Rettungsversuche EU warnt Berlin vor Opel-Alleingang
Brüssel/Berlin - Fieberhaft sucht die Bundesregierung nach einer Lösung für Opel. Doch nun reagiert die EU auf die Bemühungen der Großen Koalition. Die Europäische Kommission in Brüssel forderte Deutschland und auch Großbritannien bei der Rettung der Traditionsmarken Opel und Vauxhall zur Einhaltung des europäischen Rechts auf.

Opel-Arbeiter in Rüsselsheim: EU warnt vor "diskriminierenden Auflagen"
Foto: DDPDie Kommission warnte vor "diskriminierenden Auflagen" für Investoren. Als Beispiel nannte ein Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes, dass in einem EU-Staat keine Fabriken geschlossen werden dürfen, in einem anderen aber schon. Zuvor hatte Belgien die Sorge geäußert, Rettungsaktionen der deutschen oder britischen Regierungen könnten zu Lasten des Opel-Werks in der flämischen Hafenstadt Antwerpen gehen. Die EU-Kommission hat eingeräumt, Berlin sei bei der Suche nach einem Opel-Investor bislang "besonders ambitioniert" vorgegangen.
Tatsächlich soll die Bundesregierung in den Verhandlungen eine Garantie für alle vier Opel-Standorte in Deutschland verlangt haben. Wie das "Handelsblatt" aus Teilnehmerkreisen des Opel-Gipfels im Kanzleramt erfuhr, erwarten die Spitzen der Bundesregierung, dass "mittelfristig alle Standorte und so weit wie möglich auch die Arbeitsplätze in Deutschland erhalten bleiben". Die beiden Investoren Fiat und Magna, mit denen die Große Koalition weiter an einer Lösung für Opel arbeiten will, hätten eine entsprechende Erklärung abgegeben, hieß es weiter.
Die britische Regierung will den künftigen Opel-Besitzer ihrerseits subventionieren, um Arbeitsplätze zu sichern. "Mir wurde von allen Involvierten in den Verhandlungen eindeutig versichert, dass das Engagement bei Vauxhall und seinen britischen Arbeitskräften weitergeht", sagte Wirtschaftsminister Peter Mandelson der BBC. Deshalb werde die Regierung in den Monaten nach der Übernahme Starthilfe für den neuen Opel-Besitzer aufbringen. Darüber habe Mandelson bereits mit den beiden Investoren gesprochen. Er wurde in den vergangenen Tagen kritisiert, zu wenig bei der Rettung der Arbeitsplätze zu tun.
Bei der Gewährung von Geldern der öffentlichen Hand und der Auswahl von Investoren müssten die Staatsbeihilfe- und Binnenmarktregeln eingehalten werden, mahnte nun der Kommissionssprecher angesichts der Offerten an. Die EU ist die oberste Wettbewerbsaufsicht in Europa und muss staatlichen Hilfspaketen grünes Licht geben. Angesichts des aufziehenden Konflikts um Investorenhilfen und auf Wunsch des belgischen Premiers Herman Van Rompuy rief die Behörde zudem ein Sondertreffen der betroffenen EU-Staaten am Freitag ein.
Das Thema spielte auch beim Treffen der EU-Industrieminister am Donnerstag in Brüssel eine Rolle. Bereits am 13. März hatte EU-Industriekommissar Günter Verheugen ein Sondertreffen der europäischen GM-Länder ausgerichtet. Diesmal sind allerdings keine Vertreter des US-Konzerns GM eingeladen. Ziel der Gespräche sei die Kooperation und der Informationsaustausch, sagte der Sprecher Verheugens.
Gleichzeitig bemüht sich die Bundesregierung weiter um eine Lösung für Opel. Nach dem gescheiterten Berliner Gipfel in der Nacht zum Donnerstag dürfte sich das Schicksal des Autobauers frühestens am Freitag bei einem erneuten Spitzengespräch im Kanzleramt entscheiden. Bis zum frühen Nachmittag sollen die beiden verbleibenden Interessenten Magna und Fiat einen Übernahme-Vorvertrag mit dem US-Mutterkonzern General Motors (GM) vorlegen. Erst dann will die Bundesregierung über Bürgschaften entscheiden.
GM dürfte spätestens am Montag Insolvenz anmelden. Opel soll möglichst vor der Pleite von der amerikanischen Mutter abgetrennt werden. Bei dem jüngsten Spitzentreffen scheiterte eine entsprechende Vereinbarung allerdings an den hohen finanziellen Forderungen der Amerikaner. Kurzfristig hatten GM-Vertreter auf einem weiteren Überbrückungskredit von 300 Millionen Euro bestanden. Den will möglicherweise der kanadische Zulieferer Magna übernehmen. Aber auch der italienische Autobauer Fiat verhandelt weiter mit dem US-Finanzministerium, dem Hauptgläubiger des angeschlagenen General-Motors-Konzerns.
Noch ist aber auch eine Opel-Insolvenz nicht vom Tisch. Die renommierte Rechtsanwaltskanzlei Clifford Chance arbeitet Kreisen zufolge schon an einem Plan für eine geordnete Insolvenz des Autobauers. Ein Team von Restrukturierungsexperten sei in Berlin bereits vor dem Gipfel zusammengezogen worden, um ein Konzept auszuarbeiten, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person der Nachrichtenagentur Reuters.
Nach Scheitern der Verhandlungen will sich nun Außenminister Frank-Walter Steinmeier einschalten. Der SPD-Politiker hat ein Gespräch mit seiner US-Kollegin Hillary Clinton angekündigt. Die Verhandlungen der Bundesregierung mit dem US-Finanzministerium seien "nicht dicht genug" gewesen, sagte der Vizekanzler. Daher wolle er mit Clinton telefonieren und so für "Aufmerksamkeit" für Opel in den USA sorgen.
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU), der ebenfalls am Opel-Gipfel teilgenommen hatte, schätzt die Überlebenschancen des Herstellers weiter gut ein. Allerdings brauche Opel bereits am kommenden Dienstag 300 Millionen Euro Liquidität statt der ursprünglich kalkulierten 100 bis 150 Millionen - wenn die europäische Einheit bis dahin von GM losgelöst sein sollte. Deshalb bestehe hoher Zeitdruck, sagte Koch am Donnerstagmorgen auf einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses in Wiesbaden.
Eine staatliche Brückenfinanzierung könne die Millionenlücke nicht bereits am kommenden Dienstag schließen, sagte Koch. Deshalb müsse dies einer der potentiellen Investoren tun. Magna sei dazu bereit. Für eine Brückenfinanzierung bräuchten Bund und Länder aber auch eine klare Aussicht auf eine anschließende dauerhafte Lösung: "Wir können die Überbrückung nach dem Bürgschaftsrecht nur leisten, wenn wir wissen, dass es etwas nach dem Übergang gibt." Diese Perspektive müsse in einer Absichtserklärung zwischen GM und einem Investor bestehen. Die USA brächten dafür allerdings wenig Verständnis auf und hätten sich bei den Gesprächen "schädlich" verhalten.