Neuer Hauptaktionär Experten loben Daimler für Abu-Dhabi-Deal

Mitten in der Autokrise steigt ein arabischer Großaktionär bei Daimler ein - Experten sind sich einig: Das ist der ideale Schutz vor einer Übernahme durch Hedgefonds. Abu Dhabi will dafür künftig in der Firmenstrategie mitmischen, doch bessere Optionen hat Konzernchef Zetsche einfach nicht.

Hamburg - An Geld mangelt es Aabar nicht. Die Investmentgesellschaft ist an der Börse von Abu Dhabi notiert, der Wert des Unternehmens lag vor Bekanntgabe des Einstiegs bei Daimler bei umgerechnet 315 Millionen Dollar - und ist nun weiter gestiegen. Bis zum Mittag legte die Aktie um vier Prozent zu. Aabar wird von der staatlichen International Petroleum Investment Company (Ipic) kontrolliert. Deren Investmentportfolio liegt Schätzungen zufolge bei mehr als 14 Milliarden Dollar.

Partner Kubaissi, Zetsche: "Wir freuen uns sehr"

Partner Kubaissi, Zetsche: "Wir freuen uns sehr"

Foto: AP

Daimler   dagegen kann Liquidität in Zeiten der Autokrise gut gebrauchen. Der Konzern bekommt den Absatzeinbruch zu spüren, der Verkauf von Autos ist spürbar zurückgegangen. Im Gegensatz zu Volumenherstellern wie Volkswagen profitiert Mercedes als Hersteller von Premiummodellen kaum von der Abwrackprämie. Im vergangenen Jahr ist der Gewinn um fast zwei Drittel auf 1,4 Milliarden Euro eingebrochen. Für das erste Quartal dieses Jahres hat Daimler-Chef Dieter Zetsche schon einen operativen Verlust angekündigt.

Entsprechend erfreut reagiert Zetsche jetzt über den Einstieg von Abu Dhabi bei Daimler: "Wir freuen uns sehr, in Aabar einen neuen Großaktionär begrüßen zu können, der unsere Unternehmensstrategie unterstützt und mit uns gemeinsam strategische Projekte auf den Weg bringt", sagte er am Montag auf einer Pressekonferenz.

Aabar beteiligt sich mit 9,1 Prozent der Anteile an Daimler, für den Einstieg der Araber erhöht der Konzern das Grundkapital um zehn Prozent. Der Investor zahlt 20,27 Euro pro Aktie, rund fünf Prozent weniger als der Schlusskurs vom Freitag. Daimler fließen damit 1,95 Milliarden Euro an frischem Kapital zu. Möglicherweise will Aabar seinen Anteil weiter aufstocken. "Eine mögliche Erhöhung des Anteils muss später untersucht werden. Im Moment sind wir zufrieden mit 9,1 Prozent", sagte Aabar-Chef und Ipic-Geschäftsführer Chadim al-Kubaissi. Einen Sitz im Aufsichtsrat strebe man "im Augenblick" nicht an - "vielleicht später einmal".

Die Bundesregierung nannte den Aabar-Einstieg ein "positives Signal". "Mit der Investition werden auch die langfristigen Wachstumschancen und die Leistungsstärke der Autobranche in Deutschland anerkannt", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

Auch die Börse belohnte den Einstieg. Daimler-Papiere legten zu Handelsbeginn um sieben Prozent zu, nachdem der Aabar-Einstieg am Sonntagabend verkündet worden war - gegen Mittag betrug das Plus immerhin noch knapp zwei Prozent.

Drei Gründe für den Aabar-Einstieg

Zetsche sprach von drei Gründen für die Kooperation mit Aabar: Mit der Gesellschaft erhalte Daimler einen neuen "Schlüsselinvestor", verbessere seine Kapitalsituation und bekomme einen langfristigen starken Partner, mit dem es möglich sei, die schwierigen Zeiten in der Autobranche zu meistern.

Kubaissi sagte, es sei "immer gut, in Krisenzeiten zu kaufen". Er sprach von einem langfristigen Interesse an Daimler. Abu Dhabi ist der zweite arabische Anteilseigner des traditionsreichen deutschen Autobauers - Kuwait ist schon seit 1974 an dem Konzern beteiligt. Der Anteil des Landes sinkt nach Angaben des Stuttgarter Autobauers durch die Kapitalerhöhung von 7,6 auf 6,9 Prozent.

Autoexperte Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft Bergisch Gladbach hält den Einstieg eines neuen Großinvestors bei Daimler für dringend geboten. "Im Gegensatz zu den anderen Premiumherstellern fehlt Daimler ein strategischer Partner", sagt er. Audi   habe Volkswagen   im Rücken, BMW   mit der Familie Quandt einen finanzkräftigen Investor. "Bei Daimler fehlte bisher jedoch eine strategische Absicherung." Der Einstieg von Aabar sei daher durchaus ein "Glücksfall".

Die Investmentgesellschaft aus dem Emirat Abu Dhabi will sich mehr einmischen als Kuwait und künftig die Konzernstrategie mitbestimmen - nach Angaben von Aabar vor allem bei der Entwicklung von Elektroautos und von Verbundwerkstoffen. Über konkrete Projekte wird noch gesprochen. Zetsche sagte, Daimler werde eine Fachakademie für die Automobilwirtschaft in Abu Dhabi unterstützen.

Übernahme durch Hedgefonds unwahrscheinlicher

Ob ein Anteil von nicht einmal zehn Prozent für eine maßgebliche Mitbestimmung genügt, ist zwar "fraglich", sagt Experte Bratzel. Das Signal stimme jedoch zuversichtlich: "Die neuen Investoren sind wie Kuwait an einem langfristigen Engagement interessiert."

Die Gefahr einer Übernahme durch einen Hedgefonds mit kurzfristigen Plänen sei dadurch "deutlich abgeschwächt worden" - für Daimler war das durchaus eine Gefahr. Denn der Konzern ist derzeit an den Börsen mit gut 20 Milliarden Euro günstig bewertet. Mit etwas mehr als zehn Milliarden Euro sei es schon möglich, die Mehrheit zu übernehmen, analysiert Bratzel. Das mache das Unternehmen attraktiv für Übernahmen.

Und es ist nicht zu erwarten, dass der Wert von Daimler bald wieder steigt, sagt Marc-René Tonn, Analyst von der Warburg-Bank in Hamburg. "Wenn man davon ausgeht, dass die Autohersteller in Zukunft wieder eine Rentabilität aufweisen wie vor der Krise, dann wäre Daimler tatsächlich sehr niedrig bewertet", sagt er. Doch sei nicht damit zu rechnen, dass sich der Markt wieder so sehr erhole und auf das alte Niveau zurückfinde - gerade bei Firmenwagen, Daimlers Stärke, gebe es keinen Anlass zu dieser Hoffnung.

Befreiungsschlag für Daimler

Tonn hält den Einstieg von Aabar deshalb für einen Befreiungsschlag für Daimler: "Das verschafft dem Unternehmen mehr Liquidität", sagt er. Langfristig führe die Ausgabe neuer Aktien zwar dazu, dass der Gewinn pro Aktie sinke. "In der jetzigen Lage ist Daimler durch den neuen Investor aber finanziell deutlich flexibler." Kapitalbeschaffung sei derzeit für Autohersteller eher schwierig, insofern helfe der Einstieg von Abu Dhabi.

Das Emirat ist über Ipic schon am Lkw-Hersteller MAN beteiligt; es übernahm im Oktober die Mehrheit an dessen Dienstleistungssparte Ferrostaal. Mit den Investitionen bei Daimler und MAN   will die staatliche Gesellschaft auch die Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland festigen.

Befürchtungen, deutsches Know-how könnte an den Golf abgezogen werden, tritt Kubaissi im Übrigen entgegen: "Wir planen so etwas in keiner Weise. Ganz im Gegenteil: Wir brauchen die deutsche Technologie, um uns zukunftsfähig zu machen."

Mit Material von dpa-AFX

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