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UNTERNEHMER ,ne Mark verdienen

Der frühere Bergungsreeder Harms kaufte mit Hilfe von Landesbürgschaften konkursreife Firmen zusammen. Seine Betriebsräte werfen ihm vor, er sei ein »staatlich prämiierter Arbeitsplatzvernichter.
aus DER SPIEGEL 20/1978

Als sich der Hamburger Bergungsreeder Ulrich Harms, 46, vor vier Jahren anschickte, marode Firmen statt gestrandeter Schiffswracks zu liften, priesen Politiker wie Betriebsräte seine »Unternehmerpersönlichkeit« und sein »soziales Engagement«.

Im Frühjahr 1978 hat sich die Tonart gründlich geändert. Die Betriebsräte der Harms-Firmen, die sich Ende April im Hamburger DGB-Haus am Besenbinderhof trafen, hatten nur eins im Sinn: »Dem Unternehmer Harms das Handwerk zu legen«. Anfang April mußte Harms gar zum erstenmal in eigener Sache den Konkursrichter bemühen.

Seine Glückstädter Kremer-Werft, vor drei Jahren für drei Millionen Mark und mit »flexibler Hilfe der Landesregierung zur Sicherung der Arbeitsplätze« (Kiels Wirtschaftsminister Jürgen Westphal 1975) als Bankrott-Betrieb gekauft, rutschte wieder in die Pleite -- diesmal mit über acht Millionen Mark Verlust. Es reichte nicht einmal zu einem Sozialplan für die 220 Werftarbeiter.

Pleiten sind seit jeher Harms, Geschäft gewesen -- bislang freilich nur die Pleiten anderer.

Mit der bankrotten Taucherfirma Beckedorf machte der Jungunternehmer 1955, kaum volljährig. sein erstes Geschäft. Der Hobby-Taucher besorgte sich einen Millionen-Kredit von der Bank für Gemeinwirtschaft, legte 20 000 Mark eigenes Geld dazu und übernahm die Beckedorf-Bergungsschiffe.

Harms modernisierte die Flotte und zog einige spektakuläre Aufträge an Land: Das bundesdeutsche Unterseebot »U-Hai« holte er von der Doggerbank, einen niedergebrochenen Brückenneubau bei Koblenz aus dem Rhein. Für die Sowjets hob Harms im Hafenbecken von Memel gekenterte Bagger, und im Auftrag der Vereinten Nationen räumte er die Seewege von Bangladesch.

Knapp 20 Jahre war der Hamburger immer dabei, wenn auf Flüssen und Weltmeeren »'ne Mark zu verdienen war

Dann verkaufte er 1973 sein Bergungsunternehmen mit 600 Mann und sieben nach Harms-Plänen gebauten »Magnus«-Schwimmkränen für 30 Millionen Mark an den holländischen Smit-Tak-Konzern. Der Reeder rüstete zum unternehmerischen Landgang.

Seinem Erfolgsprinzip ("Im Grunde meines Herzens bin ich Berger") blieb Harms treu. Ob im holsteinischen Barmstedt oder Glückstadt an der Elbe, in Dortmund oder Bremen -- wenn Firmen am Ende waren, stand Harms als Retter bereit.

Ein Dutzend konkursreife Firmen-Wracks hat »Katastrophen-Harms« (Branchenjargon) in den letzten vier Jahren gehoben -- zu Ramschpreisen, denn kaum ein anderer wollte sie haben. Und weil der Ex-Reeder versprach, zum Wohle des Volkes zu wirken und bedrohte Arbeitsplätze zu sichern, blieben auch Staatsbürgschaften und Investitionszulagen nicht aus.

Doch nicht überall fand das unternehmerische Engagement des Hanseaten Beifall. Harms kaufte die angeschlagenen Firmen nur auf, klagt das Gewerkschaftsblatt »Metall«, »um sie auszuschlachten, stillzulegen und das wertvolle Betriebsgelände zu behalten«. Arbeitsplätze würden ihn »immer nur soweit interessieren, wie unter dem Vorwand ihrer Sicherung Bürgschaften der öffentlichen Hand lockerzumachen« seien.

So griff Harms zu, als 1974 die Interrorg-Gruppe zusammenbrach. In der Konkursmasse schien Harms die wirtschaftlich gesunde Barmstedter Möbelfabrik Velox so attraktiv, daß er den 300-Mann-Betrieb für 3,3 Millionen Mark sofort übernahm.

Wie später auch in anderen Fällen, wandelte er den Velox-Betrieb in eine GmbH & Co. KG um. Einziger Gesellschafter der GmbH und einziger Kommmanditist der KG: Ulrich Harms.

Grundstücke und Betriebsanlagen der Möbelfabrik überschrieb der Sanierer der eigens für solche Zwecke gegründeten Ulrich Harms GmbH. Für 50 000 Mark im Monat verpachtete er Gelände und Maschinen an die Velox KG.

Noch im selben Frühjahr zog Harms mit zwölf Millionen Mark Landesbürgschaften einen weiteren Havaristen an Land: die heruntergewirtschaftete Stahlmöbel- und Geldschrankfabrik Pohlschröder in Dortmund.

Um die leckgeschlagene Dortmunder Firma (Jahresumsatz: 125 Millionen Mark) wieder auf Kurs zu bringen, verlagerte Harms einen Großteil der Velox-Produktion zu Pohlschröder. Der Barmstedter Betrieb, der 1974 ein Auftragspolster von zehn Millionen Mark hatte, mußte seitdem 250 Leute entlassen.

»Harms«, wetterte der schleswig-holsteinische IG-Metall-Funktionär Peter Ladehoff, »ist ein staatlich prämierter Arbeitsplatz-Vernichter.«

Als im September 1974 die Rendsburger Unternehmensgruppe Ahlmann in den Bankrott trieb, kam Harms mit seinem Sanierungskonzept erneut zum Zuge. Er ließ den Produzenten von Form- und Strangguß für Industriekunden, Heizkörper, Badewannen und Baumaschinen nicht mehr vom Haken. Wieder half die öffentliche Hand: mit 13 Millionen Mark Landesbürgschaften.

Harms warf sofort Ballast ab: Die gesamte Heizkesselproduktion wurde stillgelegt.

Dann machte sich der Chef ans Akquirieren -- auf seine Weise. Erkaufte marode Konkurrenz-Gießereien auf und holte deren Kunden und die Produktion nach Rendsburg.

Die vorerst letzte Kundschaft kam auf diesem Wege Anfang des Jahres zu Ahlmann, als Harms die Bremer Gießerei Gebr. Klencke kaufte. Im Dezember wurden in Bremen noch Überstunden gefahren. Dann ließ Harms die Produktion einstellen und die Gußmodelle nach Rendsburg schicken.

Den Versuch, durch solche »Strukturbereinigung« sein Rendsburger Werk zu sanieren, hält der Hamburger für gelungen: »Im Gießereibereich sind wir weitgehend ausgelastet.« Die Harms-Firmen Ahlmann und Pohlschröder arbeiten inzwischen mit Gewinn.

Da läßt sich Harms auch durch den Acht-Millionen-Verlust seiner Glückstädter Kremer-Werft GmbH & Co. KG nicht beeindrucken.

Das Werftgelände mit allen Anlagen hatte er gleich nach dem Kauf auf seine Harms GmbH übertragen und für monatlich 62 000 Mark zuzüglich 8000 Mark »Bearbeitungs-Gebühren« an die eigene Werft verpachtet. 2,5 Millionen Mark hat der Werft-Eigner bisher an Pacht kassiert. Auf über fünf Millionen Mark wird der Wert des Betriebsgeländes geschätzt.

Ganz schadlos jedoch wird der Firmenverwerter seine Sanierungsbemühungen nach der Ex-und-hopp-Methode vielleicht nicht überstehen. Unmittelbar nach der Werftpleite wurden manche seiner Zulieferer nervös.

Den Unternehmer Harms allerdings konnte auch dieser Wechselfall nicht schrecken: »Ich habe die Herren schon beruhigen können.«

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