Rücktritt von Jürgen Stark EZB verliert ihren Chefvolkswirt

Jürgen Stark: Zweiter Abgang eines hochrangigen EZB-Geldpolitikers in diesem Jahr
Foto: Alex Hofford/ dpaFrankfurt am Main - Jürgen Stark ist einer der schärfsten Kritiker der derzeitigen Politik der Europäischen Zentralbank - nun schmeißt er seinen Posten als Chefvolkswirt der Notenbank hin. Die EZB teilte mit, Stark trete aus persönlichen Gründen zurück. Er werde im Amt bleiben, bis die Nachfolge geklärt sei. Dies solle bis Ende des Jahres der Fall sein.
Insidern zufolge gilt Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen als möglicher Kandidat. Auf jeden Fall solle der Posten erneut mit einem Deutschen besetzt werden, hieß es. Die Verhandlungen liefen noch.
EZB-Präsident Jean-Claude Trichet dankte Stark den Angaben zufolge "von ganzem Herzen für seinen jahrelangen herausragenden Beitrag für die europäische Einheit". Seit 2006 war Stark Chefvolkswirt der EZB. Zuvor hatte er zwischen 1995 und 1998 als Staatssekretär im Finanzministerium am EU-Stabilitätspakt mitgearbeitet. Anschließend war Stark in den Vorstand der Deutschen Bundesbank gewechselt.
Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge soll der Grund für Starks Abgang ein Zerwürfnis wegen der umstrittenen Staatsanleihenkäufe der Zentralbank sein. Stark gehört zu den heftigsten Kritikern der Käufe, mit denen die EZB seit Mai 2010 Problemländer wie Griechenland stützt. Stark ist der zweite deutsche Notenbanker, der deshalb geht. Bereits im Februar hatte der damalige Bundesbank-Chef Axel Weber seinen Posten deshalb aufgegeben.
Dax rutscht fast vier Prozent ins Minus
Finanzexperten reagierten enttäuscht auf die Nachricht. "Wieder fällt in der EZB ein Kontraindikator weg", sagte Matthias Gloystein von der Bremer Landesbank. "Im Moment wird das am Markt so interpretiert, dass der Rücktritt die EZB schwächt."
Auch Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel warnt vor den Konsequenzen des Rücktritts: "Wenn die Vermutung stimmt, dass Stark wegen seiner kritischen Haltung zum Ankaufprogramm von Staatsanleihen zurückgetreten ist, zeigt das vor allem eines: Die geldpolitischen Puristen können sich im EZB-Rat offensichtlich nicht mehr durchsetzen."
Der Euro fiel nach der Meldung auf ein neues Sechsmonatstief, zeitweise rutschte er um einen Cent auf 1,3726 Dollar ab. Auch der deutsche Leitindex Dax verlor massiv: Er fiel zeitweise um mehr als 3,8 Prozent auf 5203 Punkte.
Bei den Unternehmen verbuchten die Finanzwerte, die besonders sensibel auf alle Nachrichten rund um die Schuldenkrise reagieren, die größten Kursverluste. Dazu trug auch eine Studie von Goldman Sachs bei: Die Analysten senkten die Kursziele mehrerer Institute wie der Société Générale und betonten, sollte es bei griechischen Anleihen zu einem "Haircut", also einer Umschuldung kommen, seien Kapitalerhöhungen notwendig.
Der europäische Bankenindex rutschte um 3,7 Prozent ab. Acht der zehn größten Verlierer im EuroStoxx 50 kamen aus der Finanzbranche. Schlusslicht bildete hier die Société Générale mit einem Minus von 9,3 Prozent auf 17,77 Euro. Die Aktie der Deutschen Bank verlor 3,5 Prozent auf 23,53 Euro, die Commerzbank büßte 6,9 Prozent auf 1,70 Euro ein.