Pläne für Steuererhöhungen Irland empört sich über deutsches Datenleck

Es ist ein Kommunikationsdesaster. Die irische Öffentlichkeit hat von geplanten Steuererhöhungen durch ein im Bundestag durchgesickertes EU-Papier erfahren. Die Regierung beschwert sich bei der EU über das Datenleck, Medien beschimpfen Deutschland als "neuen Herrn" über Irland.
Irischer Premier Kenny, Finanzminister Schäuble: "Das ist nicht das erste Leck in Berlin"

Irischer Premier Kenny, Finanzminister Schäuble: "Das ist nicht das erste Leck in Berlin"

Foto: ODD ANDERSEN/ AFP

Dublin/Brüssel/Berlin - Eine gewaltige Kommunikationspanne sorgt in Irland für Empörung: Am Donnerstag erfuhr die Öffentlichkeit von den Plänen der Regierung, die Mehrwertsteuer im kommenden Jahr zu erhöhen - aber nicht wie üblich von der Regierung selbst, sondern auf einen brisanten Umweg: Ein Bericht der sogenannten Troika gelangte über den Deutschen Bundestag an die Presse. Dieser enthält Details über den irischen Haushaltsentwurf für 2012, unter anderem die Anhebung der Mehrwertsteuer um zwei Punkte auf 23 Prozent.

Nun Schäumen Opposition und Medien des Landes, weil sie quasi als Letzte von den Plänen der eigenen Regierung erfuhren: Es sei ein Beweis für den Souveränitätsverlust Irlands, das unter der Kontrolle seiner Geldgeber aus den Euro-Ländern und dem Internationalen Währungsfonds ( IWF) stehe. Tatsächlich kontrollieren die Abgesandten von Europäischer Zentralbank, EU-Kommission und IWF die irischen Finanzen alle drei Monate sehr gründlich.

Auch von der Regierung in Berlin fühlen sich die irischen Medien gedemütigt. "Deutschland ist unser neuer Herr", titelte die Tageszeitung "Daily Mirror". Der Bundestag hat das Recht, über die vierteljährlichen Prüfberichte der Troika informiert zu werden - was nun dazu führte, dass die irischen Steuerpläne durchsickerten.

Der Chef der größten Oppositionspartei Fianna Fáil, Micheál Martin, forderte die Regierung auf, den Bürgern zu erklären, warum die europäischen Partner eher informiert würden als sie selbst. "Das ist schädlich, denn es stärkt nur die Legende, dass Deutschland das Sagen in Europa hat." So werde anti-europäische Stimmung geschürt. "Das ist ein Problem." Pearse Doherty von der Partei Sinn Fein erklärte, es sei "beschämend" für die Regierung, dass Parlamente "in ganz Europa" von den Plänen wüssten, nur das irische Parlament nicht.

"Das ist nicht das erste Leck in Berlin"

Die Regierung in Dublin geriet in die Defensive. Am Donnerstagabend bestritt Premierminister Enda Kenny, Angaben zum geplanten Haushalt herausgegeben zu haben. Er habe "keine Ahnung", wie die Dokumente in den Bundestag gelangt seien. Das Kabinett habe über den neuen Haushalt noch gar nicht entschieden, sagte er. Der irische Finanzminister Michael Noonan bestätigte allerdings, dass er eine Mehrwertsteuererhöhung um zwei Prozentpunkte vorschlagen wolle.

Dann versuchte die irische Regierung es mit Vorwärtsverteidigung: Sie beschwerte sich bei der EU-Kommission, die den Troika-Bericht an das Bundesfinanzministerium geschickt hatte. Die Kommission wiederum bedauerte die Informationspanne - und kritisierte ihrerseits die Bundesregierung scharf. "Das ist übrigens nicht das erste Leck in Berlin", sagte ein Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn. "Wir verstehen, dass die irische Regierung verstimmt ist." Dennoch werde die Kommission nichts gegen Deutschland unternehmen.

Die Bundesregierung wies die Verantwortung für die Panne zurück. Das Finanzministerium erklärte, es habe die Dokumente pflichtgemäß weitergegeben und die Abgeordneten um Vertraulichkeit gebeten. Bei Auszahlungen aus dem Euro-Rettungsfonds, aus dem auch Irland Geld bekommt, muss der Bundestag eingebunden werden. Die Euro-Staaten beraten derzeit über die Freigabe der nächsten Kredittranche für Irland aus dem insgesamt 85 Milliarden Euro schweren Rettungspaket. Der Troika-Bericht ist dafür die Entscheidungsgrundlage.

fdi/AFP/Reuters
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