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MODE Raubtier-Kapitalismus

Puma-Großaktionär Günter Herz hat seine Anteile verkauft. In dem Herzogenauracher Lifestyle-Konzern ist die Erleichterung spürbar, den unbequemen Investor loszuwerden.
aus DER SPIEGEL 16/2007

Der neue Herr im Haus sollte standesgemäß begrüßt werden, was im Falle eines Franzosen bedeutet: mit einem noblen Essen im Drei-Sterne- Restaurant.

Doch François-Henri Pinault, milliardenschwerer Chef des Pariser Luxus- und Einzelhandelskonzerns PPR sowie neuer Großaktionär des Sportartikelherstellers Puma, machte gleich nach seiner Ankunft in Nürnberg klar: Er legt keinen Wert auf klassische Statussymbolik. Im Gegenteil. Kurzerhand überredete er das Puma-Empfangskomitee, doch lieber durch die Altstadt in ein fränkisches Wirtshaus zu ziehen.

Im urigen Traditionslokal »Barfüßer« vertilgte der Mann, dem Edelmarken wie Gucci und Yves Saint Laurent unterstehen, sodann ein Eisbein, gefolgt von zwei Portionen Nürnberger Rostbratwürstchen. Es wurde ein vergnüglicher Abend mit viel Gelächter, ohne Krawatten - und endlich einmal ohne die Paparazzi, die Pinault in Paris chronisch belagern, seit er mit der Hollywood-Schauspielerin Salma Hayek verlobt ist.

Der 44-jährige Manager hatte allen Grund zum Schwofen. Ihm war, im engen Schulterschluss mit dem gleichaltrigen Puma-Boss Jochen Zeitz, über die Osterfeiertage ein clever eingefädelter Coup geglückt. Ein Deal, der das sportliche Puma auf die Laufstege dieser Welt katapultieren, Pinault von seinem unternehmerischen Übervater emanzipieren und Zeitz von einem ungeliebten Großaktionär befreien sollte - alles auf einmal.

In aller Stille hatte der Franzose dem Hamburger Kaufmann Günter Herz und dessen Schwester Daniela, einst Miterben des Tchibo-Imperiums, deren 27-Prozent-Anteil an der fränkischen Raubtiermarke abgekauft. Mit dieser Sperrminorität sicherte er sich auf einen Schlag genügend Macht im Unternehmen, um potentielle Mitbieter, etwa den US-amerikanischen Sportartikelhersteller Nike, erst einmal abzuschrecken.

Im zweiten Schritt machte Pinault allen anderen Aktionären ein freundliches Übernahmeangebot zu gleichen Konditionen: 330 Euro pro Aktie. Wenn möglich, möchte er Puma vollständig übernehmen, 5,3 Milliarden Euro würde er sich die Marke kosten lassen.

Das Besondere an der Übernahme: Sie wurde von Puma-Chef Zeitz miteingefädelt. Der Franzose und der gebürtige Mannheimer sind befreundet, vor einigen Jahren wollte Pinault Zeitz sogar als Gucci-Chef abwerben. Der lehnte ab - doch die Idee zur Zusammenarbeit scheint seither nie ganz erloschen zu sein.

Schon bei der Bilanzpressekonferenz Ende Februar betonte Zeitz, dass Investoren, die seine Marke und Strategie unterstützen, jederzeit willkommen seien. Im März dann initiierte er ein Treffen zwischen Pinault und Mayfair, der Beteiligungsgesellschaft von Herz und dessen Schwester. Kurz darauf begannen die Gespräche. Gründonnerstag bekamen Börsianer Wind von der Sache, erste Gerüchte kursierten am Markt. Es musste schnell gehen.

Während der Osterfeiertage wurde hart verhandelt zwischen Hamburg und Paris. Noch am Ostermontag war keine Einigung in Sicht. Dienstagfrüh dann, um 2.22 Uhr, erhielt Zeitz den erlösenden Anruf: Herz hat dem Verkauf zugestimmt.

Die Transaktion bringt den hanseatischen Kaufleuten, die erst im Mai 2005 bei Puma eingestiegen waren, rund 500 Millionen Euro Gewinn ein. Ein Grund für gute Laune eigentlich, und doch wirkte der öffentlichkeitsscheue Investor bei der Hauptversammlung am Mittwoch dann missmutig. Übelgelaunt thronte Günter Herz in zweiter Reihe hinter Zeitz und verzog auch dann keine Miene, als der juvenile Vorstandschef ihm in einer Ansprache dafür dankte, die Kooperation mit PPR ermöglicht zu haben.

Zeitz' Erklärung scheint plausibel: Puma profitiere vom Fachwissen der Franzosen in Sachen Mode, Werbung, Einzelhandel, Internet und internationale Positionierung, der Luxuskonzern von Pumas Kompetenz in puncto Sport-Lifestyle.

Statt sich zu kannibalisieren, würde man sich mit dem neuen Besitzer, der Puma Eigenständigkeit zugesichert hat, optimal ergänzen. Und gebetsmühlenartig wiederholte der Puma-Chef: Mit Pinault habe man nach einer Reihe von Finanzinvestoren erstmals einen strategischen Anleger gefunden.

Ein harmloser Satz, eigentlich, doch er enthält eine versteckte

Spitze. Denn tatsächlich versuchte auch Herz, bei Puma mehr zu sein als ein reiner Finanzinvestor. Ebendas wurde allmählich zum Problem.

Der Mann, der einst den Kaffeeröster Tchibo zu einem Imperium aufgebaut hatte, wollte auch beim Sportartikelhersteller sein unternehmerisches Talent einsetzen, das brachliegt, seit er und seine Schwester Daniela im August 2003 aus dem Familienunternehmen Tchibo gedrängt worden waren. Seine drei Brüder hatten die absolutistische Art, in der Günter den Kaffee-Konzern seit Jahrzehnten führte, derart satt, dass sie das Duo nach einer nervenaufreibenden Fehde für vier Milliarden Euro rauskauften.

Keine zwei Jahre später stieg der gestürzte Kaffeekönig bei Puma ein. Es sollte ein langfristiges Engagement sein, beteuerte Herz damals. Vor allem kein stilles: Im April 2006 übernahm Herz eines der zwei Aufsichtsratsmandate, die Mayfair bei Puma zustanden - und begann, in die Firmenpolitik hineinzuregieren. Die Aufsichtsratssitzungen wurden zur Qual. Der unbequeme Neuling ließ sich jedes Vorhaben des Vorstands erläutern, hinterfragte jedes Detail. Der Pferdefreund und Segelnarr brachte sich ein - offenbar nicht ganz erfolglos: Ab 2008 steigt Puma in den Segelsport ein.

Von seinen festen Überzeugungen ließ sich der eigensinnige Kontrolleur nicht einmal von Vorstand Zeitz beirren. Immer öfter stand Meinung gegen Meinung. Nie kam es zum offenen Krach, doch die Luft wurde dicker im Puma-Käfig. Raubtier-Kapitalismus der besonderen Art.

»Herz ist ein ungewöhnlich aktiver Aufsichtsrat«, formuliert der scheidende Vorsitzende des Gremiums, Werner Hofer, vorsichtig. »Er hat uns auch oft Mut gemacht, Dinge anzuschieben.« Andere sind da weniger nachsichtig: »Weder seine Einzelhandels-Denke noch seine Form der Einflussnahme haben zur Puma-Kultur gepasst«, wettert ein anderer. Und ein Dritter glaubt: »Der Mann wollte die Firma nicht kontrollieren, er wollte sie leiten.«

Doch dafür haben die Herzogenauracher schon einen, quasi eine Lichtgestalt von einem Manager, der einfach alles richtig gemacht zu haben scheint, seit er 1993 nach knapp drei Jahren in der Firma die Leitung übernahm - als 29-Jähriger.

Puma war damals, nach ständigen Chef- und Aktionärswechseln, nahezu am Ende. Die Aktie wurde um die acht Euro gehandelt, die Produkte auf den Wühltischen vermuffter Kaufhäuser verramscht.

Der Mannheimer Betriebswirt Zeitz, der zuvor bei Colgate-Palmolive in New York und Hamburg im Marketing gearbeitet hatte, analysierte das Desaster bis ins kleinste Detail. »Da blieb kein Stein auf dem anderen«, erinnert sich Betriebsratschefin Katharina Wojaczek, die Zeitz seit nunmehr 14 Jahren den Rücken freihält.

Er schloss das Werk am Firmensitz in Herzogenaurach, entließ 400 Mitarbeiter, verlagerte die Produktion in Billiglohnländer. Mit einem über viele Jahre angelegten Vierstufenplan gab er dem desorientierten Unternehmen wieder eine Richtung. Denn er hatte die rettende Idee: Puma sollte raus aus den Turnhallen und zur weltweiten Sport-Lifestylemarke aufsteigen.

Das ist ihm gründlich gelungen: Die Firma, die bei Zeitz' Einstieg ums Überleben kämpfte, meldete für Ende 2006 eine Marktkapitalisierung von 4,8 Milliarden Euro - eine Steigerung um atemberaubende 4300 Prozent seit 1993.

Kein Wunder, dass Zeitz bei Puma im Rang eines Messias steht. Nie gab es ein Wort der Kritik, weder an seinem Jagdhobby, noch an seinem exorbitanten Gehalt von mehr als sieben Millionen Euro. Nicht einmal, dass er seit 2002 Aktienoptionen im Wert von 38 Millionen Euro versilberte, erregt die Gemüter. Schließlich, so die vorwiegende Meinung der Mitarbeiter und Aktionäre, habe er den Wert auch geschaffen. Einen solchen Mann sollte man besser nicht vergraulen.

Offen will niemand zugeben, dass der ungeliebte Großaktionär Herz mit dem vielen Geld der Franzosen zum Gehen bewegt wurde, doch der Druck muss am Ende gewaltig gewesen sein. »Meine Gründe sind sehr komplex«, weicht Herz aus. »Ich habe letztendlich das Wohl der Firma an erste Stelle gesetzt.«

Zeitz dankte am Ende artig: »Es war sicher keine leichte Entscheidung.« Doch dass der neue Partner besser zu ihm passt, sei doch offensichtlich, »schon rein altersmäßig«.

Damit das auch der Letzte erkennt, erschienen die beiden am Donnerstag im Puma-Markenzentrum Nürnberg im Partnerlook: dunkles Jackett, dunkle Hose, offenes helles Hemd - und natürlich schwarze Puma-Schuhe.

Bester Laune präsentierten sich beide in fließendem Englisch und strahlten wie Max und Moritz. Auch für den Hobbyboxer Pinault ist der Puma-Deal eine Befreiung.

Es ist immerhin seine erste eigenverantwortliche Akquisition, seit er die Firma im Jahr 2005 übernommen hat. Sein Vater François Pinault, einer der reichsten Unternehmer und Kunstsammler Frankreichs, hatte seinen Ältesten geschlagene 18 Jahre lang unter seinen Fittichen gehabt - und ihn am Ende noch einer besonderen Prüfung unterzogen: Ein Expertenrat musste beurteilen, ob der Filius überhaupt das Zeug zum Nachfolger hat.

Der Zögling bestand. Und trat nun endlich aus dem Schatten des Vaters: Die Idee, sich Puma einzuverleiben, so versicherte sein Team, sei ganz und gar seine eigene gewesen. MICHAELA SCHIEßL

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