Radikalreform Großkonzerne wollen private Krankenversicherung kippen
Hamburg - Der Plan ist so einfach wie radikal: In Zukunft soll es eine Einheitsversicherung geben, die Grundschutz für alle Menschen in Deutschland bietet. Das sieht ein Arbeitspapier vor, das die Versicherungskonzerne Axa , Allianz und Ergo im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) entwickelt haben, wie die "Financial Times Deutschland" berichtet. Die private Krankenvollversicherung wäre damit abgeschafft.
Die Arbeitsgruppe ist seit 2006 eingesetzt und sollte sich mit der Zukunft der Sozialsysteme befassen. Herausgekommen sind Vorschläge, die für Streit in der Branche sorgen. Demnach würden die Krankenversicherungen künftig Einheitsprämien berechnen, unabhängig von Alter und Geschlecht, schreibt das Blatt. Die Grundsicherung wäre für alle verpflichtend - und lehnt sich an das SPD-Modell einer Bürgerversicherung an. Gesetzliche und private Kassen würden diese Grundsicherung zu denselben Konditionen anbieten.
Neu wäre auch, dass die Krankenversicherungen künftig jeden Versicherten akzeptieren müssten - und die Beiträge für Kinder vom Staat übernommen würden. Nach wie vor würden aber private Zusatzversicherungen Leistungen anbieten, die mit dem Grundtarif nicht abgedeckt sind. Langfristig sieht der Plan indes vor, die Trennung von gesetzlichen und privaten Kassen abzuschaffen.
Ein Sprecher der des Ergo-Konzerns bestätigte, dass über die Zukunft des Systems diskutiert werde - und auch darüber, eine Einheitsversicherung einzuführen. Bislang gebe es allerdings noch kein Ergebnis. Ein GDV-Sprecher sagte, es handele sich um ein Arbeitspapier unter vielen: "Wir sind noch nicht so weit, über irgendwelche Ergebnisse berichten zu können." Es gebe innerhalb des Verbandes keinen Zeitplan für die Diskussion.
Branche ist zerstritten
Doch die Branche ist tief gespalten: Die großen Unternehmen wie die Allianz, die den GDV dominieren, suchen mit den radikalen Lösungen einen Ausweg aus der Krise. Das Geschäftsmodell der großen, börsennotierten Konzerne ist wegen der hohen Zahl an Älteren in der privaten Krankenversicherung in der Krise. Unter anderem deshalb trete das Unternehmen die Flucht nach vorne an, schreibt das Blatt.
Versicherungsvereine wie Debeka oder Signal Iduna allerdings sind strikt dagegen. Sie sind eher genossenschaftlich organisiert und arbeiten nicht renditeorientiert. "Die Bundesregierung würde dann wie beim Gesundheitsfonds den Beitrag festlegen, und dann ist der Wettbewerb total zerstört", sagte Uwe Laue, Chef der Debeka, der "FTD". Von den Zusatztarifen allein könne die private Krankenversicherung nicht leben.
Es sei zu einem Eklat gekommen, als die Arbeitsgruppe die jüngste Version des Papiers präsentierte, schreibt die "FTD". Die Gegner, der PKV-Verband, in dem die Versicherungsvereine organisiert sind, verlangten, dass die Seiten mit den Reformvorschlägen entfernt werden. Dies geschah tatsächlich - ein bisher einmaliger Vorgang. Nun sollen die Großen wie Allianz, Axa und Ergo intern mit dem Austritt aus dem PKV-Verband gedroht haben. Sprecher der Gesellschaften bestreiten dies allerdings, schreibt das Blatt.
cvk/dpa-AFX