Modernisierung von Windparks Hormonkur für Giganten

Noch größer, noch kräftiger: Die deutsche Windbranche steckt im Höhenrausch, ersetzt alte Mühlen durch modernere Rotoren. Die neuen Anlagen ragen teils 150 Meter in den Himmel, die Unternehmen wittern ein Milliardengeschäft - doch Anwohner fühlen sich bedrängt und wollen die Riesenräder stoppen.
Repowering-Park auf Fehmarn: "Höhere Türme, größere Rotoren"

Repowering-Park auf Fehmarn: "Höhere Türme, größere Rotoren"

Foto: A9999 Thomas Nyfeler/ dpa

München - In Simonsberg, einer kleinen Gemeinde südwestlich von Husum, ist eine Zukunftsvision der Windenergie Wirklichkeit geworden: Die Eigentümer haben elf ihrer dreizehn Windräder abmontieren lassen. An deren statt ragen jetzt drei riesige Räder direkt am Deich in den Himmel.

Die Simonsberger drehen seit kurzem große Räder - wegen der Energieeffizienz: Die alten Anlagen kamen auf einen durchschnittlichen Jahresertrag von etwa 14 Millionen Kilowattstunden, die neuen Rotoren liefern jeweils fast 50 Millionen Kilowattstunden.

Was in Simonsberg geschehen ist, steht auch anderen Gemeinden bevor. Viele Windräder, die Mitte der neunziger Jahre errichtet wurden, stehen kurz vor der Ausmusterung. Die 600-Kilowatt-Anlagen werden altersschwach, produzieren nur ein Zehntel der Strommenge, die moderne Riesenrotoren liefern. In vielen deutschen Orten sollen in den kommenden Jahren neue Anlagen gebaut werden.

Die Branche selbst hat dafür schon ein passendes Label: Sie nennt den Austausch "Repowering". Und sie wittert ein Riesengeschäft. "Von den heute installierten Anlagen mit einer Gesamtleistung von rund 25.800 Megawatt könnten in den nächsten zehn Jahren bis zu 18.000 Megawatt durch neue Anlagen ersetzt werden", sagt Herrmann Albers, Präsident des Bundesverbands Windenergie (BWE). Investitionen von mehr als 60 Milliarden Euro wären dafür nötig. Zum Vergleich: In den Aufbau gigantischer Hochsee-Windparks und das Erschließen neuer Standorte an Land sollen im gleichen Zeitraum rund 40 Milliarden Euro fließen.

Bürgerprotest gegen die Windwende

Ob die zusätzlichen Milliarden fließen, ist allerdings nicht gesagt. Denn Repowering hat viele Feinde. Wozu diese fähig sind, zeigt sich gerade in einer anderen deutschen Gemeinde: in Langenhorn, nahe der dänischen Grenze. Dort kämpft beispielsweise Bernd Korthaus gegen den Bau von Riesenrotoren.

In seiner Gemeinde sollen sieben Anlagen mit je fast 50 Metern Gesamthöhe durch vier Windräder ersetzt werden, die dreimal so groß sind. Korthaus fühlt sich davon bedrängt. "Die Anlagenhöhe der neuen Generation liegt jenseits von Gut und Böse", moniert er. Er fürchtet zudem, dass die vier Anlagen nur die Vorhut eines Mega-Windparks mit bis zu 16 Turbinen sind, da die Gemeinde bei der Landesregierung beantragt hat, weitere Flächen als mögliche Windkraftstandorte auszuweisen. "Die neuen Anlagen würden das komplett flache Landschaftsbild stark schädigen."

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Grafiken: Windenergie in Deutschland

Foto: SPIEGEL ONLINE

Korthaus hat deshalb eine Bürgerinitiative gegründet - und steht damit nicht allein da. Viele Bundesbürger begrüßen die Ökostromwende generell, sperren sich aber gegen Solar- und Windparks in ihrer Gemeinde. Motto: Ökostrom, bitte ja, aber nicht vor der eigenen Haustür. Nicht nur in Langenhorn, auch in anderen Gemeinden Schleswig-Holsteins regt sich deshalb Widerstand.

Die Windparkgegner aus Langenhorn wollen gegen das Repowering in ihrer Region vor Gericht ziehen. Und in der Tat stellt das deutsche Recht Anlagenbetreibern keinen Freibrief aus: Denn während Windräder, die vor 15 Jahren errichtet wurden, kaum höher als der örtliche Kirchturm waren, sprengen die neuen Modelle in vielen Bundesländern und Kommunen die zulässigen Höhenbegrenzungen. Hinzu kommt, dass das Baurecht in manchen Regionen einen Abstand von bis zu tausend Metern zur Wohnbebauung verlangt, wenn neue Windräder errichtet werden sollen.

Repowering als Investitionschance

BWE-Chef Albers ärgert sich über solche Einschränkungen: "Wir können mit höheren Türmen auf weniger Fläche deutlich mehr Energie produzieren", sagt er. Wolle man die Klimaschutzziele der Bundesregierung erreichen, müsse man große Windanlagen bauen - oder mehr Flächen für die Windenergie ausweisen. Und der Windenergie-Verband sieht im Repowering sogar eine Aufwertung des Landschaftsbilds, da sich verstreute Anlagen an einem Standort zusammenfassen lassen. So könnten Kommunen Planungsfehler aus der Vergangenheit korrigieren.

Tatsächlich finden sich auch unter den 3000 Einwohnern der Gemeinde viele Repowering-Befürworter. Denn die Langenhorner können sich finanziell am neuen Windpark beteiligen und so mit der Produktion von Ökostrom Geld verdienen. Insgesamt 570 der etwa 1400 Haushalte haben bereits verbindlich erklärt, Anteile zu zeichnen. "Die Renditeerwartung an einem solch guten Windstandort ist recht hoch", verspricht Heinz Carstensen, Geschäftsführer der Firma GEO Gesellschaft für Energie und Ökologie, die das Repowering in Langenhorn plant. Sie könne sich sogar im zweistelligen Prozentbereich bewegen.

Korthaus hält das Modell dagegen für eine Mogelpackung: "Mit ihren Einlagen sind die Bürger keine Investoren, sondern nur ruhiggestellte Zaungäste."

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