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Treuhand Nur noch selektiv

Frohe Botschaft für Betrüger: Die Berliner Treuhandanstalt baut die interne Kontrolle ab.
aus DER SPIEGEL 43/1992

Als Experte für Wirtschaftsdelikte saß der Stuttgarter Staatsanwalt Hans Richter in der Berliner Treuhand-Zentrale genau an der Quelle: Nirgendwo sonst in Deutschland werden so viele Geschäfte abgewickelt, die so viel kriminelle Energie freisetzen.

Kein Wunder, daß Richter und sein Team überaus erfolgreich waren. Betrügereien innerhalb der Treuhand in Höhe von rund drei Milliarden Mark haben sie aufgedeckt, für die Kollegen von der Berliner Staatsanwaltschaft waren sie eine unentbehrliche Hilfe: In insgesamt 300 Fällen werden Ermittlungsverfahren eingeleitet.

So viel Erfolg schafft nicht nur Freunde; doch merkwürdig ist, daß Richters Gegner offenbar in den höchsten Stellen der Treuhand sitzen. Und die schaffen jetzt klare Verhältnisse: Der wackere Schwabe kehrt zum Jahresende nach Stuttgart zurück; ein gleichwertiger Nachfolger wird in Berlin erst gar nicht gesucht.

Das hat der Vorstand der Treuhandanstalt schon im Sommer beschlossen. Der Verwaltungsrat, der wichtige Entscheidungen der Berliner Anstalts-Manager bestätigen muß, wurde nicht gefragt.

Richter kam im Februar 1991, als baden-württembergischer Leiharbeiter, nach Berlin. Als Leiter der Stabsstelle Recht war er der oberste Kontrolleur der Treuhand und ihres Imperiums aus 3800 ostdeutschen Firmen. Sein Team brachte der Staatsanwalt gleich mit - und fünf seiner Fachkräfte gehen auch mit ihm zurück.

Die Stabsstelle wird nun verkleinert, ihr Arbeitsgebiet eingeengt. Dabei war die Abteilung, so Richter, »schon mit sieben Leuten zu gering besetzt«.

Die offizielle Begründung für die neue Linie klingt reichlich flau. Die Kontrollarbeit, so heißt es offiziell, werde lediglich auf die üblichen juristischen Instanzen außerhalb der Anstalt verlagert.

Doch diese Instanzen sind schon jetzt überfordert; die Strafverfolgungsbehörden in den neuen Ländern sind noch im Aufbau, die Berliner Staatsanwaltschaft ist chronisch unterbesetzt und wartet noch immer auf die versprochenen Helfer aus dem Westen. »Ohne Richters Vorarbeit«, geben die Fahnder der Berliner Staatsanwaltschaft offen zu, »hätten wir vieles gar nicht anpacken können.«

Die Berliner Ermittler bekommen die Folgen von Richters Abgang schon deutlich zu spüren. Früher erhielten sie von der Treuhand Hinweise auf mögliche Straftaten und auf Anfrage aufbereitete Akten. »Heute«, klagt Oberstaatsanwalt Joachim Erbe, »kommt nur noch ein Wust ungeordneter Unterlagen.«

Weil die Abteilung Richter »neu strukturiert« werde, erklärte die Treuhand den staatlichen Fahndern in einem beigelegten Entschuldigungsbrief, könne man in Zukunft nur noch »selektiv« tätig werden.

Die Konsequenzen der lascheren Kontrolle sind für Oberstaatsanwalt Erbe klar: »Höherer Arbeitsaufwand pro Fall, geringere Erfolgsquote und die Gefahr, daß viele Taten infolge aufwendiger Ermittlungen verjähren.« Ein Treuhand-Direktor sieht im neuen Kurs der Anstalt gar einen »Freibrief für Schieber«.

Manch einer seiner Kollegen ist allerdings froh, daß Richter geht. Immerhin mußten in Richters Amtszeit 70 Treuhand-Mitarbeiter den Dienst quittieren - wegen grob fahrlässigen Verhaltens und Gefährdung von Treuhand-Eigentum. »Der Spürhund«, sagt ein Treuhand-Manager, »war einfach zu unbequem.«

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