Öko-Gewalttäter "Wir brennen es nieder, die Elfen sind wütend"

Die Earth Liberation Front, ein Netz militanter Umweltaktivisten, setzt teure Geländewagen und andere Symbole der US-Konsumkultur in Brand. Radikal wie nie, verübte sie kürzlich die teuerste Sabotage-Aktion in der Geschichte der Bewegung. Für viele Amerikaner wird der "Öko-Terrorismus" zum neuen Feindbild.

Los Angeles/San Diego - Gegen sieben Uhr morgens hallt der Klang der Faustschläge über den Flur. Sechs Beamte des FBI stehen vor der Tür des Apartments in einem Vorort von San Diego, ihre Pistolen gezogen in der Hand. Als Michael C., 26, nach dem lauten Klopfen die Tür öffnet, präsentieren sie ihren Durchsuchungsbefehl.

"Sie haben mein Wohnzimmer auseinander genommen", empört sich hinterher Kathryn D., 23, die ebenfalls in dem Appartement wohnt. Die Beamten suchen und beschlagnahmen ein mögliches "Beweisstück" - ein Video, das jüngst bei einer Versammlung kämpferischer Tierschützer aufgezeichnet wurde. Es zeigt die Ansprache eines Mannes, der als ein Vordenker der ELF gilt, der Earth Liberation Front. Auch Kathryn und Michael sollen dazu gehören.

"Ich liebe Luftverschmutzung", stand auf dem Graffiti

Die Öko-Aktivisten, die sich oft den harmlos klingenden Namen "Elves" (Elfen) geben, sind zu einem neuen Feindbild vieler Amerikaner avanciert. Das FBI fahndet so gründlich nach ihnen wie nie: Die Razzia am letzten Donnerstag war in San Diego schon die zweite in nur vierzehn Tagen. Zeichen einer Eskalation - und Antwort auf zwei spektakuläre Akte der Brandstiftung im Süden Kaliforniens. Dabei entstanden im vergangenen Monat mehr als 50 Millionen Dollar Sachschaden.

Es begann mit einer Feuersbrunst in University City. In der Nacht des 1. August brannte dort, in einer anderen Vorstadt San Diegos, ein Bauplatz nieder. 206 halb fertige Wohnungen wurden zerstört, 400 Anwohner vorübergehend evakuiert. Am Tatort fand sich ein rund vier Meter langes Transparent: "Wenn ihr es baut, brennen wir es nieder - die Elfen sind wütend". Die Gruppe zürnte offenbar, weil in den Hügeln rund um Amerikas siebtgrößte Metropole wieder mal ein Stück Natur zubetoniert wurde.

Angriff aufs Patrioten-Mobil

Der zweite Schlag richtete, rein monetär gesehen, weniger Schaden an - dafür traf er den Solarplexus amerikanischer Konsum-Befindlichkeit. Ende August, es ist fünf Uhr morgens, gehen auf dem Hof des Autohändlers Clippinger Chevrolet rund 20 Sports Utility Vehicles (SUVs) in Flammen auf - ausgerechnet die besonders teuren und gigantischen Hummer vom Typ H2. Die Zivilvariante des Militärwagens Humvee gilt vielen als hyperpatriotisch - doch ein schlimmerer Spritfresser ist schwer zu finden.

Die Polizei verdächtigt zwei junge Männer, weiß, schlaksig, vielleicht noch nicht mal 20 - eine Videokamera hat sie gefilmt. In derselben Nacht sollen sie im Umland von Los Angeles drei weitere SUV-Händler der Marken Ford, Mercedes und Mitsubishi angegriffen haben. Hier brannten zwar keine Wagen - dafür sprühten die Täter, wie auch bei Clippinger, Graffiti wie "Fette, faule Amerikaner", "Mörder", "Ich liebe Luftverschmutzung" und "ELF" auf Karosserie und Fenster. Schadensbilanz dieser Nacht: rund eine Million Dollar.

Teil zwei: "Nicht länger zögern, zum Gewehr zu greifen, um Gerechtigkeit zu schaffen."

Schon Anfang 2002 stufte die US-Bundespolizei ELF als eine "Ernst zu nehmende terroristische Gefahr" ein. Die Gruppierung neige "in zunehmendem Maße zum Vandalismus", sagte FBI-Experte James Jarboe bei einer Anhörung in einem Kongressausschuss. Seit 1996 hätten ELF und ihre Schwester, die Tierschutzgruppe ALF, 600 Straftaten begangen und 43 Millionen Dollar Schaden angerichtet. Diese Summe haben die "Elfen" jetzt auf einen Schlag übertroffen - der Anschlag in University City gilt als teuerster Akt des "Öko-Terrorismus" in der Geschichte Amerikas.

Kriminologen und Politiker unken nun, dass die jüngsten Attacken nicht nur Irrläufer waren, sondern die ersten Wogen in einer Sturmflut "grüner" Gewalt. "Diese Bewegung wird immer schamloser", ließ der Terror-Experte Brian Leven die Agentur AP wissen. Sein Kollege Gary Perelstein, der die ELF seit ihrem Sabotage-Debüt 1996 beobachtet, geht weiter: Er erwartet, dass radikale Elemente der Front erstmals auch Menschen angreifen. Schon vor Monaten hieß es in zumindest einer Mitteilung aus dem ELF-Umfeld: "Wir sollen nicht länger zögern, zum Gewehr zu greifen, um Gerechtigkeit zu schaffen."

Nazi-Vergleiche vom linken Rand

Bisher ist es dem FBI nicht gelungen, ELF zu infiltrieren oder mehr als ein halbes Dutzend der Ökovandalen festzusetzen. Das liege an der antihierarchischen Struktur des Netzwerkes, gestand FBI-Mann Jarboe. Die Front beschreibt sich selbst als "Untergrundbewegung, die aus autonomen Gruppen" besteht. "Mitglied" werde, wer eine neue Zelle gründet und jenen "wirtschaftlichen Schaden zufügt, die aus der Zerstörung der Umwelt Profite schlagen". Kurz: Aktivisten in Oregon unterhalten in der Regel keinerlei Kontakt zu jenen in Kalifornien. ELF ist eine Hydra ohne Köpfe.

Bekannte Gesichter hat die ELF denn auch nicht - oder nicht mehr. Rund vier Jahre lang trat Craig Rosebraugh als "Sprecher" der ELF auf - ein wütender Mittzwanziger mit kahl rasiertem Kopf, der an der Uni Vermont eine Magisterarbeit über gewaltsamen Widerstand einreichte. Eines seiner Bekenntnisse: "Wenn wir Vandalen sind - dann waren es auch diejenigen, die in Auschwitz die Gaskammern zerstörten".

"Soziale Revolution in Amerika"

Rosebraugh behauptete stets, keinen direkten Kontakt zu ELF-Mitgliedern zu unterhalten, vorab nichts über Attacken zu wissen - er erhalte nur anonyme Communiqués, die er verbreite und erläutere. Dem FBI wollte das nie recht einleuchten - Anfang 2000 filzte es Rosebraughs Büro und Wohnung, 2002 wurde er vom Kongress zwangsvorgeladen. Inzwischen führt der entschiedene Antikapitalist eine neue Gruppe an, Arissa genannt. Sie gibt sich mit Umweltschutz nicht mehr zufrieden, propagiert die "politische und soziale Revolution". Motto: "Benutzt alle Mittel, die nötig sind."

Eine Seite im Internet betreibt ELF noch immer - registriert war sie zuletzt in Kanada auf den Namen eines militanten Tierschützers, der dort über ein Jahr im Gefängnis verbrachte. Eine "Pressestelle" verschickt nach Anschlägen Bekennerschreiben oder Erläuterungen per Mail - allesamt anonym. Eine Anfrage von SPIEGEL ONLINE blieb zunächst ohne Antwort. Unter dem Link "Empfohlene Lektüre" gibt eine Datei Tipps zum Bau von Brandbomben mit Zeitzünder und Hinweise zum Thema: "Was tun, wenn die Polizei anklopft?"

"Muttersöhnchen, die Öko-Wahnsinnigen"

Nach den Hummer-Attacken wird es dauern, bis die Aufregung abklingt - selbst falls die ELF-Aktivisten nun für Monate in der Versenkung verschwinden. Allerorten brodelt die Empörung: Bekennende Hummer-Fahrer fuhren teils Hunderte Meilen zu einer Demo bei Los Angeles. Verbände lobten 100.000 Dollar Belohnung aus, um die Fahndung zu fördern. Der Kongress-Abgeordnete Scott McInnis verlangt strengere Gesetze. Rush Limbaugh, rechter Talk-Radio-Rabauke, wütet gegen "verweichlichte Muttersöhnchen, die Öko-Wahnsinnigen". Und der Sierra Club fürchtet, dass friedliebende Umweltschützer diffamiert werden.

So viel Wut und Ärger beeinflussen auch den Wahlkampf in Kalifornien - bis zur möglichen Abberufung des Gouverneurs dauert es nur noch sechs Wochen. Arianna Huffington, eine der Promi-Kandidatinnen, steckt bereits in der Bredouille: Mit hoch kontroversen TV-Spots hatte sich die Kolumnistin an die Spitze der Anti-SUV-Bewegung gesetzt. Nun muss sie sich vorwerfen lassen, damit die Basis für die Brandattacken bereitet zu haben.

Ein kalifornischer Kandidat, der bisher schweigt zum Thema "Öko-Terrorismus", ist Arnold Schwarzenegger. Vielleicht ängstigt er sich ja um sein eigenes martialisches Mobil - er fährt einen H2.

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