global tätigen Hersteller sein." Zusammen mit dem Berliner Umweltministerium arbeitet seit vergangenem Jahr auch die Uno-Umweltbehörde (Unep) an länderübergreifenden Rücknahmeprogrammen für ausgediente Mobilfunkgeräte, die nach dem Basler Abkommen als "grenzüberschreitende Sondermüllexporte" zu behandeln sind. Nach Unep-Zahlen telefonieren derzeit 725 Millionen Erdenbürger mobil - statistisch hat jeder Achte ein Handy.
Alarmiert haben die Öko-Ministerialen auch Funde der Umweltorganisation Greenpeace auf chinesischen Müllkippen. Dort waren kürzlich ganze Lastwagenladungen westlicher IT-Technik, vor allem aus den USA, illegal abgekippt worden. "Wir dürfen nicht in den Verdacht kommen, Sondermüll zu exportieren", sagt Siegfried Pongratz, Technologiedirektor bei Motorola Europa. Mit der Umrüstung auf die UMTS-Technik rechnet der Experte mit einem weiteren Bedarf an "geordneter Entsorgung".
Tatsächlich verkauft die Londoner Firmenzentrale von Greener Solutions rund 45 Prozent der eingesammelten Mobiltelefone aus Deutschland weiter ins Ausland. Insbesondere über Hongkong, Südafrika oder Abu Dhabi verteilen Großhändler die europäischen Handys weiter in Afrika und Asien. Auf Funktionsfähigkeit und komplettes Innenleben getestet; das verschrammte Plastikgehäuse mit einem Spezialspray für Schultafeln auf Hochglanz poliert; versehen mit einem neuen Ladegerät finden die Recycling-Handys von deutschen Mobilkunden dort massenhaft Abnehmer.
Für rund "zehn Euro pro Gerät", so Greener Solutions, sei das Mobilfunk-Recycling kostendeckend zu betreiben. Die neuen Nutzer in Botswana oder Südchina tippen nur wenige Wochen nach der Ausmusterung in Europa die ersten Nummern in die aufgefrischten Alt-Handys aus Europa. Ein gemeinsamer technischer Standard der Übertragungsnetze, GSM, erlaubt die unproblematische Nutzung der europäischen Hardware in Asien und Afrika, anders als für die Geräte aus den USA die nach dem TDMH-System funken.
Europäische Spitzengeräte mit "dicker Platine", wie ein Siemens C 25 oder Nokia 3330, lassen sich in den Zielländern dann auch für gut "25 bis 40 Euro pro Stück" verhökern, der Durchschnittspreis betrage "14 Euro".
Und der Markt ist gewaltig: Geschätzte 60 Millionen Mobiltelefone liegen allein in Deutschland derzeit in Schubladen, Regalen oder Handschuhfächern unbenutzt herum. Für jedes in Betrieb befindliche Handy wird nach Meinung von Fachleuten mit "1,2 Altgeräten" gerechnet. "Es gibt einen großen Bedarf an Handy-Recycling", urteilt Jürgen von Kuczkowski, Vorsitzender der Vodafone-Geschäftsführung.
Jährlich kommen allein in Deutschland rund 30 Millionen Mobilfunkgeräte hinzu, die in immer kürzeren Abständen ausgewechselt werden. Doch ähnlich wie für die wachsenden Berge des sonstigen Elektronikschrotts fehlt europaweit immer noch eine geregelte Entsorgung. Eine neue EU-Verordnung hat für Elektronikschrott zwar ab 2005 eine verbindliche Rücknahme durch die Hersteller festgeschrieben. "Daran ist nicht zu rütteln", sagt Michael Schroeren, Sprecher von Bundesumweltminister Jürgen Trittin. Anders als bei sperrigen TV-Geräten, Videospielen oder Kühlschränken besteht für die kleinen Handys immer noch der umweltschädliche Entsorgungsweg "Tonne oder Gully".
"Das sind verlorene Wertstoffe", urteilt Georg Fröhlich, Geschäftsführer der Electrorecyling GmbH im niedersächsischen Goslar. Denn auch aus Mobiltelefonen lassen sich in den Schredderanlagen Kupfer, Aluminium, Silber, Gold und Palladium zurückgewinnen - bis zu 200 Gramm der Edelmetalle pro Handy-Tonne.
Im Auftrag der Firma Greener Solutions hat Fröhlich bislang eine "überschaubare Zahl" von einem halben Dutzend Gitterboxen mit jeweils rund 300 Kilogramm Handy-Müll aufgearbeitet. "Die große Welle kommt erst noch." Nach den Abkommen mit den großen Mobilfunkbetreibern ist Greener Solutions, so befürchten die Bitkom-Manager dabei ein lukratives Monopol, ähnlich wie das Abfallsystem des "Grünen Punkts", für das Handy-Recycling aufzubauen.
Und die Hersteller haben natürlich auch die eigenen Absatzmärkte im Auge. Gerade in den stark wachsenden Ländern Asiens oder Lateinamerikas seien "neueste Technologien" gefragt. "Da können Sie gar keine alten Knochen verkaufen", urteilt auch Bitkom-Manager Tobias.
Das wird von Greener Solutions-Chef Armstrong anders gesehen. "Es wäre doch eine Riesenverschwendung, funktionsfähige Geräte einfach wegzuschmeißen." Für jedes eingeschickte Handy gibt es von den Handy-Recyclern zudem eine Spende für einen guten Zweck. Denn drei bis fünf Euro pro Gerät zweigen die Handy-Recycler für gemeinnützige Organisationen wie beispielsweise der nordrhein-westfälischen Beratungsstelle gegen Kindermissbrauch (Vodafone), der Deutschen Umwelthilfe (T-Mobile) oder Aids (E-Plus) ab. Über den jeweils regionalen Empfänger der guten Gaben bestimmt der Verbraucher mit der Angabe seiner Postleitzahl auf der Sammeltüte. Bei Talkline wird die Sammeltüte gleich mit dem neu erworbenen Gerät via Post verschickt.
Teilweise enthalten die für einen guten Zweck und grüne Profite eingeschickten Handys noch ganz andere Wertstoffe. So landen in der Münchener Sammelstelle immer wieder Geräte mit noch funktionsfähigen Sim-Karten. Die hauchdünne Beschichtung der kleinen Plastikchips der Betreiberkarten ist eine zusätzliche Einnahmequelle für die findigen Engländer - sie ist aus purem Gold.