Rettungskonzept Fiat kündigt Jobabbau an allen vier Opel-Standorten an

GM will Magna als Partner für die Opel-Rettung - doch Fiat lässt nicht locker. Konzernchef Marchionne bekräftigt im SPIEGEL-Gespräch sein Interesse und kündigt für den Fall einer Fusion Stellenstreichungen in allen deutschen Werken an. Einem Zeitungsbericht zufolge fordern die Italiener zudem üppige Hilfe vom Staat.

Turin - Fiat Chef Sergio Marchionne hat bekräftigt, dass im Fall einer Übernahme von Opel keine deutschen Standorte geschlossen werden. "Wir werden alle vier Fabriken in der Bundesrepublik erhalten", sagte er in einem Interview mit dem SPIEGEL.

Fiat-Chef Marchionne: "Kapazitäten um 20 Prozent reduzieren"

Fiat-Chef Marchionne: "Kapazitäten um 20 Prozent reduzieren"

Foto: DDP

Am Mittwochabend hatte der Manager seinen Übernahmeplan für Opel offiziell dem zuständigen Geldinstitut, der Dresdner Bank, gemailt. Neben Fiat haben der österreichisch-kanadische Autozulieferer Magna und der US-Finanzinvestor Ripplewood ein Gebot für Opel abgegeben. Laut "Bild"-Zeitung verlangen alle drei Interessenten Milliardenbürgschaften vom Staat, Fiat davon die größten. Nach SPIEGEL-Informationen hat der Opel-Mutterkonzern General Motors bereits eine klare Präferenz für Magna, auf Platz zwei kommen die Investoren, erst an dritter Stelle die Italiener.

"Produktionskapazitäten um 20 Prozent reduzieren"

Marchionne machte im Gespräch mit dem SPIEGEL deutlich, dass in den vier deutschen Opel-Fabriken in Rüsselsheim, Kaiserslautern, Bochum und Eisenach Arbeitsplätze abgebaut werden, falls eine Fusion zustande kommt. "Wir müssen die Produktionskapazitäten in dem neuen Gemeinschaftsunternehmen aus Fiat und den europäischen GM-Töchtern um 20 Prozent reduzieren", sagte der Manager. Das bedeute nicht, dass auch die Zahl der Arbeitsstellen um 20 Prozent sinken müsse, fügte er hinzu. Der erforderliche Abbau von Stellen werde gleichmäßig über Europa verteilt.

Der Fiat-Chef wies den Vorwurf zurück, er wolle Opel ohne ausreichende Gegenleistung übernehmen. "Das neue Gemeinschaftsunternehmen wird für alle Pensionsverpflichtungen der europäischen GM-Töchter einstehen", sagte Marchionne. Allein das seien rund vier Milliarden Euro. Fiat selbst werde schuldenfrei in die neue Gruppe eintreten. Marchionne versicherte außerdem, Fiat werde die staatlich verbürgten Kreditmittel, die das Unternehmen im Zuge der Übernahme benötige, komplett zurückzahlen.

Alle Bieter fordern Bürgschaften

Die "Bild"-Zeitung berichtet, dass Fiat unter den drei Opel-Interessenten die höchsten Staatsgarantien verlangt: rund sieben Milliarden Euro. Dies sei Voraussetzung dafür, dass eine Übernahme gelingen könne. Die Zeitung beruft sich auf Regierungskreise.

Allerdings fordern auch Magna und Ripplewood kräftige Unterstützung vom Staat. Dem Bericht zufolge wollen die Austro-Kanadier bis zu fünf Milliarden Euro an Staatsgarantien. Im Gegenzug sind sie bereit, die Opel-Mehrheit zu übernehmen und 700 Millionen Euro in neue Werke und Modelle zu investieren.

Der US-Investor Ripplewood wiederum wolle über seine belgische Tochterfirma RHJ ebenfalls mehr als 50 Prozent an Opel übernehmen. Der durch eine Staatsbürgschaft abzudeckende Kreditbedarf liege in diesem Fall unter fünf Milliarden Euro.

In allen drei Konzepten sei darüber hinaus ein spürbarer Stellenabbau vorgesehen, schreibt die Zeitung weiter. Fiat wolle im Fall eines Einstiegs bei Opel europaweit insgesamt 18.000 Arbeitsplätze streichen, auch in eigenen Fiat-Werken. Im Konzept von Magna sei von einem europaweit recht gleichmäßig verteilten Abbau rund 10.000 Stellen die Rede. Auch das Ripplewood-Konzept sehe Stellenstreichungen in dieser Größenordnung vor. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet ebenfalls, dass alle Interessenten im großen Stil Stellen abbauen möchten.

GM wird Vorstellungen der Bundesregierung berücksichtigen

Aktuell berät die Bundesregierung noch über die Rettungskonzepte für Opel. Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) will eine erste Bewertung an diesem Freitag im Kanzleramt vorstellen. Die Entscheidung liegt aber vor allem beim Mutterkonzern GM in Detroit - und dieser hat nach SPIEGEL-Informationen schon eine Präferenz. In einem internen Ranking liegt Magna auf Platz eins, dahinter folgt der Finanzinvestor Ripplewood - und Fiat überraschend nur auf Platz drei.

GM-Boss Fritz Henderson hat sich intensiv mit den Interessenten befasst. Er muss berücksichtigen, welche Folgen die Mehrheitsübernahme eines Investors bei GM Europe auf das Geschäft von General Motors hat - denn der US-Konzern will weiter an dem Unternehmen beteiligt bleiben und technisch mit ihm zusammenarbeiten.

Für Magna spricht, dass der Autozulieferer im Ruf steht, selbst über Spitzentechnologie zu verfügen. Gegen Fiat sprechen gleich zwei Gründe: Zum einen steigen die Italiener beim GM-Konkurrenten Chrysler ein. Fiat könnte mit dem Know-how, auf das es bei Opel Zugriff hat, ausgerechnet Chrysler stärken. Zum anderen ist bei GM die Verärgerung darüber offenbar noch groß, dass der US-Konzern für die Trennung von Fiat vor einigen Jahren den Italienern noch eine Ausgleichszahlung von 1,5 Milliarden Dollar zahlen musste.

Das interne Ranking von GM stellt noch keine Entscheidung über die Zukunft von Opel dar. Der US-Konzern wird auch berücksichtigen müssen, zu welcher Einschätzung die Bundesregierung kommt, die die Konzepte der drei Interessenten seit Mittwochabend prüft. Schließlich kann GM die Mehrheit an Opel nur an einen Investor abgeben, der auch Milliardenbürgschaften der Bundesregierung und der beteiligten Bundesländer Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen erhalten wird.

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