Isabell Hülsen

Habecks Sparappelle Der Duschkopf als Waffe gegen Putin? Wie niedlich!

Isabell Hülsen
Ein Kommentar von Isabell Hülsen
Russland drosselt seine Gaslieferungen – und der Wirtschaftsminister setzt auf Appelle zum Energiesparen. Es wäre Zeit, das Land endlich auf den Ernstfall vorzubereiten.
Robert Habeck: »Wenn viele das machen, bringt das in der Summe wirklich was«

Robert Habeck: »Wenn viele das machen, bringt das in der Summe wirklich was«

Foto: Frederic Kern / Geisler Fotopress / picture alliance

Und, haben Sie auch schon Ihren Duschkopf ausgewechselt, um Warmwasser zu sparen? Und der Familie erklärt, dass es mit der abendlichen Badewanne jetzt vorbei ist? Schließlich hat der Bundeswirtschaftsminister persönlich das Energiesparen zur nationalen Aufgabe erklärt. Recht hat er. Spätestens seit Putin Deutschland in dieser Woche auf harten Gasentzug gesetzt hat, ist klar: Das Land muss sich von der Hoffnung verabschieden, dass Russland uns brav dabei hilft, die Gasspeicher für den kommenden Winter aufzufüllen.

Jeder Prozentpunkt zählt, lautet Habecks Ansage. Die praktischen Spartipps aus dem Ministerium richten sich bisher vor allem an private Verbraucher: »Regelmäßig das Eisfach abtauen, Duschkopf wechseln oder in Büros die Beleuchtung auf LED umstellen«, riet der Minister vergangene Woche zum Start der Energiespar-Kampagne. »Wenn viele das machen, bringt das in der Summe wirklich was.«

Es reicht nicht, das Land mit der Verkündung stetig steigender Speicherstände zu sedieren

Das ist nicht falsch. Und es stimmt ja, jeder eingesparte Kubikmeter Gas hilft. Die Deutschen müssen ihren Energieverbrauch dringend reduzieren. Aber wahr ist leider auch: All das reicht hinten und vorne nicht. Der Duschkopf als Waffe im Gaskrieg gegen Putin? Wie niedlich. Selbst wenn Deutschland kollektiv die Armaturen auswechseln und öfter mal auf die heiße Badewanne verzichten würde: Die Gasspeicher füllt das nicht, wenn aus Russland nichts mehr kommt. Der Anteil der privaten Haushalte am Gasverbrauch beträgt im Sommer gerade mal rund zehn Prozent. Würden davon in kollektiver Kraftanstrengung zehn Prozent gespart, wäre der Gesamteffekt dennoch gering. Frühestens im Herbst, wenn die Deutschen wieder die Heizungen anwerfen, würden solche Appelle wirklich fruchten.

Dabei kann man dem Minister nicht vorwerfen, den Ernst der Lage nicht erkannt zu haben. Seit Wochen mahnt und warnt er, die aktuelle Versorgung sei zwar gesichert, aber die Lage durchaus ernst. Deutschland müsse wachsam sein, sich vorbereiten. Erst am Mittwoch legte der Minister in einer Video-Botschaft auf Twitter noch einmal nach. Nur: Warum folgt aus diesen Warnungen bisher nichts, außer ein paar Sparappellen, die angesichts der täglich knapper werdenden Gasmengen aus Russland schon fast skurril anmuten? Dass der Minister nun ankündigt, das Energiesparen notfalls gesetzlich zu verordnen, zeigt nur, dass er an der Wirkung seiner Appelle offenbar selbst Zweifel hat.

Putin setzt Gas als Waffe ein, so wie er den Hunger als Waffe einsetzt. Wer das bisher nicht wahrhaben wollte, sollte doch spätestens in den vergangenen Tagen eines Besseren belehrt worden sein. Das Drehen am Gashahn ist eine strategische Entscheidung, und ihr kann man nur begegnen, indem man sich strategisch rüstet. Nicht indem man das Land mit der Verkündung stetig steigender Speicherstände und der Floskel »Die Gasversorgung ist stabil« sediert.

Habeck tut nicht das Falsche, nur zu wenig vom Richtigen

Es ist verständlich, dass die Bundesregierung keine Panik schüren will, das würde die Energiepreise noch weiter treiben. Und Habeck tut auch nicht das Falsche, aber zu wenig vom Richtigen. Jede Woche ließen sich signifikante Mengen Gas sparen, wenn die Gaskraftwerke nicht länger zur Stromerzeugung eingesetzt würden. Die Stromherstellung aus Erdgas hat im Mai 2022 einen Rekordwert im Vergleich zu früheren Jahren erreicht – Gaskrise hin oder her. Doch eine Abschaltung der Kraftwerke sieht die Bundesregierung erst für den Fall vor, dass der Gasmangel schon da ist oder akut droht.

Das entsprechende Gesetz soll Anfang Juli durch Bundestag und Bundesrat gehen. Angesichts der immer größer werdenden Nadelstiche aus dem Kreml wäre zumindest die Diskussion angebracht, ob Gaskraftwerke nicht schon vorsorglich abgestellt werden sollten und vorübergehend die Kohlemeiler einspringen, um die Speicher zu füllen. Das ist keine schöne Nachricht für den Klimaschutz, aber der Schaden wäre überschaubar. Der Emissionshandel für die Energiewirtschaft erzwingt, dass der dadurch wachsende CO2-Ausstoß an anderer Stelle bis 2030 wieder eingespart werden muss. Das sollte möglich sein.

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Denkbar wäre auch, die Unternehmen mit Auktionen und Prämienzahlungen zum Gas-Verzicht zu motivieren – die Idee liegt seit Monaten auf dem Tisch, allein: In Habecks Ministerium ließ man sie dort auch lange liegen. So ging wertvolle Zeit verloren, die es braucht, um ein solches Modell klug zu gestalten. Klaus Müller, Chef der Bundesnetzagentur, will die Idee jetzt umsetzen. Bloß: Vorbereitet ist dafür wenig. Das Ministerium plant mit einem Start zum Herbst. Selbst solche Unternehmen, die ihre Prozesse von Gas auf Kohle oder Öl umstellen können, brauchen dafür in der Regel viele Monate Vorlauf. Wenn der Gas-Verzicht also nicht dazu führen soll, dass die Wirtschaftskraft sinkt, wäre es klug gewesen, Anreizsysteme möglichst früh zu entwerfen.

Nun kann man argumentieren, auch die Wirkung solcher Maßnahmen wäre wohl überschaubar. Vielleicht. Nur: Sie bringen allemal mehr als darauf zu hoffen, dass die Deutschen freiwillig kalt duschen.

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