Preisanstieg Ökostrom wird immer teurer - wegen Solarenergie

Grüner Strom kostet heute mehr als vor fünf Jahren - satte 27 Prozent. Das zeigen neue Daten, denen zufolge vor allem eine Ökoenergie-Branche schuld ist: die Solartechnik. Jetzt will Minister Gabriel eingreifen.

Hamburg - Ökostrom wird immer billiger - das behaupten Politiker und Lobbyisten. Doch die Realität sieht anders aus: 2003 kostete eine Kilowattstunde Ökostrom im Durchschnitt 9,16 Cent. 2006 waren es schon 10,88 Cent. Und im kommenden Jahr werden es voraussichtlich 11,66 Cent sein, schätzt der Verband der Netzbetreiber. Innerhalb von fünf Jahren entspricht dies einem Anstieg um 27 Prozent. Wie kann das sein?

Schuld ist die starke Förderung der Sonnenenergie. Sie ist vergleichweise teuer und die einzige Ökostrom-Technik, die noch weit entfernt ist von Wettbewerbsfähigkeit - doch ihr Anteil an grüner Energie insgesamt wächst. Und das treibt die Durchschnittskosten in die Höhe.

Der Grund ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Es garantiert den Betreibern von Windrädern, Biomassekraftwerken und Solaranlagen feste Vergütungssätze für ihren Strom - und das 20 Jahre lang. Die Mehrkosten müssen die Verbraucher über ihre Stromrechnung begleichen, was bei Wind und Biomasse nicht so sehr ins Gewicht fällt. Denn sie haben die Wettbewerbsfähigkeit fast schon erreicht. Von der Sonnenenergie kann man das nicht behaupten.

Pro Kilowattstunde wird Solarstrom mit 49 Cent vergütet - zum Vergleich: Herkömmlicher Strom kostet an der Leipziger Energiebörse rund fünf Cent. Selbst wenn konventioneller Strom in den kommenden 20 Jahren teurer werden sollte, bleibt eine beachtliche Differenz. Nimmt man zum Beispiel an, dass der Preis für herkömmlichen Strom auf 15 Cent steigt - eine sehr wohlwollende Schätzung -, dann belaufen sich die Mehrkosten des Solarstroms immer noch auf 34 Cent je Kilowattstunde.

Je mehr Solaranlagen also im Vergleich zu anderen grünen Energien installiert werden, umso teurer wird Ökostrom insgesamt. Alles weitere ist eine einfache Rechnung: Dem Marktforschungsunternehmen Europressedienst zufolge werden in Deutschland allein in diesem Jahr Solaranlagen mit einer Kapazität von 1500 Megawatt neu aufgestellt. Weil die Sonne nicht rund um die Uhr scheint, liefert eine Anlage durchschnittlich 900 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Bei Mehrkosten von 34 Cent pro Kilowattstunde bedeutet dies für die Verbraucher eine Gesamtbelastung von neun Milliarden Euro in den kommenden 20 Jahren durch die Strompreis-Garantie des EEG.

Zum Vergleich: Das sind zwei Drittel der derzeitigen jährlichen Neuverschuldung des Bundes. Die Parallele ist durchaus angemessen. Schließlich sind auch die Garantiepreise eine Zukunftsverpflichtung nach dem Motto: Heute investieren, morgen zahlen. Experten interpretieren die neun Milliarden Euro deshalb auch als "Solarschulden". Pro Kopf betragen diese in Deutschland schon 112 Euro.

Und das Problem wird nicht kleiner. Im kommenden Jahr werden laut Europressedienst weitere 2000 Megawatt installiert - mit allen sich daraus ergebenden Verpflichtungen. Ökostrom wird angesichts solcher Perspektiven keinesfalls billiger werden.

"Es gibt Länder, in denen Solarenergie mehr Sinn ergibt als in Deutschland", sagt Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Hierzulande sei die Windenergie deutlich effizienter: "Windstrom wird man in einigen Jahren gar nicht mehr fördern müssen. Bei Solarstrom ist das nicht zu erwarten."

Dies steht in völligem Gegensatz zu den Hoffnungen der Bundesregierung, die sie mit dem EEG verband. Ökostrom brauche nur eine Anschubfinanzierung, danach werde er "immer preiswerter", versprach Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) noch im vergangenen Jahr.

Die Erwartungen werden nun enttäuscht. Das EEG sieht zwar vor, dass die garantierten Vergütungssätze für die grünen Energien jährlich sinken, bei Solarstrom zum Beispiel um fünf Prozent. Trotzdem steigen die Gesamtkosten. Die Erklärung ist einfach: Jahr für Jahr gehen so viele neue Anlagen ans Netz, dass die Ersparnis aus den sinkenden Vergütungssätzen aufgefressen wird.

Damit allein könnte man noch leben. Schließlich gibt es dafür in Deutschland immer mehr Ökostrom, was politisch ja gewollt ist. Problematisch wird es aber, wenn auch die Durchschnittskosten pro Kilowattstunde steigen. Und genau das ist der Fall - nämlich um jene 27 Prozent binnen fünf Jahren, verursacht durch die starke Förderung der Sonnenenergie.

Der Zusammenhang ist simpel: Wenn der Anteil der relativ teuren Sonnenenergie (50 Cent pro Kilowattstunde) am gesamten Ökostrom wächst, treibt das die Durchschnittskosten in die Höhe. Windstrom (8 Cent) ist dagegen vergleichsweise günstig.

Umweltminister will bei Solarstrom kürzen

Verschärft wird das Problem dadurch, dass immer weniger Windräder aufgestellt werden. Weil in Deutschland die Flächen knapp werden, konzentrieren sich die Hersteller auf den boomenden Export. Bei der Sonnenenergie ist es genau umgekehrt: Wegen der hohen Vergütungssätze wird der deutsche Markt mit Solarmodulen aus der ganzen Welt überschwemmt.

Das Geschäft machen Produzenten wie Suntech   aus China und Sharp   aus Japan - auf Kosten der hiesigen Verbraucher. "Wir haben heute dreimal so viel Ökostrom wie früher", sagt ein Brancheninsider. "Nur leider zum vierfachen Preis."

Beim Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) sieht man das naturgemäß anders: Die Ökolobbyisten halten die Zubau-Zahlen des Europressediensts für viel zu hoch. Ihren eigenen Angaben zufolge werden pro Jahr nur 750 Megawatt installiert.

Branchenkenner zweifeln dies allerdings an. "Der BSW hält den Zubau in Deutschland bewusst klein, um die Importe ausländischer Hersteller zu kaschieren", sagt ein Insider. Gleichzeitig könne die Branche ihre eigene Exportquote so künstlich hochrechnen.

Auch das Umweltministerium mag auf die Argumente des BSW immer seltener hören. Mittlerweile gilt die Maxime: erneuerbare Energien ja, aber nicht zu jedem Preis. Beim Solarstrom will Ressortchef Gabriel deshalb den Rotstift ansetzen. Im Gespräch ist eine strengere Kürzung der Vergütung - statt um fünf Prozent sollen die Sätze jährlich um bis zu acht Prozent sinken.

Sogar Fachleute aus der Branche begrüßen dies. Hätte die Solarwirtschaft ihre früheren Versprechen zur Kostensenkung gehalten, dann wäre heute eine Vergütung "zwischen 34 und 35 Cent" möglich, sagt Kai Dobelmann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie, in der Fachzeitschrift "Photon".

Verbraucherschützer wollen noch weiter gehen. Sie schlagen vor, den Preis für Solarstrom an die Produktionskosten zu koppeln. Für die Branche würde dies herbe Einbußen bedeuten. Nach einer "Photon"-Studie kostet die Herstellung einer Kilowattstunde Solarstrom in Süddeutschland nur 24 Cent - also die Hälfte der aktuell gewährten 49 Cent.

"Die Produktionskosten sinken deutlich", sagt Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. "Die Politik ist daher gefordert, die Vergütungssätze eng an der tatsächlichen Kostenentwicklung zu orientieren."

Die Solarbranche selbst zeigt sich davon unbeeindruckt. Sie will ihre Lobbyarbeit sogar noch verstärken. Das geht aus einem Papier des Bundesverbands Solarwirtschaft hervor. Darin heißt es: "Gabriel betonte, dass Konsultationen mit der Branche bevorstünden. Dies deutet darauf hin, dass noch Spielräume bestehen." Diese Chance will der Verband jetzt nutzen.

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