Rückkehr der "Heuschrecken" Firmenjäger nehmen Banken ins Visier
New York - Die Bank United, Floridas größtes kommunales Geldhaus, symbolisiert derzeit die Malaise der ganzen Branche: In ihren Schaufenstern werben die 86 Filialen mit Fotos von Palmen, Stränden und frohen Kunden. Doch das ist nur Fassade. Allein für das zweite Quartal 2009 erwartet Bank United rund 443 Millionen Dollar Verlust. Das wäre fast siebenmal so viel wie im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres.

Börse in New York: Finanzinvestoren melden sich zurück
Foto: APViel mehr weiß man über die Lage der Bank mit Sitz in Coral Gables, einem der feinsten Viertel Miamis, allerdings nicht - wegen der Turbulenzen hat das Institut bisher weder die Ergebnisse der vergangenen drei Quartale offiziell gemacht noch die Gesamtbilanz für 2008 veröffentlicht. Die US-Einlagensicherungsbehörde FDIC schätzt, dass Bank United eine Kapitalspritze von mindestens einer Milliarde Dollar braucht, und hat ein Ultimatum gestellt: Entweder sucht sich die Bank einen Investor oder fusioniert mit einem Rivalen - oder die FDIC übernimmt das Ruder.
Die erste Frist für Kaufofferten lief am Freitag ab, wurde aber in letzter Minute bis zu diesem Dienstag verlängert. Drei Interessenten sind im Rennen: die kanadische TD Bank im Verbund mit Goldman Sachs , außerdem ein Team des Firmenjägers Wilbur Ross mit den Beteiligungsgesellschaften Blackstone , Carlyle und Centerbridge - sowie der Privatinvestor Christopher Flowers, der in Deutschland durch seine Engagements bei den Krisenbanken Hypo Real Estate und HSH Nordbank Bekanntheit erlangte.
Das Ross-Konsortium soll die besten Chancen haben. Nicht nur das ist bemerkenswert, sondern die Interessenten insgesamt. Ross, Flowers, Blackstone, Carlyle: Diese Namen galten bisher eigentlich als Geißel und Gabe der Finanzszene zugleich - Milliardäre und Privatfirmen, die sich in den vergangenen Jahren nach Belieben sieche Unternehmen schnappten, sie ausweideten und die Reste gewinnbringend weiterverscherbelten. Und das alles ohne jede öffentliche Aufsicht. Der SPD-Politiker Franz Müntefering prägte für die Finanzinvestoren den Schimpfnamen "Heuschrecken".
Doch zuletzt litt der Nimbus vom finanzstarken Firmenjäger mit vollen Kassen. Die Private-Equity-Branche kämpft wie der Rest der Wirtschaft mit der Finanzkrise. Einige Investoren stecken in ernsten Schwierigkeiten. Beispiel Chrysler: Der Autobauer, 2007 von Daimler an den Finanzinvestor Cerberus abgestoßen, ist nur das jüngste Beispiel für die Misere. Chrysler ist mittlerweile insolvent.
In jüngster Zeit war es denn auch still geworden um die "Heuschrecken". Vorbei die Zeiten, als Blackstone-Chef Stephen Schwarzman seinen 60. Geburtstag mit 1500 VIP-Gästen feierte. Die letzten, größten Deals Schwarzmans - die Übernahme des Immobiliengiganten Equity Office und der Börsengang seiner Firma - entpuppten sich als Flops und wurden prompt, in einem Sturm populistischer Entrüstung, als Ende der Heuschrecken-Ära gefeiert.
Finanzinvestoren wittern ihre Chance
Doch nun scheint sich das Blatt wieder zu wenden, das Drama um Bank United offenbart erstmals, was sich seit Monaten hinter den Kulissen anbahnt: In der Bankenkrise wittern Beteiligungsgesellschaften eine neue Chance. Bank United wäre die erste große US-Banken-Akquisition der Private-Equity-Fürsten. "Jeder starrt auf diesen Deal", sagte Harvard-Ökonom Josh Lerner dem "Wall Street Journal". "Dies könnte ein Präzedenzfall werden, der die Schleusen für künftige Transaktionen öffnet." Denn hier zeigt sich, ob die Rechnung der Investoren aufgeht.
Gerade erst hat die Federal Reserve den größten US-Banken einen Kapitalbedarf von mindestens 75 Milliarden Dollar attestiert. Eine prima Gelegenheit also für die Geldgeber. Nach den Worten eines Insiders verfügt die Private-Equity-Branche trotz Krise momentan über rund 400 Milliarden Dollar "Trockenpulver" für neue Übernahmen.
So rangiert Buyout-Unternehmer Wilbur Ross aus dem krisenfesten Mammon-Refugium Palm Beach auf der "Forbes"-Liste der 400 reichsten Amerikaner derzeit zwar "nur" auf Platz 262 - mit einem Privatvermögen von 1,8 Milliarden Dollar. Doch seine wahre Finanzkraft ist viel größer: Kürzlich erst schnappte er sich für 2,6 Milliarden Dollar zwei Hypothekenfirmen und eine Anleihenversicherung. Bank United wäre jedoch sein erster, größerer Ausflug in die Bankenbranche - nach dem kleineren Institut First Bank & Trust, an dem er die Mehrheit hält.
Banken werden interessant
Ohne weitere Beteiligungsgesellschaften könnte aber auch Ross den Deal nicht stemmen. Die Investoren scheuten allerdings lange vor Banken zurück - nicht zuletzt, weil eine Übernahme viele öffentliche Auflagen bedeuten würde, die den sonst lieber im Stillen wirkenden Finanziers zuwider sind. Letztendlich hat sich manch eine "Heuschrecke" auch in der Bankenbranche verhoben. Im April 2008 stieg die texanische Private-Equity- Firma TPG bei Washington Mutual ein. Ein halbes Jahr später übernahm die Regierung die kaputte Bank, TPG verlor am Ende fast 1,4 Milliarden Dollar.
Doch im Zuge der Finanzkrise beginnen die Investoren damit, auch die Banken wieder zu umkreisen, bei der Bank United liefern sie sich jetzt sogar einen Bieterkrieg. Die Institute gelten auf einmal als "die größte Beute der Rezession" ("New York Times"). Der US-Regierung wird dabei allmählich etwas mulmig. Zwar forciert sie private Beteiligung an der Geldindustrie neuerdings: Kernstück ihres jüngsten Bankenrettungsplans ist ein "öffentlich-privates Investitionsprogramm", bei dem der Staat den Privatanlegern unter die Arme greift, um die Problemkredite der Banken so abzustoßen.
Doch bisher erlaubt die zuständige US-Notenbank den Beteiligungsgesellschaften dabei nur Minderheitsbeteiligungen. Damit soll verhindern werden, dass es zu Zuständen wie Anfang des 20. Jahrhunderts kommt, als sich Wirtschaft und Geldwesen der USA unter der Kontrolle weniger Individuen befanden. Damals wurde ein Ausdruck für solche Querbeet-Übernahmen geprägt: "Morganisierung" - nach dem Eisenbahn- und Stahlmagnat John Pierpont Morgan, dem Gründer der Großbank JP Morgan.
Kapitalbedarf der Banken lockt die Investoren
Kritiker warnen bereits davor, dass die Beteiligungsfirmen die US-Banken vollends in den Untergang treiben könnten. Doch die geben sich unbeirrt: Sie sehen im gigantischen Kapitalbedarf der maroden Finanzkonzerne eine historische Chance.
Dazu haben die Geldgeber in Washington eine massive Lobby-Kampagne angestoßen. Anwaltsheere wurden angeheuert, um Entscheidungsträger im Finanzministerium zu bearbeiten. Alte Drähte zum Obama-Team dürften sich auszahlen: Blackstone und Carlyle gehörten zu Obamas emsigsten Wahlkampfspendern.
Die Private-Equity-Unternehmen versprechen, das Bank-Business und den Rest ihrer Geschäfte weiter separat zu führen, indem sie Holdingfirmen für die Finanzbeteiligungen einrichten. Eine andere Option: "Club Deals" wie bei Bank United, bei denen sie sich mit anderen Investoren zusammentun. Jede Gesellschaft kauft dabei den gesetzlich erlaubten Höchstanteil, was sich am Ende dann zu 100 Prozent addiert.
Ein solcher Investorenclub kaufte sich auch bei IndyMac ein, einer der ersten Banken, die im Strudel der US-Hypothekenkrise untergingen. Die FDIC gab sie, unter strengen Auflagen, an ein Konsortium aus Christopher Flowers, den umtriebigen Hedgefonds-Milliardären George Soros und John Paulson sowie Michael Dell, dem Gründer des Computerkonzerns Dell .
Flowers soll in der Szene derzeit besonders aktiv sein. "Ich glaube nicht, dass die Republik in die Knie gehen wird, wenn Finanzinvestoren Banken besitzen", sagte er der "New York Times". Komplett sicherte er sich bereits die First National Bank of Cainesville, eine der kleinsten Banken der USA im Bundesstaat Missouri. Die Beschränkung für Kapitalgesellschaften umging er, indem er als Privatmann zahlte. Im Februar verschwand das Namensschild First National Bank. An seiner Stelle erschien ein neuer Name im Schaufenster: "Flowers Bank".