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Handel Porto gespart

Aus Ärger über die bevorstehende Gebührenerhöhung bei der Bundespost beabsichtigen die deutschen Versandhändler, einen eigenen Paketdienst einzurichten.
aus DER SPIEGEL 17/1972

Die Chefs der deutschen Versandhäuser wollen Bundespostminister Leber ein Schnippchen schlagen: Statt für jedes ihrer Pakete rund eine Mark mehr als bisher an den Postschaltern abzuführen, soll das Staatsmonopolunternehmen nur noch einen Bruchteil der bisherigen Gebühren erhalten.

Ermöglicht wird die in der deutschen Postgeschichte einmalige Sparaktion durch eine List: In den Ballungsgebieten karren die Unternehmer ihre Pakete direkt zur Kundschaft. Wo diese Selbstzustellung nicht rentabel genug ist, organisieren die Firmen Pakettransportdienste zu ·den jeweils preisgünstigsten Regionalpostämtern.

Besonders lukrativ ist die Selbsthilfe im Fernverkehr, da es bei der Bundespost drei Entfernungszonen gibt. So kostet die Beförderung eines Acht-Kilo-Pakets von Hamburg nach München derzeit 5,40 Mark. Wird dieses Paket jedoch in einem Umkreis von 150 Kilometern aufgegeben, sind nur noch 2,90 Mark fällig.

Der Hamburger Otto-Versand (Jahresumsatz: rund 1,4 Milliarden Mark) zum Beispiel spart an einem Paket nach München 1,50 Mark, wenn die Firma die Sendung in einem. Sammeltransport (Preis pro Acht-Kilo-Paket: eine Mark) nach München schafft und erst dort auf die Postreise schickt. Nach der Gebührenerhöhung am 1. Juli dieses Jahres wird sich der Kostenvorteil für die Hamburger sogar auf 2,20 Mark pro Acht-Kilo-Paket erhöhen.

Der bisher nur von wenigen Händlern praktizierte Eigendienst soll demnächst auf die jährlich anfallenden rund 60 Millionen Paketsendungen der Branche ausgedehnt werden. Inzwischen liegt nämlich eine mehrere hundert Seiten starke Studie des Gummersbacher Unternehmensberaters und FDP-Bundestagsabgeordneten Gerhard Kienbaum über die Chancen eines gemeinsamen Paketdienstes vor. Resümiert Dr. Peter Fritsche, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Versandhandel-Verbandes: »Die Kienbaum-Leute kamen zu durchaus interessanten Ergebnissen.«

Zu einem glänzenden Geschäft verspricht der Firmen-Zustelldienst durch eine gut abgestimmte Kooperation der Konkurrenten zu werden. Nach den vorliegenden Plänen wird beispielsweise ein Spediteur Pakete des Otto-Versands nach Frankfurt schaffen und auf dem Rückweg Neckermann-Ware nach Hamburg mitnehmen.

Später soll nach den Vorstellungen der Kienbaum-Experten die Post fast völlig ausgeschaltet werden. Computer werden dann die kürzesten Verteilerwege ermitteln, so daß sich die Auslieferung der Pakete auch durch Vertrags-Spediteure lohnt.

Die Versandhändler haben sich zudem ausrechnen lassen, daß ihre Paketzustellung auch auf organisatorischem Gebiet der Bundespost überlegen ist. Während ein Paket auf deutschen Postämtern heute durchschnittlich 13mal durch Beamtenhände wandert, sind bei den Versandhändlern ganze sieben Handgriffe nötig. Fritsche: »Das ist von der Rentabilität her gesehen geradezu verlockend.«

Die pfiffigen Versandhändler wollen der Post die Paketzustellung vorerst freilich nicht überall abnehmen. Im Bayrischen Wald, in der Eifel und auf den Ostfriesischen Inseln, wo die Kundschaft nur auf beschwerlichem Wege zu erreichen ist, sollen sich Deutschlands Postboten weiterhin abrackern dürfen. »Daß wir uns die Rosinen aus dem Kuchen picken, ist doch ganz legal«, meint Verbandssprecher Fritsche.

Bei weiteren Gebührenerhöhungen muß Postminister Leber damit rechnen, daß auch andere Branchen rebellisch werden. Eine Probe aufs Exempel machten im Frühjahr vergangenen Jahres Deutschlands Direkt-Werbeunternehmen, die jährlich Millionen Bundesbürger mit Werbematerial per Post versorgen. Damals schwärmte ein Zustelltrupp der Firma Donnelley & Gerardi in Karlsruhe aus, um 40 000 Drucksachen, Warenmuster und Werbeartikel in die Briefkästen zu stecken.

Die Tester kamen zu einem verblüffenden Ergebnis: Statt der von der Bundespost für eine einfache Drucksache geforderten Beförderungsgebühr von zwölf Pfennig kostete die Privatzustellung pro Sendung nur sechs Pfennig. Alfred Gerardi: »Wenn die inflationäre Kostenpolitik der Post so weitergeht, dann bleibt uns nichts anderes übrig, als unser System im ganzen Bundesgebiet zu praktizieren.«

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