Kündigung unmöglich Einmal PayPal - immer PayPal

Kündigen ist oft schon schwierig genug. Aber kann man als Kunde sicher sein, dass der ehemalige Vertragspartner danach auch alle Daten löscht? Leider nein: Der US-Bezahldienst PayPal beispielsweise weigert sich standhaft, Tom Königs Akte zu schreddern.
PayPal-Zentrale in San José: Loslassen kennen die nicht

PayPal-Zentrale in San José: Loslassen kennen die nicht

Foto: Paul Sakuma/ AP

Es gibt Online-Dienste, die lassen sich kaum noch wegdenken aus dem eigenen Leben, wie zum Beispiel Facebook oder PayPal. Sie sind unverzichtbar geworden, und das ist nicht nur meine Meinung. Die genannten Firmen sehen das genauso. Sie sind überzeugt, dass es ohne sie nicht mehr geht.

Ergo nehmen sie Versuche des Nutzers, sich auszuklinken, nicht ernst. Derlei Fluchtversuche sind in den Augen der Anbieter kurzfristige Verirrungen, temporäre Zickigkeiten. Am Ende kriecht der Konsument ja ohnehin zu Kreuze.

Folglich muss man seine Daten auch nicht löschen.

Wer etwa versucht, sein Facebook-Konto zu tilgen, bekommt mitgeteilt, dieses sei nun "deaktiviert". Die Daten bleiben also auf irgendeinem Server, bis in alle Ewigkeit. Das beunruhigt mich nicht sonderlich. Wenn Facebook meine Farmville-Meldungen und all die Videos tanzender Pinguine auf immerdar behalten möchte - sei's drum. Anders verhält es sich bei PayPal. Dort sind meine Kontoinformationen und Kreditkartendaten hinterlegt. Die möchte ich eigentlich gelöscht wissen, wenn ich kündige.

Verhängnisvolle Internet-Bekanntschaft

Wie ich inzwischen jedoch weiß, hat kaum ein Online-Dienst seine Nutzer so lieb wie PayPal. Loslassen kennen die nicht. Im Vergleich mit der Ebay-Tochter besitzt Glenn Close als psychopathische Geliebte im Film "Eine verhängnisvolle Affäre" eine ausgeprägt hohe Trennungskompetenz.

Meine Affäre mit PayPal begann irgendwann um die Jahrtausendwende. Damals verwendete ich den Treuhanddienst vor allem für Ebay-Auktionen. Irgendwann beschloss ich, das Konto zu schließen. Anno 2004 musste man dazu mit einem PayPal-Servicecenter in London telefonieren, wo man mir versicherte, meine Daten würden gelöscht.

Sieben Jahre später legte ich mir ein neues PayPal-Konto an. Dabei bekam ich eine Fehlermeldung: Mein Girokonto sei bereits mit einem anderen Account verknüpft. Daraus lässt sich nur eines folgern: PayPal hatte mein altes Konto nie gelöscht - entgegen meiner Bitte, entgegen anders lautender Zusicherung.

PayPal erklärt dazu: Wenn man sein Konto schließe, versehe die Firma den Account in seiner Datenbank mit dem Status "Geschlossen". "Ihre Kontodaten werden jedoch nicht gelöscht. Dies ist erforderlich, um betrügerische Aktivitäten zu unterbinden." Das stehe so auch in den Nutzungsbedingungen.

Im Bundesdatenschutzgesetz (§35) steht hingegen: "Personenbezogene Daten sind zu löschen, … sobald ihre Kenntnis für die Erfüllung des Zwecks der Speicherung nicht mehr erforderlich ist."

Trotz dieses Ärgernisses blieb ich PayPal-Kunde (ich war es ja offenbar ohnehin die ganze Zeit gewesen). Denn PayPal war inzwischen eben kein obskures Zahlungs-Tool für Ebay-Krämer mehr, sondern so wichtig wie eine Kreditkarte. Ich knirschte also ein bisschen mit den Zähnen und ließ die Sache auf sich beruhen.

Rebellion ist zwecklos

Bis Dezember 2010. Da erfuhr ich, PayPal habe Julian Assanges Enthüllungsportal WikiLeaks das Konto gesperrt, damit dieser keine Spenden mehr einwerben könne. Nicht auf richterliche Anweisung, nicht wegen des Verdachts auf Geldwäsche, sondern, (so schien es mir) aus vorauseilendem Gehorsam gegenüber der US-Regierung. Mich ärgerte das. Ich kündigte mein Konto.

Es dauerte nicht lange, bis mich der Nichtbesitz eines PayPal-Kontos in die Bredouille brachte. Eine Software, die ich dringend benötigte, ließ sich nur per PayPal bezahlen, dito ein paar Konzerttickets und ein antiquarisches Buch aus den USA. Also wieder Mitglied werden? Schwierig. Was würde Julian Assange von mir denken?

Glücklicherweise gab es eine Lösung: die PayPal-Einmalzahlung. Damit kann man den Dienst auch ohne Mitgliedsaccount für einzelne Transaktionen verwenden. Ich nutzte also fortan PayPal, ohne bei PayPal zu sein. Digitales Pharisäertum? Ohne Zweifel. Doch wer von euch ohne Sünde ist, der schicke die erste Hate-Mail.

Und dann passierte es: Bei der dritten oder vierten Einmalzahlung stand dort plötzlich: "Sie haben einen PayPal-Account." Darunter befand sich ein orangefarbener Login-Button. Ich klickte ihn.

Und schon war ich drin, mein Konto sah noch genauso aus wie vor der Löschung. Alle Daten waren da, inklusive Girokonto und Kreditkarte. Willkommen im Hotel California des Internet: "You can check out anytime you like, but you can never leave."

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