Versorgungssicherheit in Deutschland Habeck will Kohlekraftwerke im Zweifel länger laufen lassen

Eigentlich wollte die Bundesregierung den Kohleausstieg vorziehen. Nun macht der grüne Wirtschaftsminister deutlich: Falls Russland seine Gaslieferungen einstellt, könnten die Kraftwerke länger laufen.
Braunkohlekraftwerk in Niederaußem (Nordrhein-Westfalen): Habeck bringt längere Kohlelaufzeit ins Spiel

Braunkohlekraftwerk in Niederaußem (Nordrhein-Westfalen): Habeck bringt längere Kohlelaufzeit ins Spiel

Foto: Federico Gambarini / dpa

Noch fließt Gas und Öl aus Russland in die Bundesrepublik – trotz der internationalen Sanktionen wegen des Überfalls Russlands auf die Ukraine. Doch das könnte sich angesichts der Eskalation ändern. Vor diesem Hintergrund hält Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) eine längere Laufzeit auch für Kohlekraftwerke für denkbar. Der Energiekonzern RWE prüft bereits Möglichkeiten, die Kraftwerke länger laufen zu lassen.

»Kurzfristig kann es sein, dass wir vorsichtshalber, um vorbereitet zu sein für das Schlimmste, Kohlekraftwerke in der Reserve halten müssen, vielleicht sogar laufen lassen müssen«, sagte Habeck im »Deutschlandfunk«. Eigentlich hat sich die Bundesregierung darauf geeinigt, den für 2038 geplanten Kohleausstieg nach Möglichkeit bereits 2030 erreichen zu wollen.

Habeck betonte aber auch die Bedeutung erneuerbarer Energien für eine bessere Versorgungssicherheit – und für die Außenpolitik: »Je stärker wir uns auf eigene Energiequellen stützen und je stärker diese eigenen Energiequellen nicht durch Importe abhängig sind, umso souveräner agieren wir auch außenpolitisch.«

Klar sei, dass eine unabhängige Energiepolitik und eine klimaneutrale Energieproduktion gleichbedeutend seien, so Habeck. Erste Priorität sei jedoch die Versorgungssicherheit. Da müsse »der Pragmatismus jede politische Festlegung schlagen«, sagte der Wirtschaftsminister.

RWE teilte mit, eine Möglichkeit sei, Kohlekraftwerke wieder zu nutzen, die sich in der Reserve oder Sicherheitsbereitschaft befinden. Auch könne geprüft werden, ob bereits stillgelegte Anlagen zurück ans Netz gebracht werden könnten. Die Verschiebung von Stilllegungen, die in diesem Jahr anstünden, wäre eine weitere Möglichkeit, dem System zu helfen.

RWE: Es geht um Kurz- und Mittelfrist, nicht um Enddatum für Kohleausstieg

»Für unsere Anlagen prüfen wir das, damit wir handlungsfähig sind, wenn die Bundesregierung derartige Maßnahmen für notwendig erachtet«, hieß es vom Energiekonzern. Es gehe jetzt vor allem um den kurz- und mittelfristigen Zeitraum und nicht die generelle Frage, wann das richtige Enddatum für das Auslaufen der Kohle sei. Zudem müssten aber unter anderem die erneuerbaren Energien deutlich schneller ausgebaut werden, forderte RWE.

Bereits am Sonntag hatte der Bundeswirtschaftsminister im ARD-»Bericht aus Berlin« zwar Kohle und Atomkraft als grundsätzlich ungeeignet für den Ausgleich eines möglichen russischen Lieferstopp bezeichnet, aber auch gesagt: »Es gibt keine Denktabus.« Das Ministerium plant zudem Vorgaben für höhere Gas- und Kohlereserven.

Bei einem Besuch in Washington berät Habeck mit US-Regierungsvertretern über den Krieg in der Ukraine und dessen Konsequenzen für die Energie- und Sicherheitspolitik. Zu Habecks Gesprächspartnerinnen in Washington zählen nach Angaben seines Ministeriums US-Finanzministerin Janet Yellen und Energieministerin Jennifer Granholm. Begegnungen sind auch mit dem Klimabeauftragten der US-Regierung, John Kerry, und dem nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan vorgesehen.

fdi/AFP/Reuters
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