Pizzakette Domino's in Not "Es war alles ein Streich"
New York - Was geht wirklich in der Küche vor, fragt man sich als Restaurantgast? Hat der Koch seinen Daumen in der Suppe, seinen Finger im Salat? Wie lange ist die letzte Inspektion des Gesundheitsamts her? Für die Kunden von Domino's Pizza, der größten Pizzakette der USA, wurde dieser Alptaum jetzt wahr - dank Kristy Hammonds und Michael Setzer, zwei Angestellte aus North Carolina.
Der Schauplatz: Die Pizzaküche ihrer Drive-Through-Fililale, an einer Autobahnausfahrt im ländlichen Westen des Bundesstaates. Hammonds und Setzer lungern an den Aluminium-Tresen herum, in khaki-blauen Uniformen und flotten Domino's-Mützen, vor sich die Zutaten für ein paar Sandwichs. Eine Bestellung flimmert über den Monitor. Irgendwo klingelt ein einsames Telefon.
Setzer beginnt, ein Sandwich zu "bauen", wie das im Fast-Food-Fachjargon heißt. Allerdings stopft er sich den Reibkäse zuerst ins Nasenloch, bevor er ihn auf die Brothälfte legt. Dann nimmt er eine Scheibe Salami, hält sie sich hinters Gesäß und "lässt Wind" darauf: "Unsere ganz besondere Zutat." Hammonds stachelt ihn enthusiastisch an. "Er hat gerade einen Popel aufs Sandwich getan", gluckst sie.
"Extra-Zutaten" fürs Sandwich
Was Setzer da fabriziert, soll ein "Italian Sandwich" werden, das einzige mit Salami, das die fragliche Domino's-Dependance neben der üblichen Pizza-Selektion offeriert. "Peperoni, Salami und Schinken, abgerundet mit Paprika, Zwiebeln und Edel-Provolone-Käse, auf italienisches Bauernbrot geschichtet und zu perfekt-goldenem Braun gebacken", heißt es in der Speisekarte. Setzer rundet das mit ein paar Extra-Zutaten ab - oder tut zumindest so.
Doch damit nicht genug. Im amüsierten Tonfall einer Kellnerin erklärt Hammonds zum Schluss: "In etwa fünf Minuten werden die geliefert, und Leute werden sie essen, und sie haben keine Ahnung, dass der Käse in seiner Nase war." Und zum krönenden Abschluss: "So machen wir's bei Domino's!"
Das alles ist deshalb so gut dokumentiert, weil Hammonds das Ganze mit ihrer Handykamera als Video verewigt. Das Ergebnis stellt das Duo hernach auf YouTube, unter dem verlockenden Titel: "Disgusting Domino's People" - "Eklige Domino's-Leute".
Das Video wird ein Renner: Schnell haben 20.000 Fans den Clip angeklickt, dann 550.000, schließlich 760.000. Die Szenen landen auf Facebook, werden weitergetwittert. Blogger verlinken zu der Geschichte - einige mit einer Warnung für schwache Gemüter, wie man sie sonst nur von gewaltsamen Videospielen kennt: "Graphic Content."
Fünf Videos - alle werden zum Hit
Es bleibt nicht bei dem einen Video. Insgesamt fünf Mini-Werke produziert das Paar, je bis zu zweieinhalb Minuten lang. In einem niest Setzer demonstrativ auf eine Portion Käsestangen: "Für die paar unglücklichen Kunden", erläutert Hammonds, "die etwas Schnodder brauchen." Setzer befördert die "Sneeze Sticks" dann in einen Domino's-Karton und legt sie zur Auslieferung bereit.
In einem anderen Clip wischt er sich mit einem Schwamm den flott entblößten Hintern ab, um damit sodann das Geschirr im Waschbecken abzuspülen. "Hier bei Domino's", lacht Hammonds in die Kamera, "bin ich gerne faul."
Dann aber verschwindet der Spuk auf einmal von YouTube. Statt der Videos ein Hinweis: "Dieses Video ist wegen Copyright-Anspruchs von Kristy Hammonds nicht länger zugänglich."
Dabei ist es weniger Hammonds' Copyright, das die Weiterverbreitung dieser speziellen Sandwich-Produktion verhindert. Es ist Domino's selbst. Denn das Unternehmen sieht sich plötzlich mit einem unabsehbaren PR-Debakel konfrontiert: Setzer und Hammonds, befindet das Fachblatt "Advertising Age" sofort, hätten nicht nur die Sandwichs "besudelt", sondern die gesamte "Reputation der Pizzakette".
"Es war alles ein Streich"
Anfangs versucht Domino's noch, die Affäre still zu regeln: Die Missetäter werden ausfindig gemacht und gefeuert, die Franchise-Filiale erstattet Anzeige, die Konzernspitze lässt mitteilen, sie erwäge strafrechtliche Konsequenzen. Damit, so hofft man in der Zentrale in Michigan offenbar, sei es getan.
Hammonds entschuldigt sich sogar per E-Mail bei ihrem nunmehr Ex-Arbeitgeber. "Es war alles ein Streich", schreibt sie und, als höre sie zum allerersten Mal von YouTube: "Weder ich noch Michael hatten erwartet, dass die Videos so viel Aufmerksamkeit erregen würden!" Die inkriminierte Sandwichs seien nie ausgeliefert worden. "Wir haben nur so getan, und ich wünschte mir, dass das jeder weiß!!!!"
Zu spät. Die geschäftsschädigenden Folgen nehmen ihren Lauf. Das weiß auch Domino's. "Jeder Idiot mit einer Webcam und einer Internet-Verbindung kann alles zerstören, was an einer Marke stimmt", klagt Firmensprecher Tim McIntyre. Domino's habe 125.000 Angestellte und Millionen loyale Kunden: "Mit einem dreiminütigen Video können zwei Idioten versuchen, all das kaputt zu machen."
Denn die Videos leben weiter - wie alles im Web. Vor allem auf den Blogs und den Websites der lokalen TV-Sender garnieren aufgeregte Reporter ihre Live-Berichte mit den ekelhaften Popel-Clips.
Weil sich die Sache nicht mehr unter der Decke halten lässt, ergreift Domino's die Flucht nach vorn. Das Unternehmen stellt eine Erklärung ("An unsere verehrten Gäste") auf seine Website: "Eine Firma wie wir hat nur eine Währung - Ihr Vertrauen." Konzernpräsident Patrick Doyle nimmt sein eigenes YouTube-Video auf: "Wir entschuldigen uns zutiefst." Das Unternehmen richtet sogar ein Twitter-Konto ein, zwecks Kundenpflege: "Danke für die Unterstützung."
Mögliches Strafmaß: bis zu zehn Jahre Haft
Doch das nutzt nicht viel. Consultingfirmen vermelden bereits erste Folgen für Domino's: Sein "Buzz-Rating" fällt nach Angaben von BrandIndex - einem Index, der die Beliebtheit von 1100 Marken misst - in den Tagen nach Auftauchen der Videos von 22,5 auf 13,6 Punkte. Das "Qualitäts-Rating" von 5 auf 2,8 Punkte, vor allem aufgrund von "negativer Wahrnehmung" bei Frauen. Schlimmer noch sieht es das Marketingunternehmen Zeta Interactive: Dort stürzt Domino's von "81 Prozent positiv" auf "64 Prozent negativ".
Ähnlich erging es der Bulettenkette Burger King im August, als ein Angestellter in Ohio anlässlich seines Geburtstags ein Bad in einem Geschirrbecken nahm und das per YouTube für die Nachwelt festhielt. Der nackte Mann, der sich durch Tätowierungen und einen Irokesenschnitt auszeichnete, wurde gefeuert, der Rest der Belegschaft einem Sondertraining in "sanitären Prozeduren" unterzogen. Kurz darauf kopierten drei leicht beschürzte Teenager-Girls den Stunt in einer Spülwanne eines Kentucky Fried Chicken - in Kentucky.
Ohio, Kentucky, North Carolina: Schlecht bezahlte Fast-Food-Fertiger sind offenbar vor allem in der Provinz unausgelastet. Hammonds und Setzer jedenfalls dürften diesmal mit einer sanitären Belehrung kaum davonkommen. Sie wurden verhaftet und nur auf Kaution wieder freigelassen. Ihr erster Gerichtstermin ist an diesem Freitag. Der strafrechtliche Vorwurf: "Manipulation von Lebensmitteln." Mögliches Strafmaß laut Gesetz: bis zu zehn Jahre Haft.