Rücktritt des Soffin-Chefs Opposition fordert raschen Umbau des Bankenrettungsfonds
Hannover - Der Rettungsfonds soll auf den Prüfstand: Nach dem überraschenden Rücktritt von Chef Günther Merl fordern die Grünen einen Umbau des Sonderfonds zur Finanzmarkstabilisierung (Soffin). "Inhaltlich und personell ist die Konstruktion fehlerhaft", sagte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag, Alexander Bonde, der "Hannoverschen Neuen Presse". "Entschieden wird in der Ministerialbürokratie, die Mitglieder des Leitungsausschusses kommen sich nur wie ein Grüßgott-August vor."

Soffin-Chef Merl: Unterschiedliche Auffassungen über die Führung
Foto: DPANur drei Monate nach Gründung des Soffin hatte Merl, der Sprecher des dreiköpfigen Leitungsgremiums, am Mittwoch völlig überraschend seinen Rücktritt erklärt. Er gebe seinen Posten "aus persönlichen Gründen" zum 31. Januar ab, teilte das Bundesfinanzministerium mit. Die Bundesregierung sei bereits mit potentiellen Nachfolgern im Gespräch. Als Kandidaten gelten der frühere NordLB-Chef Hannes Rehm sowie der Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin.
Die FDP fordert nun, so schnell wie möglich einen neuen Chef zu benennen. "Wir sind in einer heiklen Phase, in der die Wirksamkeit des Bankenrettungspakets angezweifelt wird. Der Sonderfonds braucht schnell Führung", sagte FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke der Zeitung.
Querelen bereits zum Amtsantritt
Das manager magazin berichtete, Hintergrund des Rücktritts seien offenbar unterschiedliche Auffassungen über die Führung des Bankenrettungsfonds. Im Dezember hatte sich bereits Karlheinz Bentele aus dem Gremium zurückgezogen. Außerdem gehört dem Ausschuss der frühere baden-württembergische Finanzminister Gerhard Stratthaus an. Stratthaus sieht allerdings keinen Anlass, sein Amt als Mitglied des Leitungsausschusses niederzulegen: "Mein Vertrag läuft bis Ende des Jahres, und ich sehe momentan keinen Grund, ihn nicht zu erfüllen", sagte er laut den "Stuttgarter Nachrichten".
Merl und Bentele sollen große Probleme gehabt haben, sich gegen die Statthalter der Bundesregierung durchzusetzen. In Merls Umfeld hieß es, der massive Einfluss der Politik bei Beschlüssen des Soffin habe ihn frustriert. "Er hat sich den Job anders vorgestellt", sagte ein Vertrauter.
Aber auch auf anderer Ebene hatte es Schwierigkeiten gegeben: Bereits zum Amtsantritt soll sich Merl darüber geärgert haben, dass ihm die Einstellung einer ihm bekannten Sekretärin zu einem Jahresgehalt von 100.000 Euro verweigert wurde. Das erfuhr SPIEGEL ONLINE aus Regierungskreisen. Außerdem sollen sowohl Merl als auch Bentele den Arbeitsaufwand ihrer Ämter unterschätzt haben. Sie hätten mit einer Art Senioren- oder Feierabendeinsatz gerechnet und hätten nicht mit so viel Stress und Belastung gerechnet, hieß es in Berlin weiter. Als Indiz für einen möglichen Rücktritt sprach auch, dass Merl bis zuletzt seinen Vertrag nicht unterschrieben hatte.
Der Soffin war innerhalb weniger Tage eingerichtet worden. Die Konstruktion des Rettungsfonds, der starke politische Einfluss Berlins und ungeklärte Machtverhältnisse sorgten immer wieder für Ärger. Ursprünglich war geplant gewesen, den Fonds direkt bei der Bundesbank anzusiedeln. Dies hatte Bundesbankpräsident Axel Weber allerdings abgelehnt, weil er die Unabhängigkeit der Notenbank in Gefahr sah.
Experten fürchten um Funktionsfähigkeit der Soffin
Der gebürtige Oberpfälzer Merl war erst kurz vor seinem Amtsantritt vom Vorstandsvorsitz der in der Finanzkrise glänzend dastehenden Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) zurückgetreten - zermürbt von Scharmützeln mit dem wichtigsten Eigentümer, dem hessischen Sparkassenverband -, als ihn der Ruf von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) ereilte, das operative Geschäft des "Sonderfonds Finanzmarktstabilität" zu leiten.
Unter Experten wachsen angesichts der Personalie die Zweifel an der Funktionsfähigkeit des Soffin. "Der Mangel an personeller Kontinuität gerade in der Startphase ist ärgerlich, zumal sich ein möglicher Nachfolger erst einarbeiten muss", sagte Martin Faust, Bankenexperte an der Frankfurt School of Finance and Management. Verzögerungen könne sich die Behörde aber mit Blick auf die schwere Krise der Finanzbranche kaum leisten, sagte Faust weiter.
Auch Faust sieht in dem Merl-Rücktritt Hinweise auf Konstruktionsfehler beim Bankenrettungsfonds. "Es gibt offenbar hohen Abstimmungsbedarf zwischen den Soffin-Verantwortlichen und der Politik. Das kostet Zeit und Kraft", so Faust. Es stelle sich die Frage, ob man bei der Konstruktion des Fonds noch einmal nachbessern müsse und den Verantwortlichen dort mehr Handlungsfreiheit gebe.
Dirk Schiereck, Bankenexperte an der TU Darmstadt warnte ebenfalls vor möglichen Negativfolgen für die Bankenrettung in Deutschland: "Die Lage ist weiter schwierig. Was wir jetzt dringend bräuchten, ist eine schlagkräftige Behörde." Er rechnet damit, dass Entscheidungen jetzt länger dauern oder stärker durch die Politik beeinflusst werden. "Beide Varianten sind nicht hilfreich für die Restrukturierung des Finanzsektors", sagte Schiereck.
Tatsächlich kommt der Rücktritt von Merl zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt - denn der Soffin steht vor großen Herausforderungen: Die Rettung des angeschlagenen Immobilienfinanzierers Hypo Real Estate (HRE) beispielsweise ist noch längst nicht abgeschlossen. Zwar erhielt das Münchner Institut am Dienstag weitere Garantien in Höhe von zwölf Milliarden Euro vom Staat. Die Gespräche mit dem Soffin über die Gewährung längerfristiger und umfassender Maßnahmen seien jedoch noch nicht abgeschlossen, teilte die HRE gleichzeitig mit.
Weitere Banken mit Kapitalengpässen
Insgesamt hat die Finanzkrise die deutsche Bankenbranche weiter fest im Griff. Vielen Geldkonzernen drohen weitere Verluste in Milliardenhöhe. Nach SPIEGEL-Informationen haben die Institute erst einen Bruchteil ihrer faulen Wertpapiere rund um amerikanische Hypothekendarlehen und Studentenkredite abgeschrieben. Das ergab eine Umfrage von Bundesbank und Bankenaufsichtsbehörde Bafin unter 20 großen Kreditinstituten, die für das Bundesfinanzministerium erstellt wurde. Befragt wurden alle Großbanken und Landesbanken.
Danach besitzen diese Institute "toxische Wertpapiere" im Volumen von knapp unter 300 Milliarden Euro, von denen erst rund ein Viertel abgeschrieben wurde. Der Rest steht noch immer zu mittlerweile illusorischen Werten in den Büchern. Das Finanzministerium selbst geht davon aus, dass der gesamte deutsche Bankensektor Risikopapiere mit einer Summe von bis zu einer Billion Euro in den Büchern führt.