Radikale Sparprogramme Deutschlands größte Jobkiller

Die Rezession scheint ihren Tiefpunkt erreicht zu haben - doch dem Arbeitsmarkt steht das Schlimmste noch bevor. Experten erwarten bis zu fünf Millionen Erwerbslose, schon jetzt schmeißen die Firmen Tausende Mitarbeiter raus. SPIEGEL ONLINE zeigt, wo die meisten Stellen wegfallen.

Hamburg - Die Nachrichten klingen vielversprechend in diesen Tagen: Die Industrieproduktion stabilisiert sich, der Export zieht leicht an, der Dax gewinnt innerhalb weniger Wochen rund 30 Prozent. Alles wird gut, könnte man meinen. Wenn da nicht der Arbeitsmarkt wäre.

Bis zu fünf Millionen Erwerbslose erwarten Experten im kommenden Jahr, Ver.di-Chef Frank Bsirske rechnet für diesen Sommer mit Massenentlassungen. Viele Unternehmen legen bereits los: Allein in den vergangenen Wochen kündigten sie den Abbau Tausender Stellen an (siehe Fotostrecke).

Und das, obwohl die Rezession ihren Tiefpunkt offenbar erreicht hat. Denn die meisten Indikatoren deuten auf eine Bodenbildung der Krisenkurve hin. "Die Weltwirtschaft befindet sich in der Nähe des Wendepunkts, einige Länder haben diesen bereits überschritten", sagt Jean-Claude Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank.

Das heißt nicht, dass die Konjunktur nun sofort anzieht. Aber es geht nicht weiter nach unten. Für die Unternehmen eine immerhin passable Situation.

Dass den Arbeitnehmern dagegen das Schlimmste erst noch bevorsteht, liegt an der Trägheit des Jobmarkts - er hinkt der Entwicklung in der Produktion um Monate hinterher. Die konjunkturelle Erholung kommt bei den Mitarbeitern noch lange nicht an. Im Gegenteil steht "uns der Höhepunkt der Jobkrise wohl erst 2010 bevor", sagt Klaus Zimmermann, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Um den Stellenabbau zu stoppen, müsste die Wirtschaft um 1,3 bis 1,5 Prozent wachsen, rechnet der Experte vor. "In den nächsten Jahren dürfte es uns aber schwerfallen, diese Wachstumsraten zu erreichen."

Bisher konnten sich die Unternehmen mit Kurzarbeit behelfen. Doch auf Dauer ist das keine Lösung, sagt Martin Kannegiesser, Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall. Man könne nicht ewig Entlassungen durch Kurzarbeit verhindern.

Ökonomen erwarten erst 2013 einen Aufschwung

Ein weiterer Puffer sind Zwangsurlaub oder Arbeitszeitverkürzung über Zeitkonten - doch hier haben die Firmen ihre Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft. Die Folge: In der zweiten Jahreshälfte werde es zu "mehr Jobabbau" kommen, sagt Kannegiesser.

Schon jetzt macht sich das bemerkbar. Laut Statistischem Bundesamt sind aktuell 39,9 Millionen Personen erwerbstätig - 46.000 weniger als vor einem Jahr. Wie dramatisch die Lage ist, zeigen Zahlen des Münchner Ifo-Instituts. Während sich der Ifo-Geschäftsklimaindex stabilisiert - die Unternehmen ihre Lage also besser einschätzen -, rutscht das Ifo-Beschäftigungsbarometer steil nach unten. Im April erreichte die Messziffer den tiefsten Stand seit Juli 2003. Das heißt: Die deutsche Industrie steht vor einem drastischen Personalabbau. "Mit zunehmender Dauer der Rezession sehen die Unternehmen von Kurzarbeit ab und gehen zu echten Stellenkürzungen über", sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Abberger in der "Financial Times Deutschland".

Und diese Situation könnte noch anhalten. Denn Volkswirte gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft über Jahre stagniert oder nur ganz leicht wächst. Experten sprechen von einer sogenannten L-Rezession: Nach dem Absturz folgt ein Dümpeln der Wirtschaft auf niedrigem Niveau.

Erst ab 2013, heißt es im Frühjahrsgutachten der führenden Forschungsinstitute, könnte es wieder aufwärts gehen. Für die Beschäftigten sind das keine guten Aussichten.

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