Postbank-Chef Schimmelmann im Interview "Es ist normal, dass man auf uns losgeht"
SPIEGEL ONLINE:
Herr von Schimmelmann, es wird viel über die Mängel des deutschen Bankenstandorts geredet. Aus Ihrer Sicht: Wie steht er im internationalen Vergleich da?
Wulf von Schimmelmann: Er ist bestenfalls zweitklassig, gar keine Frage.
SPIEGEL ONLINE: Und wer ist Schuld? Etwa das Management?
Schimmelmann: Es liegt vor allem an der Struktur unseres Marktes. 75 bis 80 Prozent der Geldinstitute sind nicht am Kapitalmarkt gelistet. Mehr als die Hälfte sind in öffentlicher Hand. Dass die öffentliche Hand der ideale Wettbewerbsteilnehmer ist, haben wir in den letzten 100 Jahren nicht bemerkt. Dabei ist das Potenzial an Erträgen gar nicht mal schlecht, schon wegen der Größe unseres Landes. Was wir als Banken daraus machen, ist aber ganz traurig.
SPIEGEL ONLINE: Dann sind die öffentlichen Sparkassen der Buhmann? Vor ein paar Jahren war auch die Postbank noch voll und ganz staatlich.
Schimmelmann: Ich gebe keiner Seite die Schuld - das hielte ich für total falsch. Aber durch diese zersplitterte Struktur sind unsere Renditen bei vielen Produkten niedriger als die unserer Konkurrenten im Ausland. Nehmen Sie das Kreditgeschäft. In den meisten Ländern brauchen Sie als Kunde die Bank gar nicht anzurufen, wenn Sie nicht bereit sind, ihr eine auskömmliche Marge zu zahlen. Bei uns sieht das leider oft anders aus.
SPIEGEL ONLINE: Wenn Sie also mehr Übernahmen über Institutsgrenzen hinweg fordern - dann läuft es doch darauf hinaus, dass große Banken kleine Sparkassen schlucken?
Schimmelmann: Ich plädiere überhaupt nicht dafür, dass es eine Einbahnstraße gibt. Wenn die Sparkassen geöffnet werden und nur die privaten Banken sich bedienen, hätten wir das nächste Problem. Warum sollten sich nicht große Sparkassen zusammentun, sich deutlich vergrößern und dann eine Bank aus einem der anderen Sektoren kaufen? Ein Beispiel ist die Unicredito aus Italien. Die hat ihre Wurzeln in drei oder vier Sparkassen und einer Bank.
SPIEGEL ONLINE: Bisher fehlt ja sogar den deutschen Großbanken der Mumm, sich untereinander zusammenzutun.
Schimmelmann: Das allein wäre auch nicht die erhoffte Konsolidierung. Wenn die eine Großbank im Privatkundengeschäft drei Prozent Marktanteil hat und die andere vier, kämen beide zusammen auf sieben. Schön! Das würde die Dinge aber kaum ändern.
SPIEGEL ONLINE: Was also muss passieren? Muss sich wieder der Bundeskanzler hinstellen und Banken und Sparkassen zu Fusionen antreiben?
Schimmelmann: Jeder Impuls kann helfen. Grundsätzlich sind Sparkassengesetze ja Landesgesetze. Aber so was hat immer auch eine Klimakomponente. Wenn es hier einen politischen Konsens gäbe, wäre das sicher sehr hilfreich.
SPIEGEL ONLINE: Sprechen wir mal über die Sorgen der Postbank: Die meisten Ihrer Kunden haben ein Girokonto, ein Sparbuch oder beides - Kredite aber nehmen sie selten auf. Viele Analysten halten dieses Missverhältnis für das größte Manko Ihrer Bank - es schmälert Ihre Profite.
Schimmelmann: Das ist doch eher ein Luxusproblem. Als ich 1999 bei der Postbank anfing, war die Lücke zwischen Einlagen und Krediten noch größer. Sie um jeden Preis zu schließen, kann auch nicht unser Ziel sein, solange unsere Einlagen attraktiv wachsen. In den ersten drei Quartalen 2004 haben wir unser Kreditvolumen um 5,8 Milliarden Euro gesteigert - um fast 20 Prozent. Schneller können wir gar nicht zulegen, sonst gehen wir zu viele Risiken ein.
SPIEGEL ONLINE: Sie haben allerdings fast die Hälfte der neuen Kredite nicht selber vergeben, sondern von Konkurrenten auf dem Zweitmarkt gekauft. Vielleicht ist eines Ihrer Probleme, dass Kunden beim Thema Kredit an viele andere Banken denken - nur nicht an die Postbank.
Schimmelmann: Wir haben bei Baufinanzierung in drei Quartalen fast drei Milliarden Euro eigenes Neugeschäft über unsere Marke DSL-Bank gemacht. Das schaffen nicht viele andere in Deutschland. Die Konsumentenkredite sind in der Tat ein anderes Thema. Da haben wir bisher ein Gesamtvolumen von 1,2 Milliarden.
SPIEGEL ONLNIE: Der Marktführer hat rund siebenmal mehr.
Schimmelmann: Die Postbank war eben lange nur bekannt für Giro und Spar, anderes kam erst später dazu. Das ändert sich zurzeit sehr erfreulich. Der Börsengang hat uns da sehr geholfen und die Bekanntheit unserer neueren Produkte erhöht.
SPIEGEL ONLINE: Nur werden die Kunden in Ihren Filialen meist von Schalterbeamten der Post bedient - und die verstehen oft weniger von Krediten als die Profi-Banker der Konkurrenz.
Schimmelmann: Wir haben da in den letzten Jahren stark in Ausbildung und Technik investiert. Unsere neue IT führt jeden Filial-Mitarbeiter durch alle Schritte, die beim Verkauf von Privatkrediten wichtig sind. Er schickt den Antrag dann online ab und erhält kurz danach ein grünes oder rotes Signal. Alles andere wird zentral abgewickelt.
SPIEGEL ONLINE: Die Kreditvergabe läuft also automatisiert und schneller.
Schimmelmann: Nicht nur das. Natürlich haben unsere Mitarbeiter nicht die langjährige Erfahrung wie manche Berater anderer Banken. Durch unser modernes System mit seinen Beratungshilfen wird dieses Gefälle aber nivelliert. Dadurch können wir gut konkurrieren.
SPIEGEL ONLINE: Sie sind jetzt seit sechs Jahren Vorstandschef. Nutzt man da eigentlich noch einen Dienst wie das ganz normale Online-Banking?
Schimmelmann: Ich bin leidenschaftlich dabei. Mein erstes Online-Konto habe ich um 1992 geführt, noch über BTX. Wie sich das seitdem entwickelt hat, finde ich faszinierend. Mein Wertpapierdepot bekomme ich mit Kursen bewertet, die nur wenige Minuten alt sind. Überweisungen online, Online-Brokerage - für mich gibt es nichts anderes mehr.
SPIEGEL ONLINE: Und Sie haben Ihr Depot, die Konten - tatsächlich alles bei der Postbank?
Schimmelmann: Ich habe noch im Ausland Konten für unser Feriendomizil. Da wir dort keine Privatkonten anbieten, sind sie leider nicht bei der Postbank. In Deutschland bin ich sehr glücklich mit unserem Angebot.
SPIEGEL ONLINE: Kriminelle Hacker haben im vergangenen Jahr verstärkt versucht, online Konto-Zugangsdaten wie PINs und TANs abzufischen - und die Kunden der Postbank waren besonders oft das Ziel. Wie reagieren Sie darauf?
Schimmelmann: Wir haben unsere Kunden direkt auf der Homepage aufgeklärt. Wir haben die die mobile TAN entwickelt, die Kunden aufs Handy geschickt wird und für Betrüger wertlos ist. Wir setzen viele Ressourcen für die Sicherheit ein, sehr viele. Diese Ausgaben haben wir 2004 noch deutlich erhöht. Was die Anzahl der Angriffe betrifft: Keine Bank in Deutschland hat so viele Online-Nutzer wie wir. Da ist es normal, dass man auf uns losgeht.
SPIEGEL ONLINE: Wie viele Fälle hat es denn gegeben, in denen Postbank-Kunden Ihre Daten verraten haben - und der Betrüger damit versucht hat, auf das Konto zuzugreifen?
Schimmelmann: Deutlich weniger als zehn. Meistens kommen diese Attacken ja nicht aus Deutschland. Der Angreifer muss mit den gestohlenen Daten eine Überweisung ins Ausland veranlassen, er will ja an das Geld. In dem Moment haben wir die Chance, etwas zu tun - diese Überweisungen unterliegen einem strengeren Procedere. Mir ist kein Fall bekannt, in dem einer unserer Kunden finanziellen Schaden erlitten hätte.
SPIEGEL ONLINE: Die Web-Attacken werden 2005 sicher noch aggressiver.
Schimmelmann: Betrugsversuche im Finanzgeschäft gibt es seit 2000 Jahren. Früher wurden Banknoten gefälscht. Im Zweiten Weltkrieg haben die Nazis versucht, massenhaft Pfund-Blüten in Umlauf zu bringen. Natürlich können wir nie sagen: Uns wird da nichts passieren. Aber schauen Sie auf andere Länder, da gibt es überhaupt keine TANs - sobald Sie sich eingeloggt haben, gibt es keine weitere Sicherheitsstufe. Diese Länder sind bei dem Thema besonders gefragt. Beim Online-Banking stehen wir in Deutschland ziemlich gut da.
Das Interview führte Matthias Streitz