Nassrasierer-Werbung Das Kreuz mit den Klingen
Hamburg - In der Werbung für Nassrasierer zählen seit je her vor allem zwei Dinge: absurde Superlative und Männlichkeitsgehabe. Da posiert David Beckham, Fußballstar und Frauenheld, mit blanker Brust und verspricht die gründlichste, sanfteste und überhaupt beste Rasur aller Zeiten. Macho-Astronauten sausen mit dreifacher Schallgeschwindigkeit über die Kinoleinwand. Oder Rasierköpfe werden hinter Gitter gebracht - aus "Sicherheitsgründen".
Seit einiger Zeit wird der Testosteron-Kontest der Rasierer-Fabrikanten Gillette und Schick-Wilkinson von der Frage bestimmt: Wer hat die meisten Klingen an seinem Apparat? Marktführer Gillette bringt 2006 das neue Modell Fusion auf den Markt - mit fünf Klingen zählt es zwei mehr als frühere Gillette-Fabrikate. Wichtiger noch: Der Fusion liegt im Vergleich mit dem Quattro, dem Vorzeige-Rasierer aus dem Hause Wilkinson, um eine Klinge vorne. Auf seiner Website preist Gillette seine Fünf-Klingen-Technik schon jetzt als "bahnbrechend" an.
Eigentlich könnten die beiden Rasur-Kontrahenten ja gelassen sein. Gillette, die Tochterfirma des Konsumgüter-Kolosses Procter & Gamble , beherrscht etwa 70 Prozent des globalen Nassrasierermarktes, Schick-Wilkinson rund 20 - und selbst neue Produkte wie das Vier-Klingen-Modell Quattro von Wilkinson verändern die Machtbalance nur minimal. "Auch in Zukunft gibt es genug Platz für beide", sagt William Schmitz, Analyst der Deutschen Bank in New York.
Viel Lärm um wenig Neues
Umso erstaunlicher ist die Produkt- und PR-Schlacht, die zwischen beiden Rasierer-Fabrikanten geschlagen wird - erbittert streiten sie um jeden Zehntelprozentpunkt Marktanteil. Kein neues Modell kommt auf den Markt, ohne dass der Widersacher einen direkten Konter vorbereitet. So wird Wilkinson bald die neueste Version seines Klassikers Quattro auf den Markt werfen, um noch vor der Premiere des Fusion mit einer eigenen Produktinnovation aufwarten zu können. Dabei ist das Potential für Neuerungen ziemlich begrenzt: Nassrasierer mit drei, vier oder fünf Klingen, mit Batterien oder ohne - viel mehr Möglichkeiten tun sich nicht auf.
Die Marketing-Abteilungen beider Unternehmen mühen sich mit aller Kraft und reichlich Werber-Rhetorik, über die Verwechselbarkeit ihrer Produkte hinwegzutäuschen. Gillette etwa motzte seinen Verkaufsschlager Mach3 mehrfach auf, die Namen der Modelle wurden immer länger und bizarrer.
Mit dem Mach3 Turbo Champion" ("mit dem neuen, patentierten Indicator Lubrastrip") war die Grenze der verbalen Steigerungsfähigkeit scheinbar erreicht - es folgte der M3 Power, ein Mach 3 mit vibrierendem Griff und "noch gleichmäßigerer Telomer-Beschichtung". Auch bei Wilkinson gilt das Prinzip Namensvielfalt - so ist der Quattro in Varianten wie Sport, Marine, Midnight oder Power zu haben.
Auch vor Gericht liefern sich die Rivalen kostspielige Gefechte - allein in Deutschland sind mehrere Prozesse anhängig. Oft geht es um die Werbung, speziell um unzulässige Superlative und irrige Vergleiche. Gillette warb etwa damit, die Mikro-Impulse des batteriebetriebenen M3 Power würden die Barthaare besser aufrichten. Wilkinson überprüfte das in Tests, klagte gegen die Behauptung - und überzeugte die Richter.
Prompt folgte die Retourkutsche: Gillette mokierte sich über einen TV-Spot, in dem Wilkinson Deutschland über seinen Quattro Marine behauptet: "Keiner rasiert gründlicher". Dieses Mal gewann der Marktführer den Prozess. Auch der Wettstreit um die Klingen-Zahl landete vor Gericht: Kurz nach der Einführung des Quattro behauptete Gillette, die Vier-Klingen-Technik sei beim Mach3 abgekupfert. Der Richter am Düsseldorfer Landgericht befand knapp: "Drei ist nicht vier" - und wies die Klage ab.
Die Haut so straff
Was die Qualität der Rasur angeht, ist die Frage drei, vier oder sogar fünf ohnehin unerheblich. "Auf den Komfort kommt es an, die Anzahl der Klingen ist völlig irrelevant", sagt Analyst Schmitz.
Solcherlei Common Sense wird die Konzerne nicht daran hindern, auch in Zukunft kleinere Fortschritte als historischen Durchbruch zu feiern. Auf dem Markt für Frauen-Rasierer sieht das ganz ähnlich aus. 2003 präsentierte Wilkinson das Modell Intuition - mit integrierter Rasierseife. Kurz danach kam der Gillette-Konter mit dem Ladyshave Venus Divine, einer Weiterentwicklung des Venus.
Und der hat übrigens "hautstraffende Schutzkissen an allen Ecken des Rasierkopfs".