UGANDA Netz zerrissen
Im selbst proklamierten »Befreiungskrieg« mimte der Feldherr Todesmut. »Wenn ich dabei getötet werde«, prahlte Ugandas Staatschef General Idi Amin nach seinem Ausweisungsbefehl an die etwa 60 000 im Lande lebenden Asiaten mit ausländischen Pässen, »so soll mich dies wenig kümmerit«
In Wirklichkeit steht der ostafrikanischen Republik nach einem Exodus der Asiaten mit nicht-ugandischer Staatsangehörigkeit weit größerer Kummer als der Tod des Staatspräsidenten bevor. Einhellig prophezeien ausländische Wirtschaftsexperten, die ohnehin schwache ugandische Volkswirtschaft werde nach Ablauf der dreimonatigen Ausweisungsfrist zusammenbrechen.
Denn die Ursache für den Ausweisungserlaß »Big Daddy« Amins und den tiefverwurzelten Haß der schwarzen Bevölkerung gegen die Asiaten -- die Geschäftstüchtigkeit und der elitäre Dünkel der Fremdlinge -- ist zugleich Grund ihrer Unentbehrlichkeit für die Wirtschaft Ugandas. Die Asiaten, die durchweg der dünnen wirtschaftlichen Ober- und Mittelschicht des Landes angehören, halten zu viele Schlüsselstellungen im Versorgungssystem inne, als daß sie innerhalb weniger Monate durch Schwarze ersetzt werden könnten.
So kontrollieren die Asiaten vorwiegend indischer Herkunft etwa 80 bis 90 Prozent des Groß- und Einzelhandels Ugandas und schätzungsweise fast 50 Prozent der noch stark unterentwickelten Industrie.
Von den Hauptgeschäftsstraßen Kampalas und Entebbes bis ins tiefste Hinterland hinein haben asiatische Händler Uganda mit einem Netz von Kramläden überzogen, in denen die Schwarzen ihren Bedarf an lebensnotwendigen Kleinigkeiten decken können. Rund die Hälfte der insgesamt 80 000 Uganda-Asiaten -- über 20 000 von ihnen besitzen ugandische Pässe und dürfen (vorerst noch) im Lande bleiben -- zieht aus dem Betrieb solcher Läden zumindest bescheidenen Wohlstand.
Baumwolle -- neben Kaffee wichtigstes Exportgut des ostafrikanischen Staates -- wird meist von asiatischen Händlern aufgekauft. Die Asiaten nehmen eine starke Stellung im Transport- und Baugeschäft ein. Sie besitzen die meisten Reisebüros und vier von Kampalas sechs Touristenhotels. Auch der Vertrieb von Automobilen liegt fast völlig in asiatischer Hand. Der vor Jahrzehnten aus Indien eingewanderte Clan der Madhvanis herrscht gar über Ostafrikas größten Industrie- und Handelskonzern mit Zucker-, Textil- und Streichholzfabriken, Brauereien und Ugandas einzigem Stahlwerk.
Darüber hinaus stellen die Asiaten das Gros qualifizierter Handwerker in Uganda. Noch unentbehrlicher sind die vielen asiatischen Lehrer, Rechtsanwälte, Ingenieure, Ärzte und Manager, ohne die gewaltige Lücken im Ausbildungs-, Gesundheits- und Wirtschaftssystem des erst seit 1962 unabhängigen Staates klaffen würden.
So stehen nach den jüngsten verfügbaren Zahlen 16 ugandischen Chemikern 35 Asiaten gegenüber. Neben 195 afrikanischen Lehrern unterrichten 415 asiatische Kollegen. 201 der Ärzte Ugandas sind Asiaten, nur 181 dagegen Afrikaner. An Architekten stellen die Asiaten zwölf, die Ugander lediglich fünf. Und nur etwa die Hälfte der Rechtsanwälte besitzt die ugandische Staatsbürgerschaft.
Die durch einen Abzug der Asiaten dezimierten Reihen der ohnehin sehr schmalen wirtschaftlichen und geistigen Führungsschicht zu schließen, fehlt es den Schwarzafrikanern an Fachkenntnissen und Kapital. Von Chauvinismus und der Angst vor dem Wirtschaftschaos hin und her gerissen, änderte der für seine impulsiven Entscheidungen berüchtigte Amin denn auch bereits einige Male seinen »endgültigen und unwiderruflichen« Marschbefehl für die asiatischen Untertanen ab.
So verfügte Ugandas starker Mann, ein Ex-Schwergewichtsbox-Champion, Anfang August zunächst, daß alle Asiaten mit britischen Pässen ihre Koffer bis November zu packen hätten, bestimmte Berufsgruppen wie Ärzte, Ingenieure und Lehrer allerdings weiterhin in Uganda tätig sein dürften. Doch dann erkannte Amin, daß nach der Vertreibung der anderen Asiaten der hochqualifizierte Rest »dem Land nicht mehr in einem guten Geist dienen könnte«.
Er dehnte darum sein Aufenthaltsverbot auf alle Uganda-Asiaten aus. Selbst Indern mit ugandischer Staatsangehörigkeit drohte der Präsident die Ausweisung nach einer gewissen Schonfrist an. Als daraufhin selbst Tansanias Staatschef Nyerere Amin des Rassismus bezichtigte, nahm dieser seine Drohung gegen die eingebürgerten Asiaten zurück. In der vergangenen Woche ließ der sprunghafte Staatschef zudem verlauten, daß asiatische Fachkräfte doch nicht des Landes verwiesen würden.
Hart, aber »fair« will Amin gegen die asiatischen Firmeninhaber in Uganda vorgehen. So sollen die Asiaten für enteignete Unternehmen durch die Regierung entschädigt werden -- ein Versprechen, das Kampalas Machthaber wegen des winzigen ugandischen Devisenvorrats (80 Millionen Mark) auf absehbare Zeit nicht erfüllen kann.
Doch einmal in Schwung gekommen, kündigte Idi Amin in einer Rede vor Polizisten an, daß er demnächst auch alle in Uganda ansässigen europäischen Firmen enteignen werde. Die übernommenen ausländischen Unternehmen sollen dann an kaufwillige Afrikaner weiterveräußert werden. Aber selbst wenn sich diese -- wie vorgeschlagen -- zu Genossenschaften zusammenschließen, werden sie nicht über genügend Eigenkapital zum Erwerb und Betrieb der Firma verfügen.
Um den selbstherrlichen Amin doch noch zum Widerruf seines Ausweisungsdekretes zu zwingen, fror Großbritannien, in das die meisten Vertriebenen auswandern wollen, vergangene Woche ein bereits zugesagtes Uganda-Darlehen in Höhe von 80 Millionen Mark vorerst ein.
Trotz des akuten Kapitalmangels in Uganda tat Amin die gekappte Entwicklungshilfe als »Bagatelle« ab. Die frühere Kapitalhilfe Britanniens, so schloß der Staatschef, »war vielleicht nur das Geld, das die Asiaten aus unserem Land gesaugt und nach England geschickt haben«.