Öko-Offensive in den USA China wittert Wind-Bonanza in Texas

China und Amerika verbünden sich im Kampf gegen den Klimawandel. Unternehmen aus beiden Staaten kooperieren bei mehreren Energieprojekten im Südwesten der USA - darunter eine gigantische Windfarm in Texas. Doch die Allianz mit der Volksrepublik gerät zusehends in die Kritik.
Windpark in Texas: Schauplatz eines neuen modernen Abenteuers

Windpark in Texas: Schauplatz eines neuen modernen Abenteuers

Foto: LM Otero/ ASSOCIATED PRESS

Der Westen von Texas ist ein mythisches Land. Die Hochwüste über dem Rio Grande war einst die Heimat von Apachen und Comanchen. Karg, heiß, menschenleer - und eine beliebte Hollywood-Kulisse: Schon 1956 entstand dort das Epos "Giganten", James Deans letzter Film. Zu den neueren Kinoproduktionen aus dieser grimmigen Gegend zählten "There Will Be Blood" und "No Country for Old Men".

West Texas bietet aber auch noch eine andere, plötzlich begehrte Attraktion: Es ist windig hier.

Kein Wunder, dass der Landstrich inzwischen bei der US-Energieindustrie begehrt ist: Überall finden sich gigantische Windräder. Mit einer Gesamtleistung von fast 9000 Megawatt liegt Texas weit vor allen anderen US-Bundesstaaten: Texas erzeugt fast dreimal so viel Windenergie wie Iowa, die Nummer zwei der Windkraft-Staaten. 

Dank seiner Winde wird der Wilde Westen jetzt zum Schauplatz eines neuen, modernen Abenteuers: Auf einem fast 150 Quadratkilometer großen Areal mitten in West Texas soll für 1,5 Milliarden Dollar einer der größten Windparks der Welt entstehen, mit einer Energieleistung von 600 Megawatt. Das entspricht der Leistung eines kleinen Kohlekraftwerkes.

Pragmatische Gründe für Zusammenarbeit

Spannender allerdings sind die beiden Geschäftspartner, die das Großprojekt angeschoben haben: die USA und China. Die US Renewable Energy Group (US-REG), eine texanische Kapitalbeteiligungsgesellschaft, und die amerikanische Cielo Wind Power haben kürzlich mit großer Geste eine Rahmenvereinbarung mit dem chinesischen Konsortium Shenyang Power Group (SPG) unterzeichnet. 240 Windturbinen sollen in China gebaut werden, der Rest der Maschinen in den USA. Zwei Drittel der Investitionssumme wird China bereitstellen, ein Drittel kommt aus dem 787-Milliarden-Dollar-Konjunkturpaket, das der US-Kongress im Februar verabschiedete. Eröffnung der bilateralen Windfarm: März 2011.

Windkraft

Das Joint Venture in Texas war eine der ersten US-chinesischen Kooperationen auf dem Feld der Energieversorgung durch . Die Anlage soll eines Tages rund 180.000 US-Haushalte mit Strom versorgen können. Zur feierlichen Unterzeichnung des Abkommens in Washington reiste neben SPG-Chef Jinxiang Lu auch Yang Yazhou an, Vizebürgermeister der nordchinesischen Stadt Shengyang, in der das SPG-Konsortium seinen Sitz hat.

Zum Auftakt gab es wohlklingende Worte: Die Chinesen zeigten sich "geehrt" und "begeistert". Ed Cunningham, Geschäftsführer von US-REG, würdigte "den Respekt und die Freundschaft zwischen den Besten und Klügsten beider Länder, die für eine neue Energiezukunft zusammenarbeiten und gegen den globalen Klimawandel angehen".

erneuerbare Energiequellen

Doch neben den vielen großen Visionen gibt es vor allem pragmatische Motive für das gemeinsame Vorgehen: Das Windexperiment in Texas ist nur eine von inzwischen mehreren Co-Produktionen, bei denen amerikanische und chinesische Firmen in den USA anzapfen wollen - zu beiderseitigem Nutzen und rechtzeitig zum Weltklimagipfel von Kopenhagen.

Bemerkenswerte Zusammenarbeit der weltgrößten Klimasünder

Drei Wochen nach Bekanntgabe des Texas-Windpark-Vorhabens unterzeichneten US-REG und der chinesische Turbinenhersteller A-Power - eine SPG-Tochter - eine weitere Vereinbarung: Sie wollen eine Turbinenfabrik in den USA bauen, für Energieanlagen in Nord- und Südamerika. Die Fabrik solle genug Windräder produzieren, um 1100 Megawatt im Jahr zu erzeugen und 330.000 Haushalte zu versorgen.

Es geht nicht nur um Windkraft: Suntech Power Holdings, Chinas Top-Hersteller von Sonnenkollektoren, kündigte an, eine fast 10.000 Quadratmeter große Produktionsstätte in Arizona zu errichten - die erste US-Dependance einer Solarfirma aus China. Ab 2010 sollen dort chinesische Solarzellen zusammengebaut werden. Die Zellen enthalten wiederum ein Silikonmaterial aus Texas.

Hauptgrund für die Standortentscheidung seien die hohen Transportkosten für die schweren Sonnenkollektoren, sagte Suntech-Direktor Roger Efird der "New York Times". Suntech decke bereits 12 bis 13 Prozent des US-Markts ab und wolle bis Ende kommenden Jahres 20 Prozent erreichen. Mit einem in Arizona hergestellten Produkt kann das chinesische Unternehmen sich künftig auch für Solarkraft-Ausschreibungen bewerben, die "Made in America" vorschreiben, zum Beispiel bei Regierungsgebäuden. "Die Wüste des US-Südwestens", sagte Efird, "wird unserer Meinung nach zum Standort einiger enormer Energieprojekte werden." Auch Yingli, ein weiterer Solarkonzern aus China, soll an US-Standorten interessiert sein.

Tatsächlich ist es konsequent, dass die zwei größten Klimasünder der Welt plötzlich auf unternehmerischer Ebene zusammenarbeiten. Es entspricht dem neuen Ton, den Barack Obama gegenüber der von vielen Amerikanern misstrauisch beäugten Wirtschaftsmacht aus dem fernen Osten anzuschlagen versucht. Zwar zeigte der enttäuschend handzahme Besuch des US-Präsidenten in Peking Mitte November, dass die Differenzen über die Devisen-, Handels- und Menschenrechtspolitik anhalten. Doch hinter den Kulissen arbeitet Obamas Team seit langem an einer Klima-Achse beider Staaten. Es war kein Zufall, dass erst Obama seine Teilnahme am Kopenhagen-Gipfel zusagte - und einen Tag später dann Chinas Premierminister Wen Jiabao.

Kooperation mit Chinesen ruft Kritiker auf den Plan

Bereits Ende Juli hielten die USA und China in Washington einen ersten Strategic and Economic Dialogue ab, einen Mini-Wirtschaftsgipfel, bei dem eine gemeinsame Absichtserklärung zum Klimawandel und zu sauberen Energiequellen herauskam. Die Regierungen gründeten außerdem das US-China Clean Energy Research Center, in dem Wissenschaftler und Ingenieure beider Seiten bei Energiespar-Projekten zusammenarbeiten.

Nicht alle Amerikaner goutieren den Annäherungskurs im Südwesten der USA. Der Windpark in Texas treibe Obamas Wahlversprechen, mit "grünen Jobs" den US-Arbeitsmarkt anzukurbeln, in eine etwas "seltsame Richtung", mäkelte die texanische Zeitung "Dallas Morning News". Während US-Firmen immer noch unter der Krise litten, dürften Ausländer den Hilfstopf der Regierung in Washington anzapfen. "Wie schafft das Jobs in Amerika?", fragt Kolumnist Jim Landers und weist darauf hin, dass der Windpark gerade mal 300 US-Stellen schaffe.

Auch politischer Widerstand regt sich. Der demokratische Senator Chuck Schumer protestierte schriftlich bei US-Energieminister Steven Chu - dessen Vorfahren aus China stammen - gegen das Vorhaben in Texas: "Das Projekt sollte keinen Penny aus dem Stimulus-Fonds bekommen dürfen - es sei denn, es verwertet ausschließlich amerikanische Produkte und keine chinesischen Turbinen."

Trotzdem ist klar: Windkraft ist die Zukunft für West Texas. In "Giganten", dem Hollywood-Drama von 1956, ging es noch um Öl - jenes Lebenselixier von Texas, das immer so viel mehr war als nur eine Energiequelle. Der Film hat bekanntlich kein Happy End, und James Dean raste noch vor der Premiere in den Tod.

Bleibt also abzuwarten, wann in Texas der erste Film gedreht wird, in dem es um Windenergie geht.

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