Oligarchen Mafia-Prozess rückt Putin-Vertrauten ins Zwielicht
Es gibt Geschichten, die klingen noch fantastischer als Märchen. Und dennoch sind sie wahr. Die Lebensgeschichte von Oleg Deripaska, 39, ist so eine Geschichte. Er wuchs auf als armer Halbwaise und ist heute einer der reichsten Männer Russlands. Sein Vermögen wird auf mehr als 20 Milliarden Dollar geschätzt. Er ist verheiratet mit einer Frau aus der Familie von Russlands Ex-Präsident Boris Jelzin, mit dem heutigen Präsidenten des riesigen Landes, Wladimir Putin, heißt es, fährt er Ski.
Deripaska könnte ein wundervolles Leben führen, müsste er sich nicht immer wieder gegen stets dementierte Gerüchte zur Wehr setzen, beim Erwerb seines enormen Vermögens sei es nicht mit rechten Dingen zugegangen. Skrupellos habe er Konkurrenten aus dem Geschäft gejagt, Partnern ihre Anteile abgeknöpft und dabei nicht vor kriminellen Methoden zurückgeschreckt.
Nun kommt weiteres Unbill auf den Oligarchen zu. In einer Anklage vor dem Stuttgarter Landgericht gegen ein mutmaßliches Mitglied der russischen Mafia-Organisation Ismailowskaja wird Deripaska nun sogar mit Auftragsmorden in Verbindung gebracht. Der Oligarch ist entsetzt.
In dem Prozess, der am 16. Oktober beginnt, geht es um Geldwäsche. Die Staatsanwaltschaft beschuldigt den Russen Alexander A., 41, und drei Komplizen, mit Immobilienkäufen im Raum Stuttgart rund acht Millionen Euro für die Ismailowskaja gewaschen zu haben. Das Geld stamme aus dem Obschtschag so heißt auf Russisch jene Kasse, in die ein Anteil aus jeder Straftat eingezahlt wird, und aus der sowohl in legale Geschäfte investiert als auch Anwälte und Familien inhaftierter Mitglieder bezahlt werden.
Blutiger Kampf um das Volksvermögen
Die Anklage ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen unterstellt sie Alexander A., führendes Mitglied jener russischen Mafia-Organisation zu sein weshalb der Immobilienkauf in Deutschland schon mal grundsätzlich Geldwäsche und damit strafbar sei. Zum anderen bringt sie den Oligarchen Deripaska mit eben dieser Mafia in Verbindung, die in seinem Auftrag sogar Konkurrenten beseitigt haben soll.
Die Ermittlungen gehen zurück in die wilden neunziger Jahre, als nach dem Zerfall der Sowjetunion der Kampf um die Verteilung des gigantischen Volksvermögens entbrannte. Zu jener Zeit soll ein Mann namens Anton Malewski die Ismailowskaja, benannt nach dem Moskauer Stadtteil Ismailowo, gegründet haben. Die habe, so die Stuttgarter Staatsanwaltschaft, bei den teils blutigen Auseinandersetzungen um Anteile an der russischen Aluminiumindustrie mit Schutzgelderpressungen und Auftragsmorden ein Vermögen von rund 800 Millionen Dollar angehäuft. Nach dem Tod Malewskis, der 2001 beim Fallschirmspringen während eines Urlaubes in Südafrika ums Leben kam, sei der Angeklagte A., laut Anklage damals dessen Rechte Hand, in der Hierarchie aufgestiegen.
A. habe fortan einen Teil des Vermögens, das in einem weltweiten Geflecht von Firmen und Konten angelegt war, verwaltet. Rund acht Millionen Euro angebliches Mafia-Geld wurden in Deutschland angelegt. Zu diesem Zweck sei die Firma S+L Iba GmbH gegründet worden. Geschäftsführer wurde Alexander L., 59, ein ehemaliger russischer Untersuchungsrichter, der laut Anklage über gute Kontakte zu Polizei und Geheimdiensten in der alten Heimat verfügen soll. Oleg R., 47, ein alter Freund aus Moskau, sollte die Geschäfte überwachen.
Fülle von Indizien
Doch die Geschäfte liefen offenbar nicht so, wie A. es sich vorgestellt hatte. Mehrfach habe er Geld nachschießen müssen. Als die angepeilte Rendite weiterhin ausgeblieben sei, sei er nervös geworden. Als er schließlich am 18. August 2006 nach Stuttgart kam, wurden er und seine Komplizen festgenommen. Denn zwischenzeitlich hatten einige Banken wegen verdächtiger Geldbewegungen die Polizei verständigt, die daraufhin das Telefon der Angeklagten abhörte. Seit mehr als einem Jahr nun sitzen die Männer in Untersuchungshaft.
Für die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ist die Sache klar. Alexander A., heißt es, sei laut russischen Erkenntnissen führendes Mitglied der Ismailowskaja und werde einer Vielzahl schwerer Straftaten verdächtigt. Außerdem werde A. von zwei Zeugen belastet, Weggefährten aus alten Tagen. Das in Deutschland investierte Geld stamme damit eindeutig aus Straftaten und habe gewaschen werden sollen.
Ihre Anschuldigungen wollen die Ankläger mit einer Fülle von Indizien belegen. Ob diese allerdings ausreichen, um eine Verurteilung zu erreichen, ist indes noch lange nicht ausgemacht. Denn vor Ort in Russland haben die Stuttgarter nie ermittelt und auch kein Rechtshilfeersuchen gestellt. Wegen der vielfältigen Verstrickungen der russischen Behörden mit der Ismailowskaja sei den Russen in diesem Fall nicht zu trauen gewesen, heißt es. Man habe befürchtet, eine Anfrage würde der Sache eher schaden als nützen.
Für den Tettnanger Wirtschaftsrechtler Wolfram Ziegelmeier, der A. vertritt, reichen die Indizien bei weitem nicht für eine Verurteilung. Sein Mandant bestreite jede Verbindung zur Ismailowskaja, das in Deutschland investierte Geld stamme aus dessen Privatvermögen. Alexander A. sei in Russland weder vorbestraft, noch werde gegen ihn ermittelt. Zum Beweis präsentiert er zwei beglaubigte Abschriften der Moskauer Staatsanwaltschaft und des russischen Innenministeriums.
Zeugen bringen Deripaska mit Ismailowskaja in Verbindung
Es mache zudem den besonderen Charme der Anklage aus, so Anwalt Ziegelmeier, dass sie zusätzlich Männer mit der Ismailowskaja in Verbindung bringt, die erhebliche Vermögen in Deutschland investieren und diese völlig unbehelligt lasse. Gemeint ist kein anderer als der russische Oligarch Oleg Deripaska.
Denn der Miteigentümer des weltweit größten Aluminiumherstellers hätte mit seiner Holding Basowy Element unlängst nicht nur beinahe Chrysler von Daimler übernommen. Mit Siemens streitet er gerade um die Kontrolle beim russischen Turbinenhersteller Silowyje Maschiny. In Deutschland kaufte Deripaska erst kürzlich 9,99 Prozent am deutschen Bauunternehmen Hochtief und hält 30 Prozent an Österreichs größtem Baukonzern Strabag SE, der wiederum 66 Prozent der deutschen Strabag AG besitzt.
Dabei soll Deripaska, so die von der Stuttgarter Staatsanwaltschaft zitierten Zeugen, in den neunziger Jahren mit der Ismailowskaja verbunden gewesen sein. Während der Verteilungskämpfe in der Aluminiumindustrie seien den Mafiosi Aufträge zur Einschüchterung oder Beseitigung von Konkurrenten des Oligarchen erteilt worden. Auch seien im Rahmen dieser Zusammenarbeit russische Gerichte bestochen und ein Mordanschlag auf den russischen Vize-Gouverneur der sibirischen Region Kemerowo, Dmitrij Tschirakadse verübt worden. Auf diese Weise es Deripaska etwa gelungen, die Aluschmelze Nowokusnezk zu übernehmen.
Nach der Logik der Anklage, so Anwalt Ziegelmeier, könne also genauso gut Deripaska angeklagt und sein Vermögen beschlagnahmt werden. Der aber bleibe völlig unbehelligt.
Oleg Deripaska indes weist alle Vorwürfe weit von sich. Sie seien unberechtigt und nachweislich falsch. "Dass bei der Übernahme von Nowokusnezk alles mit rechten Dingen zugegangen ist, zeigt die Tatsache, dass sämtliche Klagen der früheren Eigentümer vor verschiedenen Gerichten in Russland, den USA, der Schweiz und Schweden gescheitert sind", ließ er über seine Holding Basowy Element ausrichten.
Deripaska bemüht sich derweil, sein Engagement bei Hochtief zu verstärken und weitere 25 Prozent des Unternehmens zu übernehmen. In Russland kaufte er soeben die Firma Russneft von dem mit Haftbefehl gesuchten Oligarchen Michail Guzerijew, der wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung und nach dem mysteriösen Unfalltod seines Sohnes aus Russland geflüchtet ist.