Mehr Einwanderung, weniger Bürokratie So sieht Habecks Start-up-Strategie aus

Von Mitarbeiterbeteiligung bis Frauenförderung: Mit einer 28-seitigen »Start-up-Strategie« will das Wirtschaftsministerium Deutschlands Gründerszene unterstützen.
Mit Hoodie für Start-ups: Robert Habeck verspricht Wohltaten für die Gründerszene

Mit Hoodie für Start-ups: Robert Habeck verspricht Wohltaten für die Gründerszene

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Ina Fassbender / AFP

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Autos, Chemie, Maschinenbau: Deutschland ist weltweit für viele Wirtschaftszweige bekannt, die hiesige Start-up-Szene gehört eher nicht dazu. Das liegt auch an der Politik, die die Gründerszene jahrzehntelang eher stiefmütterlich behandelt hat, als hübsches Beiwerk fürs junge Image statt als Investition in die Zukunft des Landes.

Dass sich das ändern soll, kündigten im Wahlkampf so gut wie alle Parteien an, vor allem Grüne und FDP warben erfolgreich um Geld, Aufmerksamkeit und Stimmen der Branche. Dementsprechend tauchten die Start-ups auch im Koalitionsvertrag auf – inklusive eines Versprechens: Erstmals werde in einem umfassenden Prozess eine Start-up-Strategie entwickelt.

Wie sie aussehen könnte, zeigt nun ein Entwurf aus dem Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, der dem SPIEGEL vorliegt. Auf 28 Seiten stellt das Haus von Robert Habeck eine Reihe von möglichen Maßnahmen vor, die in der aktuellen Legislaturperiode umgesetzt werden sollen.

Kapitalstock bei Altersvorsorge

Das betrifft etwa die Finanzierung, wo es in Deutschland schon lange Nachholbedarf gibt, vor allem in Bezug auf späte Wachstumsphasen. Was in anderen Ländern längst Realität ist, soll nach Vorstellung des Wirtschaftsministeriums nun auch in Deutschland passieren: Versicherer und Pensionskassen sollen über Umwege in Start-ups investieren können. Habeck sieht hier sogar eine »Mindestinvestitionsquote« in Wagniskapital-Fonds vor.

Neben den zahlreichen Fonds und Finanzinstrumenten, die die Koalition bereits angekündigt hatte, soll die Bundesregierung künftig auch eigene Mittel für Klima- und Nachhaltigkeitstechnologien reservieren. Ab Mitte 2022 bis 2025 sollen etwa neue Investitionen im Rahmen des Europäischen Investitionsfonds zu mindestens einem Fünftel in Unternehmen fließen, die sich mit grüner Innovation, Nachhaltigkeit oder Social Impact beschäftigen.

Schüler und Schülerinnen sollen »möglichst früh mit Start-ups in Kontakt kommen«.

Auch das INVEST-Programm, das zum Ärger vieler Gründer jüngst ausgelaufen war, will das Wirtschaftsministerium neu beleben. Die entsprechende Förderrichtlinie werde »zum 1. Januar 2023« angestrebt. Vage wird es hingegen bei den Anforderungen für künftige Börsengänge: Habeck will lockern und flexibilisieren, eine Arbeitsgruppe bei der Finanzdienstleistungsaufsicht soll sich um die Details kümmern.

Mehr Einwanderung und Beteiligung

Deutschlands Start-ups brauchen Kapital, vor allem aber fehlen ihnen Talente, die oftmals aus dem Ausland kommen. Geht es nach dem Wirtschaftsministerium, soll dafür das Einwanderungsrecht weiterentwickelt werden, bestehende Hürden sollen sinken, insbesondere bei der Anerkennung von Abschlüssen.

Ausländische Studierende will Habeck zum Beispiel mit Angeboten zum Spracherwerb ködern – und bei den einheimischen Schülern mit IT-Zwang nachhelfen. Die Bundesregierung solle sich dafür einsetzen, »dass Informatikunterricht ab der Sekundarstufe I verpflichtend eingeführt wird«, heißt es im Entwurf. Auch sonst sollen Schüler und Schülerinnen »möglichst früh mit Start-ups in Kontakt kommen«.

Einen lang gehegten Wunsch der Szene, die Mitarbeiterbeteiligung, will Habeck ebenfalls endlich umsetzen, mithilfe von Verbesserungen im Einkommensteuerrecht – damit künftig tatsächlich Liquidität besteuert wird, nicht bereits auf das sogenannte Dry Income, also die reine Beteiligung am Unternehmen. Das angekündigte Programm zur Talentgewinnung gehe »in die richtige Richtung«, sagt Christian Miele, Chef des Start-up-Verbands, »abzuwarten bleiben dabei die erforderlichen politischen Maßnahmen«.

Mehr Frauenförderung

Dass Frauen in der Start-up-Branche unterrepräsentiert sind, ist kein Geheimnis. 2021 lag der Anteil der Gründerinnen bei gerade mal 17,7 Prozent. Im Wirtschaftsministerium will man dem Missstand nun mit Förderungen begegnen.

Über eine neue Förderlinie namens »EXIST Women« sollen so künftig gezielt Gründerinnen angesprochen werden. Und Professorinnen an Hochschulen sollen sogar einen finanziellen Anreiz bekommen, sich als Mentorin einzubringen. Ihren Arbeitgebern wirkt im Gegenzug eine höhere Netzwerkpauschale, wenn sie »diverse Teams« coachen und begleiten. Das erklärte Ziel: »mehr Vorbild-Unternehmerinnen« allerorten, damit die Zahlen künftig nicht mehr ganz so weit auseinanderklaffen.

Mehr Zugang zu Daten und Förderungen

Klar ist: Haben Deutschlands Start-ups den Staat bisher als Klotz am Bein wahrgenommen, soll sich diese Wahrnehmung in Zukunft ändern. Habeck will zum besten Freund der Gründer werden. Laut Entwurf soll etwa der Zugang zu Förderungen, staatlichen Aufträgen, Laboren und Daten künftig deutlich leichter werden, zum Beispiel mit Onlineportalen und einem neuen Transparenzgesetz.

Viele der Wohltaten klingen allerdings etwas verdächtig nach Kosmetik: So will das Wirtschaftsministerium erstmals einen (nicht näher definierten) »Start-up Summit Germany« veranstalten und ein »Netzwerk von Kontaktstellen« für Gründer und Gründerinnen in sämtlichen Bundesministerien und nachgeordneten Behörden einrichten. Sogar eine »Kampagne zur internationalen Vermarktung des Start-up-Standorts Deutschland« verspricht der Entwurf. Wie das alles aussehen soll, ist unklar.

Nach SPIEGEL-Informationen soll der Entwurf am Freitag mit den anderen Ministerien abgestimmt werden, Gesprächsbedarf könnte es vor allem mit Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) geben. Bei ihm müssen die umfassenden neuen Programme nämlich mit Finanzmitteln ausgestattet werden.

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