Öffentlicher Dienst Ver.di legt Deutschland lahm - Streiks bei Flughäfen, Bussen, Bahnen
Hamburg - Der Tarifkonflikt im Öffentlichen Dienst droht vollends zu eskalieren. Mit einem Großkampftag hat die Gewerkschaft Ver.di heute Morgen die heiße Phase der Warnstreiks eröffnet. Bundesweit legen Tausende Beschäftigte die Arbeit nieder, betroffen sind Busse und Bahnen, vor allem in Berlin. Daneben soll die Arbeit erneut in Kliniken, Kitas, Stadtreinigungsbetrieben und Verwaltungen ruhen. Allein in Nordrhein-Westfalen sollen sich laut Ver.di mehr als 70.000 Beschäftigte an den Warnstreiks beteiligen. Besonders hart trifft es heute jedoch die Flughäfen.
Die heftigsten Folgen könnte der Streik in Frankfurt am Main haben. Am größten deutschen Flughafen legten zahlreiche Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes und der Gepäckabfertigung um 5.30 Uhr die Arbeit nieder. Die Flughafen-Betreibergesellschaft Fraport rief die Passagiere auf, frühzeitig zum Flughafen zu kommen. Es seien erhebliche Behinderungen im Flugverkehr möglich.
Auf dem Fughafen Düsseldorf laufen seit 4 Uhr die Gepäckförderanlagen nicht mehr. Deshalb könne auch nicht eingecheckt werden, sagte ein Ver.di-Sprecher. Der Warnstreik soll hier noch bis 9 Uhr fortgesetzt werden. Auch auf dem Flughafen Köln-Bonn stehen die Gepäckförderanlagen still. Darüber hinaus will Ver.di die Flughäfen in München, Nürnberg, Stuttgart, Münster-Osnabrück und Saarbrücken lahmlegen. Die Lufthansa hatte vorsorglich 142 Flüge gestrichen, bei denen es sich vor allem um innerdeutsche Verbindungen handelt.
In Hannover zieht der Tarifkonflikt auch die weltgrößte Computermesse Cebit in Mitleidenschaft. Am Flughafen legten rund 200 Mitarbeiter der Technik, der Feuerwehr und der Gepäckabfertigung um 5 Uhr die Arbeit nieder. "Es geht im Moment nichts mehr", sagte ein Ver.di-Sprecher. Auch die Bundespolizei sollte sich an dem Ausstand beteiligen. Der Warnstreik soll bis 10.30 Uhr dauern. Wegen der Cebit werden in diesem Zeitraum etwa 70 Maschinen erwartet, ein Drittel mehr als üblich.
Ver.di fordert für die bundesweit 1,3 Millionen Angestellten des Bundes und der Kommunen acht Prozent höhere Gehälter, mindestens aber 200 Euro mehr im Monat. Die Arbeitgeber bieten bisher fünf Prozent - verteilt auf zwei Jahre - bei gleichzeitiger Verlängerung der Wochenarbeitszeit. Morgen beginnt bereits die fünfte Verhandlungsrunde.
In Hamburg, wo der Flughafen von 6 Uhr bis 9 Uhr bestreikt wird, sind 56 Flüge und rund 4700 Passagiere betroffen, sagte eine Airport-Sprecherin. Vor den Schaltern bildeten sich lange Schlangen.
Am Stuttgarter Flughafen begann der Warnstrreik um 4 Uhr. Die Arbeitgeber wollten sich davon aber nicht beeindrucken lassen. Nicht-gewerkschaftliche Mitarbeiter könnten die Arbeiten übernehmen. "Die private Konkurrenz ist da, die es übernehmen kann", sagte eine Flughafensprecherin. Auch sie rechne allerdings mit Verspätungen, wenn Flüge wegen der Warnstreiks an anderen Flughäfen zeitverzögert in Stuttgart einträfen. An den Flughäfen München und Nürnberg sind die Bodenverkehrsdienste sowie die Be- und Entlader der Flugzeuge im Ausstand.
An den drei größten Flughäfen in Nordrhein-Westfalen haben heute Morgen ebenfalls Warnstreiks begonnen. "Die Informationsschalter sind nicht mehr besetzt", sagte ein Ver.di-Sprecher in Köln. In Dortmund traten Beschäftigte des Bodenverkehrsdienstes in den Warnstreik. Sie sind normalerweise dafür zuständig, Flugzeuge zu betanken oder das Flugfeld zu enteisen. Nun könne keine Maschine abheben, sagte ein Ver.di-Sprecher. Nicht bestreikt werden die Flughäfen Bremen, Leipzig und Dresden, weil sie eigene Haustarifverträge haben.
Gewerkschaftschef Frank Bsirske erhöhte unterdessen den Druck auf die öffentlichen Arbeitgeber. "Wir fangen erst an", sagte er der "Neuen Presse". Der bisherige Verlauf der Warnstreiks habe gezeigt, dass die Beschäftigten auch bereit seien, "in einen unbefristeten Arbeitskampf zu gehen, wenn die Arbeitgeber weiter blockieren".
Das bisherige Angebot von Bundesregierung und Kommunen sei "schamlos und ein billiges Täuschungsmanöver. Wenn man die vorgeschlagene Verlängerung der Arbeitszeit einrechnet, müssten die Arbeitnehmer für die Lohnerhöhung noch Geld mitbringen", sagte Bsirske.
In Rheinland-Pfalz gingen heute Morgen vor allem Mitarbeiter der Nahverkehrsbetriebe in den Ausstand. Nach Angaben eines Ver.di-Sprechers kam der Verkehr in Kaiserslautern und Ludwigshafen fast vollständig zum Erliegen. In Trier sei nur die Hälfte der Busse im Einsatz, in Mainz führen etwa 30 Prozent nicht. Auch Beschäftigte von Kliniken und Entsorgerdiensten hätten die Arbeit niedergelegt.
Die Arbeitgeber attackierten die Streiktaktik von Ver.di. Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, sagte der "Bild"-Zeitung: "Die Warnstreiks erreichen eine neue Dimension. Flughäfen lahmzulegen ist völlig unverhältnismäßig und gefährdet den Standort Deutschland." Landsberg forderte eine neue Debatte über das Warnstreikrecht: Man müsse künftig die Frage stellen, wo die Verhältnismäßigkeit ende. Ein neues Angebot der Arbeitgeber vor der letzten Verhandlungsrunde am Donnerstag halte er für ausgeschlossen, sagte Landsberg. Wenn sich die Gewerkschaft weiter so verhalte, sei eine Schlichtung unausweichlich.
Pendler-Chaos in Berlin
Unter einem anderen Tarifkonflikt leiden derweil die Bürger Berlins. Hier geht es um die Auseinandersetzung zwischen Ver.di und den Verkehrsbetrieben BVG. Das Land Berlin war aus der Tarifgemeinschaft der Arbeitgeber ausgestiegen, deshalb hat der BVG-Streik eigentlich nichts mit den Verhandlungen im Öffentlichen Dienst zu tun. Doch zeitlich passt er Ver.di gut ins Konzept.
Am Morgen traten Bus- und Bahnfahrer in einen unbefristeten Streik. Busse, U-Bahnen und Straßenbahnen blieben um 2 Uhr in den Betriebshöfen. Von den Arbeitsniederlegungen sind auch Besucher der weltgrößten Reisemesse ITB betroffen, die heute in Berlin beginnt. Der Streik soll mindestens bis zum 14. März dauern.
"Wir haben einen Ersatzverkehr eingerichtet, aber es ist wirklich ein Not-Ersatzverkehr", sagte eine BVG-Sprecherin. "Wir hoffen, dass der Streik nicht bis Freitag nächster Woche dauert." Die BVG will mit dem Ersatzverkehr Fahrgästen ermöglichen, S-Bahnen zu erreichen, die trotz des Streiks fahren.
In der kommenden Woche könnte sich aber auch dies ändern: Wegen des Tarifkonflikts bei der Deutschen Bahn droht die Lokführergewerkschaft GDL mit einem neuen, unbefristeten Streik ab Montag - und der könnte auch die S-Bahn treffen.
Bei der BVG fordert Ver.di acht bis zwölf Prozent mehr Geld für die Beschäftigten. Das Arbeitgeber-Angebot sieht eine stufenweise Erhöhung des Gehalts um sechs Prozent bis Ende 2010 vor.
wal/AFP/dpa/Reuters/ddp/AP