Wegen angeblicher Wartung von Ostseepipeline Deutschland erhält im Sommer wohl deutlich weniger russisches Gas

Gasempfangsstation von Nord Stream 1 bei Lubmin: Zuletzt strömten mehr als zwei Drittel der gesamten russischen Erdgaslieferungen nach Europa durch diese Leitung
Foto: Stefan Sauer / dpaDie Erdgaslieferungen aus Russland nach Deutschland und Westeuropa werden im Sommer wohl drastisch sinken. Dies gab der Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, am Montag bekannt.
»Im Sommer wird NorthStream 1 (gemeint ist die Ostseepipeline Nord Stream 1, Anm. d. Red.) gewartet, da wird es wohl keine Einspeicherung geben«, twitterte Müller als Reaktion auf einen SPIEGEL-Artikel über die noch immer hohen Gasimporte der EU-Staaten aus Russland.
Zuletzt lag die #Gasspeicherbefüllung bei 53%, das ist besser als in den Vorjahren aber noch nicht gut genug. Im Sommer wird NorthStream1 gewartet, da wird es wohl keine Einspeicherung geben.@traufetter @ClausHecking @MichaelSauga @Spiegelin @BMWK @bnetzahttps://t.co/p4oIChXp1Z
— Klaus Müller (@Klaus_Mueller) June 13, 2022
Damit wird es für die Europäer schwerer, ihre Gasspeicher vor dem Winter auf mindestens 80 oder – wie etwa in Deutschland – gar 90 Prozent aufzufüllen. Derzeit sind die EU-Reservoirs im Schnitt zu gut 51 Prozent gefüllt, hierzulande sind es noch ein paar Prozentpunkte mehr.
»Zuletzt lag die #Gasspeicherbefüllung bei 53 Prozent, das ist besser als in den Vorjahren, aber noch nicht gut genug«, twitterte Müller.
Russland ist noch immer eine der führenden Gasbezugsquellen für die Europäer: mit zuletzt rund 1,6 Milliarden Kubikmetern pro Woche, das entspricht etwa einem Fünftel aller EU-Importe.
Und Nord Stream 1 ist zurzeit die bei Weitem wichtigste Pipeline für russische Gaslieferungen in den Westen.
Laut einer Analyse des Brüsseler Thinktanks Bruegel schickte der Staatsmonopolist Gazprom zuletzt gut 70 Prozent seiner gesamten für Europa bestimmten Menge durch diese Leitung: rund 1,2 Milliarden Kubikmeter pro Woche. Zum Vergleich: Deutschland verbraucht in einer durchschnittlichen Woche um die 1,6 Milliarden Kubikmeter, im Sommer allerdings deutlich weniger.
Ist die »Wartung« ein Kreml-Manöver?
Ob die Ostseepipeline tatsächlich gewartet werden muss, ist unklar. Gasmarktinsider halten auch ein taktisches Manöver des Kremls für möglich. Denn je schlechter die Speicher der Europäer zum Winter gefüllt sind, desto abhängiger werden sie dann vom russischen Gas sein. Und je größer die Angst vor Engpässen an den Gasmärkten ist, desto höher steigen die Preise.
Am europäischen Großhandels-Referenzmarkt TTF verteuerte sich eine Megawattstunde zur Lieferung im Juli zwischen acht und zehn Uhr morgens von 81,25 auf 83,90 Euro. Damit ist der Preis aber noch weit weg von seinen Rekordständen Anfang März, als die Megawattstunde zeitweise 300 Euro kostete.
Fraglich ist auch, ob andere Lieferanten einspringen und die Minderlieferungen ausgleichen können. Zuletzt importierten die Europäer laut Bruegel am meisten Gas über Tanker: in Form von Flüssigerdgas (LNG). Zweitwichtigster Lieferant war Norwegen.
Wie lange die Wartungsarbeiten dauern werden, ist noch nicht bekannt. Bundesnetzagentur-Chef Müller teilte am späten Montagvormittag mit, die Wartung dauere in der Regel etwa zwei Wochen.