ProSiebenSat.1-Deal Kritiker fürchten Springers geballte Medienmacht
Berlin/Hamburg/München - Der Axel Springer Verlag zahlt bis zu 4,15 Milliarden Euro an US-Milliardär Haim Saban und sämtliche anderen Aktionäre der Sendergruppe, sagte Vorstandschef Mathias Döpfner heute in München. Bis zum Jahresende soll die Übernahme abgeschlossen sein.
Saban und eine Investorengruppe hatten den Fernsehkonzern mit den Sendern ProSieben, Sat.1, Kabel1 und N24 erst vor zwei Jahren für eine Milliarde Euro gekauft. Zu den Verlierern in der Bieterschlacht um das Erbe des Pleite gegangenen Münchner Medienzaren Leo Kirch hatte damals auch Springer gehört.
Den Kaufpreis will Springer jetzt mit Krediten und der Ausgabe neuer Aktien finanzieren. Der Verlag, der neben "Bild", "Welt" und "Hörzu" rund 150 weitere Titel herausgibt, kaufe Deutschlands profitabelste Sendergruppe und bekomme damit ein zweites, ähnlich profitables Standbein, so Döpfner. Nach dem Zusammenschluss könne man "den Googles und Yahoos", "den Wettbewerbern der Zukunft Paroli bieten", so der Vorstandschef. "Das ist vielleicht die wichtigste Begründung dieser Transaktion."
Nach Abschluss der vollständigen Übernahme soll ProSiebensat.1 mit Springer verschmolzen werden und von der Börse verschwinden. Mehrheitsaktionärin des neuen, neben Bertelsmann größten deutschen Medienimperiums bleibt die Witwe des Verlagsgründers, Friede Springer. "Sie hält 55 Prozent des Anteilsbesitzes und kontrolliert 60 Prozent. Das ist so und das bleibt so", sagte Döpfner.
Saban und Co. machen Kasse
Saban und die Finanzinvestoren, die bisher 88 Prozent der Stammaktien hielten, verkaufen ihre Beteiligung komplett für 2,47 Milliarden Euro an Springer. Zumindest für einen Teil wollen Saban und die Investoren Springer-Anteile erwerben. Die Springer AG, die bisher zwölf Prozent hielt, besitzt künftig hundert Prozent der Stammaktien und 62 Prozent des Gesamtkapitals an ProSiebenSat.1. Die Kleinaktionäre, die 38 Prozent der stimmrechtslosen Vorzugsaktien halten, sollen ihre Anteile an Springer verkaufen oder in neue, stimmrechtslose Springer-Vorzugsaktien umtauschen. Springer bietet ihnen 14,10 Euro und damit etwas weniger als den aktuellen Börsenkurs.
Mit 2,5 Milliarden Euro für die Investoren, 1,1 Milliarden für die Kleinanleger und 0,5 Milliarden für die Übernahme von Schulden summiere sich der Kaufpreis für Springer auf knapp 4,2 Milliarden Euro, erklärte Döpfner. Die Übernahme sei durch Kredite über drei Milliarden Euro und eine Kapitalerhöhung in Höhe von 1,1 Milliarden solide finanziert.
Geballte Medienmacht
Vor allem die gigantischen Möglichkeiten zur Überkreuz-Werbung, die sich für den neuen Riesen auftun, geben dem Konzern eine Durchschlagskraft die ProSieben und Sat.1 allein bisher fehlte: Die "Bild"-Zeitung könnte für die konzerneigenen Programme kostenlose Reklame machen. Umgekehrt könnte etwa Stefan Raab in TV Total Geschichten aus Springer-Blättern aufgreifen. "Das Ziel ist es, Print und Fernsehen zu verzahnen", ist der Stuttgarter Medienökonom Mike Friedrichsen überzeugt. "Ein Manager wäre bescheuert, wenn er diese Möglichkeit nicht nutzen würde."
Das Bundeskartellamt will die Übernahme intensiv prüfen und sich dazu den Fernseh-Werbemarkt sowie den Markt für Kaufzeitungen genau ansehen. Noch habe die Behörde jedoch keine Anmeldung für die geplante Fusion erhalten, sagte eine Kartellamtssprecherin in Bonn. Die Anmeldung werde wohl in den kommenden Tagen eingehen. Die Vorprüfphase des Amtes dauere vier Wochen, so die Sprecherin. Eine sich möglicherweise anschließende Hauptprüfphase nehme maximal weitere drei Monate in Anspruch.
Nur die Union freut sich
In Berlin löste der Deal unter Politikern und Medienfachleuten eine heftige Diskussion aus. Während Vertreter der Union wie CSU-Chef Edmund Stoiber die Übernahme begrüßten, wurde von Seiten der SPD, der Grünen und der FDP vor einer Machtzusammenballung gewarnt. Dass Deutschlands größter Zeitungsverlag sich einen TV-Konzern mit vier Sendern zulegt, ist für den SPD-Medienexperten Jörg Tauss besorgniserregend. Er betonte: "Ich hoffe, dass die Bundesländer offensiv reagieren und beispielsweise im Gegenzug den Regionalbereich der öffentlich-rechtlichen Sender stärken."
Die Grünen warnten ebenfalls vor einer "problematischen Zunahme der Markt- und Meinungsmacht dieses Unternehmens." Die geplante Übernahme müsse "genauestens" auf ihre kartellrechtliche Zulässigkeit überprüft werden, forderte Medienexpertin Grietje Bettin. "Es wird sich zeigen, inwieweit unsere bestehenden gesetzlichen Regelungen ausreichend sind", fügte sie hinzu.
FDP-Medienexperte Hans-Joachim Otto bezeichnete die geplante Übernahme als "ordnungspolitisch absolut bedenklich" und als "Bruch mit der bisherigen Tradition. Bisher haben wir versucht, solche multimedialen Machtzusammenballungen zu vermeiden". FDP-Rechtsexperte Rainer Funke forderte zugleich zum Schutz der Meinungsvielfalt auf.
Nach Einschätzung des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) wäre eine solche neue Medienmacht in einer Hand verheerend für die Meinungsvielfalt in Deutschland. "Eine solche Vormachtstellung kann nicht im Sinne der Demokratie und des möglichst umfassenden meinungsbildenden Auftrags der Medien sein", warnte DJV-Chef Michael Konken.
Bayerns Ministerpräsident Stoiber begrüßte die geplante Übernahme von ProSiebenSat.1 als "klare Stärkung des Medienstandorts Deutschlands und Bayerns". Durch den Zusammenschluss entstehe "ein starker integrierter Medienkonzern". Er erwarte, dass jetzt auch Arbeitsplätze geschaffen würden. Auch CDU-Medienexperte Günter Nooke bewertete die Springer-Pläne positiv.