Lernen von Joseph Schumpeter Der Unordnungspolitiker

Joseph Schumpeter: Mit dem Begriff der schöpferischen Zerstörung seiner Zeit weit voraus
Foto:Corbis
Was für eine Skandalnudel: Als Professor duellierte sich Joseph Schumpeter mit dem Bibliotheksleiter. Als österreichischer Finanzminister zeigte er sich öffentlich mit Prostituierten. Eine von ihm geführte Bank ging pleite.
Und auch als Wissenschaftler konnte er mit Ordnung wenig anfangen. Der Österreicher war der erste einflussreiche Nationalökonom, der vor 100 Jahren vehement die Ansicht vertrat: Ein dynamisches Chaos sei viel eher die Norm für eine gesunde Volkswirtschaft als stetiges Gleichgewicht. Bis heute ist der Prozess der schöpferischen Zerstörung untrennbar mit dem Namen Joseph Schumpeter (1883-1950) verbunden.
Durch sein 1911 erschienenes Buch "Die Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung" lenkte er die Aufmerksamkeit auf das Thema Innovation. Jahrzehnte bevor es zum Standardthema in fast allen Unternehmen wurde - und zur Standardfloskel in den Sonntagsreden fast aller Wirtschaftsminister. Schumpeters Kernidee: Kapitalismus ist Unordnung, die fortwährend durch innovative Unternehmer mit neuen Ideen in den Markt getragen wird. Aus dieser Unordnung entstehen Fortschritt und Wachstum.
Wie Apple Sony das Geschäft wegnahm
Damit war er seiner Zeit weit voraus. Heute besitzt schöpferische Zerstörung mehr Relevanz denn je. Innovation ist zum zentralen Thema für jede Organisation geworden. In einer Zeit stetigen Wandels ist nicht Größe das relevante Kriterium für die Stärke eines Unternehmens, sondern Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Rahmenbedingungen.
Das Unternehmen Sony liefert ein Beispiel für die Folgen, wenn einer Organisation der Sinn für schöpferische Zerstörung fehlt. In den 1980er Jahren hatte das Unternehmen mit dem Walkman für Kassetten einen Welterfolg. Rund zwei Jahrzehnte lang dominierte Sony den Markt. Die Organisation verpasste es aber, die Bedrohung durch Apple richtig zu erkennen, geschweige denn darauf mit aller vorhandenen Marktmacht zu reagieren.
2007 vermeldete Apple, 100 Millionen iPods verkauft zu haben, und die Presse sprach vom "Walkman des 21. Jahrhunderts". Die Dominanz des iTunes Stores wurde 2009 auf unglaubliche rund 70 Prozent Marktanteil am legalen amerikanischen Musik-Downloadmarkt geschätzt.
Dabei hat sich auch Sony an der Entwicklung von digitalen Musikplayern versucht. Doch das Unternehmen glaubte zu lange, dass allein die Hardware der Schlüssel zu Herz und Brieftasche des Kunden sei, während Apple mit schöpferischer Zerstörungskraft erkannte: Es ist die intelligente Verknüpfung von Hard- und Software mit passenden Medieninhalten, die den Erfolg ausmacht. Mit allem, was um den iPod herum geboten wurde, angefangen bei den leicht zu nutzenden Verknüpfungen mit dem Webshop iTunes bis hin zu seiner Bedeutung als Lifestyle-Symbol, machte Apple aus einem guten ein exzellentes Produkt, das zum Welterfolg wurde.
Heute erhalten gerade jene Organisationen ihre Stabilität, die sich fortwährend weiterentwickeln. Alle Regeln, Systeme, Prozesse, Produkte und Dienstleistungen haben irgendwann ihren Zweck erfüllt und müssen deshalb erneuert werden - oder sie haben ihn nicht erfüllt und müssen deshalb erst recht ersetzt werden.
Innovationen werden nie nur freudig aufgenommen
Unternehmerisches Handeln gilt als riskant. Stimmt! Aber Innovationen sind mit weniger Risiko verbunden, als überholte Dinge immer weiter zu optimieren. Es nutzt dem letzten Hersteller von Kutschen nichts, wenn er seine internen Prozesse und sein Marketing optimiert, während die Menschen Automobile verlangen. Unternehmerisch handelnde Führungskräfte sehen, entgegen dem Klischee des risikofreudigen Entrepreneurs, Risiken nicht als Selbstzweck. Im Gegenteil, sie tun viel dafür, um Risiken zu erkennen und unter Kontrolle zu bringen. Aber in einer Zeit immer schnellerer Veränderungen haben Führungskräfte die Wahl, entweder nur auf diese Veränderungen zu reagieren, oder aber den Wandel selbst aktiv zu gestalten.
Schumpeters Konzept: In modernen Unternehmen ist es lebendiger und wichtiger denn je.