Treuhand Nur unter Vorbehalt
Einen Investor wie Klaus Zenkner sahen die Treuhand-Leute immer gern. Der westdeutsche Chemie-Manager wollte seinen Traum vom selbständigen Unternehmer verwirklichen und mit vollem Einsatz versuchen, in Ostdeutschland eine daniederliegende Firma zu sanieren.
Im Oktober 1991 waren sich beide Seiten einig. Zenkner, 51, wurde zusammen mit seinem Partner Karl Funk, dem weltgrößten Hersteller von Kegelbahnen, neuer Eigentümer der Kunstharzfabrik Plasta Erkner am Ostrand von Berlin.
Vor zwei Wochen schickte die Treuhand dem Unternehmer die Staatsanwälte ins Haus. Sie durchsuchten 14 Wohnungen und Büros: Zenkner soll durch manipulierte und überhöhte Rechnungen die Treuhand um eine zweistellige Millionensumme betrogen haben.
Tatsächlich ist die Treuhand schon allzuoft von schlitzohrigen Investoren geprellt worden; eine gründliche Prüfung, vielleicht gar Mißtrauen, scheint bei vielen Interessenten angebracht. Doch der Fall Zenkner ist anders: Die Treuhand versucht, aus einem rechtswirksamen Vertrag auszusteigen - die beschlossene Privatisierung wird ihr zu teuer.
Im Kaufvertrag vom Oktober 1991, mit dem die »Funk & Zenkner Verwaltungsgesellschaft« der Treuhand das Chemiewerk in Erkner für 25 Millionen Mark abkaufte, geht es auch um die ökologischen Altlasten. Das Plasta-Gelände, auf dem schon vor 80 Jahren chemische Gifte schäumten, ist hochgradig verseucht, und beiden Seiten war dies bekannt.
»Ich wußte ganz genau, was ich da kaufe«, sagt Zenkner. »Und ich wollte mit diesen Altlasten nichts zu tun haben.« Schließlich sei es schon schwierig genug, die Produktionsanlagen auf westlichen Standard zu bringen.
Mit der Treuhand, Direktorat U6 Chemie, einigte sich Naturwissenschaftler Zenkner ("Phenolharze sind meine Welt") schließlich darauf, daß er nur zehn Prozent der Sanierungskosten zu tragen habe. Den großen Rest wollte die Treuhand übernehmen. Ein Gutachten, so wurde vereinbart, sollte den Umfang der erforderlichen Arbeiten und damit die Kosten festlegen.
Die Gutachter errechneten, daß die Sanierung des 140 000 Quadratmeter großen Firmengeländes rund 87 Millionen kosten würde. Wenn diese Summe die Treuhand geschockt hat, dann hat sie es zumindest nicht erkennen lassen. Sie bezahlte den Gutachter, die Berechnungen wurden nicht angezweifelt.
Erst im Herbst 1992, als immer mehr Rechnungen der Sanierungsfirma in der Treuhandzentrale eingingen und bereits 11 Millionen Mark überwiesen waren, schreckten die Privatisierer offenbar auf. Die nächsten Millionen zahlten sie nur noch unter Vorbehalt.
Am liebsten hätte die Treuhandanstalt die Verkaufsverhandlungen noch einmal aufgerollt. Das Gutachten, so die Begründung, entspreche ja eigentlich gar nicht dem Geist des Vertrags.
Da Zenkner hart blieb, gab die Treuhand zunächst nach. Im Protokoll einer Verhandlung vom 2. Oktober 1992 verpflichtete sie sich zur weiteren Sanierung des Grundstücks. Vertrag und Gutachten wurden anerkannt.
Doch im Januar erfuhr Zenkner zu seiner Überraschung, daß die Treuhand nun doch nicht zu ihren Zusagen stehe. Den Hinweis auf das Treffen vom 2. Oktober wischten seine neuen Gesprächspartner beiseite. Die »handelnden Mitarbeiter«, erklärte die Rechtsabteilung der Treuhand lapidar, seien nicht »berechtigt gewesen, Verpflichtungen in diesem Umfang zu Lasten der Treuhandanstalt einzugehen«.
Die seltsame Formulierung, die jeden Investor fürchten lassen muß, seine Gesprächspartner in der Treuhand seien inkompetent, wird allerdings noch durch eine andere Klausel übertroffen. Der Kaufvertrag von 1991, so teilte die Treuhand im Juli 1993 mit, stehe »unter dem Genehmigungsvorbehalt des Bundesministers der Finanzen«. Diese Genehmigung liege bis heute nicht vor.
»Kann denn die Treuhand jetzt, nach zwei Jahren erfolgreicher Geschäftstätigkeit, ,April, April' sagen und mich einfach nach Hause schicken?« fragt Zenkner. Dann müßten ja auch andere Investoren befürchten, daß ihre Kaufverträge gar nicht gültig seien.
Vom März dieses Jahres an zahlte die Treuhand keine Rechnungen mehr. Plasta Erkner fehlen deshalb 8 Millionen in der Kasse.
Unternehmer Zenkner hat inzwischen eine der modernsten Phenolharzfabriken Europas aufgebaut. Er hat 20 Millionen Mark investiert. Und aufgeben will er nicht.
Der Treuhand schickte der Chemiker Ende September einen Mahnbescheid. Da die Behörde keinen Widerspruch einlegte, beantragte Zenkner beim Kreisgericht Fürstenwalde einen Vollstreckungsbescheid.
Drei Tage später schlug die Treuhand zurück. Sie beschuldigte Zenkner des Betrugs und mobilisierte damit die Staatsanwälte. Plasta Erkner habe, so die Behörde, betrügerisch Arbeiten in Rechnung gestellt, die gar nichts mit der Altlastensanierung zu tun hätten.
So habe das Zenkner-Team den Bau eines Billard-Cafes auf dem Firmengelände von der Treuhand bezahlen lassen. Für den Abriß asbestverseuchter Hallen habe die Firma 500 000 Mark berechnet, obwohl die Kosten nur bei 150 000 Mark lagen.
»Alles Unsinn«, behauptet Zenkner. Er werde vorsätzlich diffamiert, sein Ruf geschädigt. »Die wollen mich mürbe klopfen.«
Das könnte gelingen.
Seit die Strafanzeige der Treuhand bekannt wurde, prüfen die Banken ihr Kredit-Engagement bei Plasta. Einige Zulieferer bestehen auf Vorkasse, Gelder der staatlichen Forschungsförderung werden zurückgehalten.
Erst im Juli, entgegnet Zenkner auf den Betrugsvorwurf, hätten Treuhand-Revisoren seine Bücher geprüft. Sie hätten nichts beanstandet.
Vergangene Woche schickte die Treuhand, als Vorschlag für weitere Gespräche, dem inzwischen ungeliebten Investor eine »Ausfüllungsvereinbarung«. Die soll nun endgültig regeln, wie der Privatisierungsvertrag vom Oktober 1991 zu verstehen sei.
Altlasten wären dann nur noch Stoffe, die von der Treuhand auch als solche angesehen werden. Damit wäre gesichert, daß die Entsorgung keine 87 Millionen mehr erfordern wird.
Was es kostet, das Vertrauen in die Rechtsverbindlichkeit von Treuhand-Verträgen wiederherzustellen, steht nicht in dem Papier. Y