Nokia-Schließung in Bochum Struck gibt Handy zurück, Glos warnt vor Hysterie
Frankfurt am Main - Michael Glos (CSU) schlagen die Wellen zu hoch: "Hysterie bringt niemandem etwas", erklärte er der "Bild"-Zeitung. Der Bundeswirtschaftsminister stört sich weniger an der Tatsache als an den Umständen, unter denen Nokia das Werk in Bochum schließen will. "Was mich befremdet, ist die Vorgehensweise, dass man plötzlich über Nacht die Zukunftshoffnungen vieler Menschen zerstört, ohne vorher Alternativen anzubieten", sagte Glos dem "Hamburger Abendblatt".
Andere Mitglieder der Bundesregierung geben sich weniger nüchtern - der Ex-Ministerpräsident von Bayern, Edmund Stoiber, schimpfte in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung: "Was hier abläuft, ist ein Skandal." Nokia hatte am Dienstag angekündigt, das Bochumer Werk noch in diesem Sommer stillzulegen, die Produktion nach Rumänien und Ungarn zu verlagern. Nach Gewerkschaftsschätzungen sind durch die Stilllegung rund 4000 Arbeitsplätze von Nokia-Angestellten, Leiharbeitern und Beschäftigten in Zulieferfirmen bedroht.
Die Unternehmensführung von Nokia handle "unanständig" und bringe "mit ihrer allein auf Profitmaximierung ausgerichteten Geschäftspolitik die soziale Marktwirtschaft in Verruf", erklärte Stoiber, der inzwischen Berater der EU für Bürokratieabbau ist. Dies müsse "politisch und gesellschaftlich diskutiert werden".
SPD-Fraktionschef Peter Struck hat laut "Bild"-Zeitung sein Nokia-Handy abgeschafft. "Was Nokia in Bochum vorhat, ist eine Riesensauerei. Ich habe heute mein Büro gebeten, mir ein anderes Handy zu besorgen", sagte Struck dem Blatt zufolge. Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) folgte prompt dem Beispiel: Auf der Grünen Woche in Berlin präsentierte er sich am Freitag Handy-frei. "Aus Solidarität mit den Arbeitnehmern muss man solche Signale setzen", sagte der CSU-Politiker.
Glos' Staatssekretär Hartmut Schauerte mahnt ebenso wie sein Chef eine Versachlichung der Debatte an. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte er, es wäre nach jetzigem Sachstand falsch, den Eindruck zu vermitteln, es liege "Subventionsabzocke" vor. Hierfür gebe es keine Anzeichen. Nokia habe sich offenbar an die Bedingungen gehalten, von denen die öffentlichen Fördergelder abhängig gemacht worden seien. Lediglich ob die zugesagte Zahl neuer Arbeitsplätze geschaffen worden sei, werde noch geprüft. Nokia hatte vom Bund und Nordrhein-Westfalen rund 88 Millionen Euro an Fördergeldern bekommen. Das nordrhein-westfälische Ministerium prüft gerade, inwiefern man Gelder zurückverlangen kann. Die Befürchtung, die EU könne dem Handyhersteller den Umzug nach Osteuropa noch mit Zuschüssen etwa aus dem Strukturfonds schmackhaft gemacht haben, hat sich zunächst nicht bestätigt.
Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers bekräftigte erneut, er werde für den Erhalt der Arbeitsplätze kämpfen. "Dazu sollen Gespräche mit Nokia stattfinden", sagte der CDU-Politiker den "Ruhr Nachrichten" laut einer Vorabmeldung. "Wir wollen zunächst wissen, warum die Geschäftsführung nicht das Angebot der Belegschaft annimmt, Kosten zu senken." Angesichts der Vorgänge in Bochum frage er sich, wo dabei die unternehmerische Ethik bleibe. Staatssekretär Schauerte erklärte, bei einem Spitzengespräch mit der Nokia-Führung werde noch in dieser Woche eine weitere Klärung erfolgen.
ase/AP/AFP/Reuters