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STEUERN Opfer fürs Vaterland

Kommunen wollen die antiquierte Getränkesteuer wieder einführen, um ihren Etat aufzubessern. *
aus DER SPIEGEL 34/1983

Bislang hatte Lothar Schiewe, Wirt vom »Rissener Hof« in Hamburg, Spaß an seinem Beruf: In seinem Metier gebe es »noch menschliche Begegnung, Erholung und Ruhe, wie auch Freude und Geselligkeit«.

Aus ist's mit der Ruhe, Hamburgs Gastronomen sind in hellem Aufruhr: Bürgermeister Klaus von Dohnanyi hat sie mit seinem Plan verbittert, künftig den Ausschank aller Getränke, von der Coca bis zum Champagner, mit einer zehnprozentigen Abgabe zu belegen.

Der Ärger ist begreiflich. Der Stadtstaat Hamburg hat mit der Getränkesteuer ein Werkzeug aus der Rumpelkammer des Fiskus geholt, das längst als unwirksam abgetan war.

Reichskanzler Heinrich Brüning hatte die Bagatellsteuer 1930 per Notverordnung eingeführt. Inzwischen ist diese kommunale Verbrauchsteuer in fast allen Städten abgeschafft worden, in Hamburg beispielsweise schon 1955.

Nun möchte der Hamburger Senat vom Januar an wieder zehn Prozent an allen in Kneipen und Restaurants ausgeschenkten Getränken verdienen, um seinen Etat aufzubessern. Stadtkämmerer in Bonn wie in Bielefeld, in Düsseldorf wie in Dortmund drängen darauf, es den Hamburgern gleichzutun.

Der Deutsche Städtetag, die Interessenvertretung der Kommunen, hat bereits eine Mustersatzung für die Erhebung der Getränkesteuer entworfen. Um die Finanznöte der Städte zu lindern, so Manfred Rommel, Stuttgarter Oberbürgermeister und Vizepräsident des Städtetags, müsse halt am Tresen »ein Opfer fürs Vaterland« gebracht werden.

Rund 30 Millionen Mark sollen die Hamburger Zecher für das Wohl ihrer Kommune opfern. Im Hamburger Etat klafft ein Loch von 1,9 Milliarden Mark.

»Eine glatte Fehlentscheidung«, kommentiert Günter Döding, Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (NGG), den Steuerbeschluß des Senats. Wenn wegen der höheren Preise im nächsten Jahr die Gäste wegbleiben, würden - nüchtern geschätzt - 1100 Arbeitsplätze gefährdet.

Schon seit Jahren spüren die Kneipen- und Restaurant-Besitzer, daß die Deutschen beim Essen und Trinken sparen. Viele seiner Gäste, sagt Eugen Block, der in Hamburg zwölf Steak-Häuser führt, würden auf das zweite Bier zum Essen verzichten, weil ihnen der Abend sonst zu teuer würde.

Am Essen aber wird wenig verdient, weitaus mehr an den Getränken. Wenn wegen der neuen Steuer noch weniger getrunken würde, droht Fritjof Zacharias vom »Motel Hamburg«, müsse er »notfalls mit Personalabbau« die sinkenden Gewinne auffangen.

»Gästevertreibungssteuer« nennen Wirte die mißliebige Abgabe. Ihre Kunden, klagt Heidemarie Johannsen, Wirtin der »Bierhütte« in Altona, hätten bereits jetzt angekündigt, daß sie »rigoros« ihre Kneipenbesuche einschränken würden.

Das macht auch Hamburgs Taxifahrer zornig. »Wen sollen wir denn noch fahren, wenn der Senat die Gaststätten mit solchen Gesetzen leerfegt«, fragt Erich Kolbeck, Vorstandsmitglied der Droschken-Genossenschaft Hansa Funk-Taxi.

Die Entscheidung für die Getränkesteuer ist wenig einleuchtend. Sie verärgert die Bürger und bringt nicht viel. Im Schnitt gehen zehn Prozent der Einnahmen für den Verwaltungsaufwand drauf. Nur noch 13 deutsche Gemeinden verlangen derzeit die Getränkesteuer, acht in Hessen, fünf in Niedersachsen.

In Bayern zog Finanzexperte Franz Josef Strauß in Wahlkämpfen über die Bagatellsteuer her. Als er 1978 Ministerpräsident wurde, ließ er dann - ein Mann, ein Wort - im Bayerischen Kommunalabgabengesetz die Getränkesteuer verbieten.

Schon 1964 war in Rheinland-Pfalz per Landesgesetz die unsinnige Abgabe gestrichen worden. Seit 1981 dürfen auch schleswig-holsteinische Städte keine Getränkesteuer mehr verlangen.

In Nordrhein-Westfalen müssen sich die Kommunen die Zustimmung des Düsseldorfer Finanz- und Innenministers holen, wenn sie am Schankumsatz verdienen wollen. Mindestens 15 NRW-Städte haben sich schon Gedanken über die Wiedereinführung der Getränkesteuer gemacht, genieren sich aber vorerst noch - im nächsten Jahr sind Kommunalwahlen.

Dort, wo die Steuer noch erhoben wird, offenbart sich der ganze Einfallsreichtum deutscher Kommunalpolitiker.

In Frankfurt beispielsweise ist der beliebte Äppelwoi von der Getränkesteuer (zehn Prozent) ausgenommen. Im benachbarten Offenbach hingegen wird alles Trinkbare besteuert, allerdings nur mit acht Prozent, Neu-Isenburg nimmt 9,09 Prozent. Im niedersächsischen Braunschweig sind Bier und Milch von der Getränkesteuer befreit, im hessischen Hanau alle nichtalkoholischen Getränke.

Kassel wiederum besteuert mit acht Prozent auch Mineralwasser - aber nur, wenn es sprudelt: »Stille Wasser« sind ausgenommen. Die Kasseler Abgabe gilt auch für Kaffee und Tee - nicht allerdings beim Frühstück im Hotel.

Die Hessen wollten zunächst den Steuerwirrwarr schon 1982 beseitigen. Doch dann beschloß der Landtag, das »Gesetz über die Aufhebung von Bagatellsteuergesetzen« erst 1984 in Kraft treten zu lassen. Im Juni überlegten die Hessen es sich wieder anders - die Getränkesteuer soll nun zum 1. Januar 1987 gestrichen werden.

Gute Argumente sind den Freunden der Getränkesteuer bislang kaum eingefallen. Statt dessen ist es ihnen gelungen, den Unsinn ihrer Entscheidung restlos klarzumachen.

In Duisburg wollte der Stadtkämmerer ausgerechnet Bier, das beliebteste Getränk, von der geplanten Steuer ausnehmen: Stramme Trinker würden sonst ins benachbarte Mülheim fahren, wo sie fürs gleiche Geld zehn Prozent mehr schlucken könnten.

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