
Rodungen für Kakaoplantagen: Schokolade statt Regenwald
Regenwaldrodung für Kakao Die leeren Versprechen der Schokoladenkonzerne
Es schien tatsächlich etwas in Bewegung zu kommen auf der Uno-Klimakonferenz im vergangenen Jahr. In Bonn hatten sich Umweltschützer aus der ganzen Welt versammelt; eines der Themen war die ungebremste Abholzung von Regenwald zum Anbau von Soja, Kakao oder Kautschuk. Besonders aktiv dagegen ist die kleine US-Organisation Mighty Earth, die Rechercheteams in Länder schickt, in denen seit Jahren große Waldflächen gerodet werden.
Die Experten dokumentierten, wie im südamerikanischen Gran Chaco gigantische Flächen für den Anbau von Sojapflanzen niedergebrannt und eingeebnet werden. In Kambodscha, Vietnam und Liberia verfolgten sie die Abholzung für Kautschukplantagen, deren Ernte von Reifenkonzernen weltweit aufgekauft wird. In der Elfenbeinküste und Ghana recherchierten sie den fortschreitenden Verlust von Waldgebieten für den Anbau von Kakao.
Kakao, der in Form von Schokolade auch in deutschen Supermärkten landet - gerade jetzt in der Weihnachtszeit.
Mighty Earth veröffentlicht die Erkenntnisse in aufwendigen Berichten. Damit sich vor Ort etwas ändert, geht die Organisation allerdings anders vor, als viele andere Aktivisten: Schon vor der Veröffentlichung spricht Mighty Earth mit den Unternehmen und gibt ihnen die Chance, mit einer Selbstverpflichtung für eine nachhaltige und rodungsfreie Lieferkette in den Berichten zu erscheinen.
Statt die Abholzung zu stoppen, geht sie schneller voran
Einerseits sind Wohlverhaltensbekundungen der Wirtschaft aller Erfahrung nach nicht so zuverlässig wie staatliche Regulierung. Andererseits wächst durch entsprechende Berichte der öffentliche Druck, diese Versprechen auch einzuhalten.
Nachdem Mighty Earth 2017 den Report "Chocolate's Dark Secret" vorgelegt hatte, der die Zerstörung von Waldgebieten in der Elfenbeinküste für den Kakaoanbau dokumentiert, begannen Schokoladenhersteller und Kakaohändler nach dem traditionell schokoladenseligen Valentinstag 2018 eine Initiative für ein Ende der Abholzung; nicht nur in Westafrika, sondern in allen Kakaoanbaugebieten weltweit.
Auf dem Papier sah das alles gut aus.
Ein Jahr später wollte die US-Umweltorganisation die Erfolge bewerten und schickte ein Team in das westafrikanische Land. Die Mitarbeiter werteten Satellitenbilder aus, um zu sehen, wie gut die Versprechen eingehalten wurden. Das Ergebnis, zusammengefasst in dem neuen Bericht "Beyond the Wrapper: Greenwashing in the Chocolate Industry" , ist ernüchternd: Von den wortreichen Verpflichtungserklärungen sind nur einige umgesetzt. Häufiger dagegen gingen die Rodungen sogar schneller voran.

Rodungen für Kakaoplantagen: Schokolade statt Regenwald
Mighty Earth lobt zwar explizit einige der größten Schokoladenhersteller wie Mars und Ferrero, die an der Entwicklung einer nachhaltigen Lieferkette arbeiten oder die Schweizer Firma Halba, die in den vergangenen Jahren Hunderttausende Bäume gepflanzt hat. Auch Lindt, Cemoi oder Godiva haben demnach gelernt und sind sogar dabei ihre Plantagenbewirtschaftung umzustellen - von Vollsonnenanbau auf den ökologisch vorteilhafteren Schattenanbau.
Weiter heißt es in dem Bericht, dass auch die Regierungen der Elfenbeinküste und Ghanas im abgelaufenen Jahr "große Fortschritte bei der Änderung von Gesetzen, Richtlinien und Praktiken für mehr Nachhaltigkeit im Kakao" gemacht hätten. Nur hapert es seitdem gründlich an der Umsetzung der großen Pläne.
Im Juli dieses Jahres hat die ivorische Regierung Mighty Earth Zugang zu einer Software eingeräumt, die Satellitenbilder auswertet und Waldverluste dokumentiert. Die Satellitenaufnahmen zeigen, dass zwischen November 2017 und November 2018 erneut gerodet wurde, vor allem neben Kakaoplantagen. Das heißt laut dem Report, "dass trotz der Zusagen von Industrie und Regierungen die Waldvernichtung in Westafrika für Kakao weitergeht".

Ein Rechercheteam suchte jene Orte auf, an denen die Organisation schon im vergangenen Jahr großflächige Rodungen entdeckt hatte - und wurde erneut fündig. Demnach schritt die Entwaldung vor allem im äußersten Westen des Landes weiter voran, in jenen Gebieten, in denen die letzten Elefanten leben. Kleine Kakaobäume, jünger als ein Jahr, belegen, dass die Versprechen nicht gehalten wurden. Weil diese Bäume noch keine Bohnen tragen, bleibt vorerst auch unklar, wer die Abnehmer der Ernte von den illegalen Plantagen sind.
Im Osten des Landes wirken die Maßnahmen der Regierung besser, hier zeigen die Karten, dass weniger Bäume gefällt wurden als in anderen Landesteilen. Allerdings gibt es dort auch kaum noch Wälder.
Im Westen ist die Bilanz geteilt, immerhin einen Lichtblick enthält der jüngste Bericht. Zwar haben die Rodungen in den 18 untersuchten Waldgebieten der Elfenbeinküste insgesamt zugenommen, im Tai-Nationalpark aber funktioniert der Waldschutz. Auch hier liegen rund um das Schutzgebiet Kakao- und Kautschukplantagen, die Abholzung ist aber nicht weiter vorangeschritten.
In den anderen Waldgebieten aber traf das Team Bauern, die sich mit der Machete in die Wälder vorarbeiteten, Bäume fällten und Kakaopflanzen setzten. Darauf angesprochen, sagten sie, dass sie keine Sanktionen erwarteten. Von neuen Beschränkungen oder Verboten hatten sie noch nichts gehört - und niemand habe gedroht, ihre Ernte nicht mehr zu kaufen.
Offenbar sind auch die Behörden überfordert. Wenn die schwer bewaffneten staatlichen Ranger illegale Rodungen entdecken, dann notieren sie die Koordinaten, schießen Fotos und schicken einen Bericht an ihre Zentrale in der Stadt Abidjan. Ob dann etwas geschieht, ist ungewiss, die Mitarbeiter sind unterbezahlt und schlecht ausgerüstet.

Mighty Earth hat aus den Rechercheergebnissen einen Forderungskatalog entwickelt. Eigentlich sei es nicht sehr schwierig, die Situation zu verbessern:
- Die Regierungen von Ghana und der Elfenbeinküste sollten mit der Industrie eine funktionierende Satellitenüberwachung aufbauen.
- Die Unternehmen, die Lieferketten ohne Entwaldung versprochen haben, sollten das konsequent einhalten und alle Lieferanten ausschließen, die seit November 2017 neue Flächen gerodet haben.
- Alle Schokoladenhersteller sollten zudem veröffentlichen, von welchen Händler weltweit sie die Kakaobohnen beziehen.
- Die Händler wiederum sollten offenlegen, bei welchen Zwischenhändlern und Genossenschaften sie einkaufen.
Wenn die Vorgaben nicht besser kontrolliert werden, dann sieht es dem Report zufolge schlecht aus für die Lebensräume der Elefanten, die der Elfenbeinküste einst ihren Namen gaben und für die letzten Schimpansen in dem Land. Geht alles so weiter wie bisher, sind die Wälder der ersten Nationalparks schon in drei Jahren komplett vernichtet.