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Papierkrieg um Papier

aus DER SPIEGEL 21/1947

Unter den Zeitungen der britischen Besatzungszone grassiert eine Art Papier-Oedeme. Sie werden sichtlich dünner. Auf Anordnung des Zweizonen-Wirtschaftsamtes in Minden.

Die Papiererzeugung ist eines der wenigen Produktionsprobleme, an denen einmal nicht nur die Rohstoffknappheit schuld ist. Bei dem umfangreichen Einschlag-Programm der Holzwirtschaft fällt ein beachtliches Quantum für die Papierherstellung ab.

Es hapert mit dem Transport des geschlagenen Holzes. Es liegt im Harz und in der Eifel und fault oder wird gestohlen. Bei der Reichsbahn steht Papierholz in der Dringlichkeitseinstufung nicht hoch im Kurs.

Achtzehn Dringlichkeitsstufen hat die deutsche Reichsbahn. Papierstoffe rangieren in Gruppe 5 b. »Das ist das höchste der Gefühle«, sagen die Eisenbahn-Experten.

Trotzdem ist in der »Feldmühle-Papierfabrik« in Reißholz bei Düsseldorf genug Zellstoff und Holzschliff zur Papierherstellung vorhanden. Aber es läuft dort nur eine einzige Maschine.

Sie kann den zweifelhaften Ruhm für sich in Anspruch nehmen, die einzige arbeitende Papiermaschine der englischen Zone zu sein. Mit ihrer Monatsleistung von rund 1500 Tonnen Papier hält sie den kärglichen Blätterwald der britischkontrollierten Zeitungen zusammen.

Die Maschine ist nicht mehr die jüngste. Für den Monat Mai wird sie voraussichtlich nur 1400 Tonnen schaffen. Von dieser Menge haben die Mindener Wirtschaftsbeamten allein 230 Tonnen ihren Kollegen aller Behördengattungen zugeteilt. In den Rest teilen sich die Zeitungen und der Buchhandel.

Eine zweite Maschine mit der Monatskapazität von 850 Tonnen steht in dem Feldmühle-Werk anlaufbereit. Aber sie läuft nicht.

Rohstoff, Kohle und alle chemischen Zutaten sind vorhanden. Es fehlt an genau 60 Facharbeitern. Mit Hilfe dieser 60 Arbeitskräfte könnte die Papiererzeugung der britischen Zone um 50 Prozent höher liegen.

In Oldenburg und Schleswig-Holstein sind mehr als die benötigte Anzahl von Facharbeitern, die gern wieder ihren alten Beruf ausüben würden. Es sind Flüchtlinge aus dem Osten.

Sie müssen weiter warten, weil das Arbeits- und Wohnungsamt der neuen Landeshauptstadt an der Düssel ihnen keine Zuzugsgenehmigung erteilt. Die Wohnungsleute haben dem Feldmühle-Werk einen Vorschlag zur Güte gemacht: Wöchentlich werden ganze vier Mann eingewiesen.

Bis somit die benötigten 60 Fachleute an die Arbeit kommen, wird also noch ein Vierteljahr vergehen.

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