Renditehunger Sat.1 streicht beliebte Nachrichten ab sofort
Berlin Dass es so schnell gehen würde, war dann doch für viele ein Schock: Um 12.30 Uhr am Montag hatten die Mitarbeiter von "Sat.1 am Mittag" einen Termin bei Senderchef Matthias Alberti. Der verkündete ihnen im distanzierten Ton, die gerade ausgestrahlte Sendung sei ihre letzte gewesen. Schon am Dienstag soll stattdessen "Richterin Barbara Salesch" laufen.
Mareile Höppner, Moderatorin von "Sat.1 am Mittag", hatte nicht einmal die Möglichkeit, sich in der Sendung von den Zuschauern zu verabschieden. Morgen soll zur gewohnten Sendezeit ein Laufband eingeblendet werden, das auf die Absetzung hinweist - mehr nicht. Die 35 Mitarbeiter der Sendung sind ab sofort freigestellt, die Verträge laufen im November aus.
Schon um 13 Uhr musste auch die Redaktion von "Sat.1 am Abend" beim Senderchef erscheinen. Die Botschaft war die gleiche: Nach der Sendung am Montag wird es keine weitere geben. Diese Mitarbeiter traf es noch härter: Viele hatten gehofft, zumindest die Abendnachrichten müssten doch erhalten bleiben. Auch hatten sich viele in größer Sicherheit gewähnt, weil sie unbefristete Verträge haben. Mit Nachrichtenchef Thomas Kausch verhandelt der Sender nach SPIEGEL-Informationen derzeit über seine Entlassung und Abfindung.
McKinsey kam
Für die Nachtsendung "Sat.1 News die Nacht" soll Ende August Schluss sein. Als "Information" übrig bleiben die kurzen "News"-Einschübe, das Boulevard-Format "Blitz" und das Frühstücksfernsehen. Allerdings stehen auch bei der "Blitz"-Redaktion womöglich Kürzungen an.
Unklar ist noch, wie das Sat.1-Frühstücksfernsehen demnächst seine Sendezeit füllen soll: Bisher werden dort viele Beiträge der Redaktionen von "Sat.1 am Mittag" und "Sat.1 am Abend" ausgestahlt. Auf diese Frage hatte Alberti nach Mitteilung von Mitarbeitern heute keine rechte Antwort. Er habe ihnen sogar eingestanden, er sei "unvorbereiteter, als Ihr Euch das vorstellen könnt".
In einem Interview, das vergangene Woche veröffentlicht wurde, hatte Alberti noch beteuert: "Am Programm wird ganz sicher nicht gespart."
Mit dem überstürzten Jobabbau verstärken die neuen ProSiebenSat.1-Eigner KKR und Permira, Finanzinvestoren aus den USA und Großbritannien, ihren Druck auf den Sender. ProSiebenSat.1-Konzernchef Guillaume de Posch soll die Rendite in den nächsten Jahren von derzeit 22,2 Prozent auf bis zu 30 Prozent steigern. Auf dem Konzern lasten über vier Milliarden Euro Schulden.
Der nun geplante Job-Abbau im Informationsbereich geht auf Empfehlungen der Unternehmensberatung McKinsey zurück.
Von den Plänen zum Jobabbau sind konzernweit bis zu 200 Mitarbeiter betroffen, heißt es im Haus, davon etwa 60 bei Sat.1 - das entspricht dort rund einem Viertel der Belegschaft. Am Donnerstag soll in München ein Treffen mit allen Betriebsratsvorsitzenden und der Geschäftsführung stattfinden. Für Freitag ist eine Betriebsversammlung in Berlin geplant.
Gewerkschaft: Das ist "Heuschreckenlogik"
Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes, Michael Konken, kritisierte das Vorgehen als maßlos überzogen. So gehe man nicht mit Beschäftigten um, die mit Engagement Nachrichtenjournalismus machten. Unmittelbar vor der Hauptversammlung des Mutterkonzerns ProSiebenSat.1 am Dienstag sollten offensichtlich vollendete Tatsachen geschaffen werden. Konken forderte die Verantwortlichen auf, die Einstellung der betroffenen Sendungen sofort zurückzunehmen.
Mit Blick auf die Hauptversammlung appellierte Konken an den Axel Springer Verlag, als Anteilseigner und Gründungsgesellschafter von Sat.1 seinen Einfluss auf KKR und Permira im Sinne der Beschäftigten geltend zu machen.
Trotz der Sparpläne will sich der Aufsichtsrat auf der Hauptversammlung etwas höhere Gehälter genehmigen lassen: Künftig soll jedes Mitglied 100.000 Euro im Jahr fest bekommen, die variable Vergütung entfällt. Der Vorsitzende und sein Stellvertreter kassieren dann künftig je 200.000 Euro. Zum Vergleich: 2006 verdienten von den 15 Mitgliedern des Gremiums neun weniger als 100.000 Euro.
Die Sprecherin von Sat.1 war am Montag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen und meldete sich auch auf Rückruf-Bitte nicht.
Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Ver.di, Frank Werneke, kritisierte, die "Heuschreckenlogik" blute den Sender aus. Die Einstellung der Nachrichtensendungen degradiere Sat.1 zum reinen Abspielkanal. Deshalb müsse die Medienaufsicht prüfen, ob der Sender seinem Programmauftrag noch nachkäme.
itz/ddp