NS-Zwangsarbeit Neue Klagen gegen Firmen

In Kalifornien sind mehrere deutsche und amerikanische Großunternehmen verklagt worden, weil sie während der Nazi-Zeit Zwangsarbeiter beschäftigt haben. Die Kläger wollen damit die Verhandlungen über die Entschädigung der Betroffenen beschleunigen.

San Francisco - Die Klage richtet sich gegen die Deutsche Lufthansa, die Deutsche Bank, die Dresdner Bank, die Commerzbank, Viag sowie die US-Autokonzerne General Motors und Ford, die auch während der Nazi-Herrschaft in Deutschland tätig waren. Die Kläger - Überlebende des Holocaust, das Simon-Wiesenthal- Zentrum sowie der Gouverneur Kaliforniens, Gray Davis - wollen nach eigenen Angaben damit die Vergleichsverhandlungen über die Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter beschleunigen.

In ersten Reaktionen verwiesen betroffene deutsche Unternehmen am Donnerstag darauf hin, daß ihnen noch keine Klageschrift vorliege. Die Deutsche Bank hatte nach eigenen Angaben mit Zwangsarbeit während der Nazi-Zeit unmittelbar nichts zu tun. Die Deutsche Lufthansa AG erklärte, sie sei keine Rechtsnachfolgerin der früheren Lufthansa und damit formaljuristisch nicht der richtige Adressat. Beide Unternehmen betonten jedoch, daß sie einer Entschädigung der Opfer positiv gegenüberstünden.

Die heutige Lufthansa sei 1953 als Luftag neugegründet worden, sagte eine Unternehmenssprecherin. Erst 1954 habe das Unternehmen von der seit 1951 auf Verlangen der Siegermächte in Liquidation befindlichen Lufthansa den Namen und das Symbol gekauft. Um sich der geschichtlichen Verantwortung zu stellen, leiste die Fluggesellschaft dennoch Einzelfallentschädigungen, sofern sich ehemalige Zwangsarbeiter an das Unternehmen wendeten. Vorgesehen sei, je nach Dauer der Zwangsarbeit, eine Einmalzahlung von rund 10.000 Mark. Bisher gebe es drei entsprechende Anfragen. "Der Nachweis ist schwer zu erbringen, denn die Lufthansa-Archive wurden im Krieg zerstört", sagte die Sprecherin.

Die Klage wurde am Mittwoch in San Francisco eingereicht. Gouverneur Davis sagte, er habe sich als Privatmann der Klage angeschlossen. Er hoffe, damit Druck für den baldigen Abschluß eines Entschädigungsabkommens zwischen den Unternehmen und den Opfern des Nationalsozialismus auszuüben. Auch Rabbi Abraham Cooper vom Simon-Wiesenthal-Zentrum sagte, Hauptzweck der Klage sei, die Verhandlungen über eine Entschädigungsregelung zu beschleunigen. "Die Botschaft an die deutschen Firmen ist: regelt das jetzt!", sagte Cooper. Daß auch der Gouverneur sich der Klage anschließe, belege, daß Kalifornien - die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt - Gerechtigkeit sehen wolle. Die Opfer müßten entschädigt werden, solange sie noch lebten.

Die Kläger werfen den Unternehmen vor, von der Zwangsarbeit unter der Herrschaft des Nationalsozialismus profitiert zu haben. Sie führen in ihrer Klage mehrere Fälle brutaler Behandlung der Zwangsarbeiter auf. Die Unternehmen sind in den USA unter Druck geraten, dem Beispiel Schweizer Banken zu folgen. Diese hatten im vergangenen Jahr ein Abkommen zur Entschädigung von Holocaust-Opfern im Umfang von 1,25 Milliarden Dollar (2,25 Milliarden Mark) geschlossen.

Die Deutsche Bank will sich mit anderen deutschen Konzernen an einem Entschädigungsfonds beteiligen. Die vom deutschen Bankenprimus geplante Übernahme des US-Instituts Bankers Trust für zehn Milliarden Dollar hat sich aufgrund der Vorwürfe verzögert. Die Aufsichtsbehörden in den USA wollen vor der Genehmigung der Fusion die Ansprüche geregelt sehen.

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