Zur Ausgabe
Artikel 27 / 88

KOSMETIK Richtig verpackt

Die Parfümbranche pflegt ihre neue Kundschaft - die Männer. *
aus DER SPIEGEL 3/1986

Gegen Ende seines kräftezehrenden Lebens, so berichten die Geschichtsschreiber, soll Giacomo Casanova versucht haben, mit viel Parfüm jene strengen Düfte zu überdecken, die ihn wegen der Folgen eines langen Lotterlebens umgaben. Der alte Verführer soll dennoch höchst irdisch gestunken haben.

Jetzt aber, zwei Jahrhunderte später, steht der Name Casanova wieder für die feine Lebensart - als teure Duftmarke. Eau de Toilette und Deospray der Sorte »J. Casanova« sind in den Herrenabteilungen guter Parfümerien zu finden.

Die Schar der Männer, die gern den kräftigen Casanova-Hauch oder eine andere Duftnote anlegen, nimmt stetig zu. Während bei den Frauen kaum noch mehr Kosmetika zu verkaufen sind, läuft das Geschäft mit den sogenannten Herrenserien prächtig.

Für solche Duftwässerchen und Seifen, Cremes und Shampoos gaben die Deutschen 1985 rund eine Milliarde Mark aus. Die Tendenz ist weiter steigend, und das verdankt die Branche vor allem den eitlen Männern.

»Aufwendige Pflege von Haut und Haar«, sagt Margit Schütt vom Mainzer Kosmetik-Unternehmen Margaret Astor, »wird nicht mehr als unmännlich diffamiert. Sie wird als Teil eines neuen Lebensstils begriffen.«

Der Mann mit dem ganz neuen Lebensstil pflegt morgens den Kopf mit Shampoo und Haarfestiger. Er schützt

mit vielerlei Cremes die Haut vorm Altern und hüllt sich mittels Pre- und Aftershave, Eau de Toilette und Deospray in eine Wolke von Exklusivität.

Abends dann, nach des Tages Mühen, braucht so ein Mann zur Entspannung seine Gesichtsmaske und eine Kräuterlotion, die freundlich die Poren schließt. Danach ist er wieder fit - für wen oder was auch immer.

Es hat lange gedauert, bis die Hersteller den Mann soweit hatten. Vor gut 50 Jahren, als die britische Pfeifenfirma Alfred Dunhill die erste Kollektion mit Herren-Kosmetik auf den Markt brachte, gab es noch derben Protest.

»Ein Mann«, räsonierte damals der Schriftstelle Ernest Hemingway, »hat verdammt noch mal nach nichts zu riechen als sich selbst.«

Erst Mitte der siebziger Jahre machte sich die Kosmetik-Industrie ernsthaft an die neue Zielgruppe heran. Bei der weiblichen Kundschaft nämlich war nicht mehr viel zu holen. »Mehr als vier Lippenstifte«, klagte ein Marketing-Manager, »kann eine Frau eben nicht gebrauchen.«

So konzentrierte die Branche die Kraft der Werbung auf den Mann. Sprüche von Hemingway und anderen derben Kerlen waren ohnehin nicht mehr sehr gefragt, das Männliche wurde weicher - warum also nicht auch duftiger?

Da war dann für jeden Typ etwas dabei, und immer richtig verpackt. »Machos lieben schwarz«, weiß Marketing-Beraterin Margit Schütt, »Softis fliegen auf weiß.« Viele der neuen Produkte packten die Hersteller denn auch in schwarze Schachteln.

Letzte Zweifel, ob Anti-Falten-Cremes und duftende Essenzen nicht doch zu weibisch seien, wurden durch kleine Marketing-Tricks überwunden: Flakons, die wie Benzinkanister, Feuerzeuge oder Tintenfässer aussahen, sollten den ersten Zugriff erleichtern.

Drei von zehn deutschen Männern benutzen inzwischen täglich Mittelchen wie Eau de Toilette. Sie können derzeit unter mehr als 200 Serien-Marken mit rund 4000 verschiedenen Artikeln wählen. Allein Marktführer »Aramis« bietet vom Rasierschaum über Shampoos und Cremes bis zum Super Eau de Cologne 70 schöne Dinge für den gepflegten Herrn an.

Keiner der bekannten Modeschöpfer - ob Karl Lagerfeld oder Christian Dior, Coco Chanel oder Jil Sander - verzichtet mehr darauf, auch für Männer Duftkollektionen unter eigenem Namen anzubieten. Bei den weiblichen Kunden war der Trick mit den großen Namen längst erfolgreich.

Ein Pariser Designer etwa ist als Namenspatron der Herrenserie Jean-Charles de Castelbajac, die von der Firma 4711 vertrieben wird, weit bekannter als durch modische Jacketts oder Hosen.

Um neue Geruchsserien noch schneller in den Markt zu drücken, suchen Kosmetik-Produzenten zunehmend auch Partner aus der Mode- und Freizeitindustrie. Margaret Astor brachte rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft eine Herrenserie mit dem Namen des Sportartikel-Konzerns Adidas heraus. Die Neueinführung war vom Start weg derart erfolgreich, daß der Parfümeriehandel über Lieferschwierigkeiten klagte.

Adidas-Konkurrent Puma plant angeblich, noch in diesem Jahr seinen Firmennamen an ein Kosmetik-Unternehmen zu vermieten. Auch Lacoste und Hugo Boss sind inzwischen schon Duft-Marken.

Die Firma, die ihren Markennamen für ein neues Produkt hergibt, erhält in der Regel als Gegenleistung fünf Prozent vom Umsatz. Die Firma Boss hat auf diese Weise in den letzten vier Monaten seit der Einführung der »Boss«-Kosmetik, 400000 Mark an Lizenzgebühren verdient.

Nach dem schnellen Erfolg beim deutschen Mann wollen Boss und Adidas, die mit modischem Fummel längst international im Geschäft sind, nun auch weltweit ihre Kosmetika absetzen. »Solche Markennamen«, weiß Margit Schütt, »sind für die Einführung der Produkte unbezahlbar.«

Natürlich setzt die Werbung nicht nur auf bekannte Namen. Klar, daß die meisten guten Gerüche auch irgend etwas mit Erotik zu tun haben.

Da verspricht ein Eau de Toilette namens »Captain Molyneux« die »frische Brise, die Frauen anzieht«. Eine »French Line« verheißt »maskulinen Duft« mit einem »animalischen Fonds«, was immer das sein mag. Das Herrenparfüm »Hascish« wirbt mit »erotisierender Ausstrahlung« und ist, so die Gebrauchsanweisung, »Before & After« zu benutzen.

Doch auch der wohlriechende Mann kann sich seiner erotisierenden Wirkung wohl nie ganz sicher sein. Als der britische Reporter Sidney Williams für sein Blatt die verschiedenen Düfte testete, blieb - wer hätte das gedacht - die erhoffte Wirkung oft aus.

Nur einmal war alles ganz eindeutig, als Williams in seiner Geruchswolke dicht an der Manege im Zirkus saß: Da umklammerte ihn eine junge Schimpansin und ließ ihn erst wieder los, als ihr Dompteur grob wurde.

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 27 / 88
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten