Russisches Öl-Joint-Venture Schmutzige Scheidung auf Russisch
Moskau - Robert Dudley hatte in den vergangenen Wochen viel Besuch. Es waren unliebsame Gäste, die sich weder von Sekretärinnen abwimmeln noch vom bewaffneten Sicherheitsdienst beeindrucken ließen. Mal stürmten Steuerfahnder seine Büros am Neuen Arbat in Moskau, mal erschienen Mitarbeiter der Arbeitsaufsicht zur Inspektion. Einmal wütete gar der Geheimdienst FSB bei einer Hausdurchsuchung. Gleichzeitig musste der Manager mit den Behörden um Visa und Arbeitserlaubnis für sich und mehr als hundert ausländische Mitarbeiter kämpfen.
Schließlich war das Maß voll. Der Amerikaner Robert "Bob" Dudley, Chef des britisch-russischen Öl-Joint-Ventures TNK-BP, flüchtete Mitte vergangener Woche vor den Schikanen der russischen Behörden nach London. Die Geschäfte des drittgrößten russischen Ölförderers will der 52-Jährige von dort aus führen.
Mit dem Abgang Dudleys gipfelt ein seit Wochen tobender Konflikt um die Vorherrschaft bei TNK-BP. Die russischen Aktionäre klagen den Geschäftsführer an, einseitig die BP-Interessen vertreten zu haben und fordern seine Absetzung. Die Briten klagen in London gegen die Störmanöver der Russen. Experten rechnen mit einem jahrelangen Rechtsstreit. Wie auch immer er ausgehen mag: Die britisch-russische Öl-Ehe steht vor ihrer Scheidung.
Weitsichtigen Beobachtern war das von Anfang an klar. In der Branche gilt die Partnerschaft als Notlösung. Mit seiner Gründung im August 2003 wurde ein Schlussstrich unter den Kampf um Ölressourcen gezogen, den BP mit russischen Ölmagnaten in den neunziger Jahren austrug. Der BP-Konzern hält seither die Hälfte der Anteile, die andere Hälfte kontrolliert das russische Konsortium AAR. Dahinter stehen die Oligarchen Michail Fridman und German Khan (Alfa-Gruppe), Leonid Blawatnik (Access Industries) und Wiktor Wekselberg (Renova). Die britischen Anteilseigner verantworten das operative Geschäft, das Präsident Robert Dudley anleitet.
Den Konflikt entschärft hat die Teilhaberschaft indes nicht. So wollen die Russen, allen voran der polternde Milliardär Michail Fridman, mit TNK-BP jenseits des Stammmarktes aktiv werden. Das Unternehmen soll sich um ein Ölfeld im Iran bewerben. Doch Dudley habe die Teilnahme an der Ausschreibung blockiert, heißt es. "Irgendwann ist Fridman einfach der Kragen geplatzt", sagt ein Beobachter.
Dudleys Absetzung ging in der Vergangenheit allerdings schief, da BP auch den Aufsichtsrat kontrolliert. Und plötzlich wurde es ruppig. Hausdurchsuchungen, Steuerprüfungen, Visa-Verweigerung die Schikanen der Behörden, über die sich der Geschäftsmann beschwert, werfen ein Schlaglicht auf die Rechtssicherheit in Russland. Schnell lässt sich der Staat einschalten, wenn Konflikte in "strategischen Sektoren" wie der Ölindustrie auftauchen. Die britische Botschaft in Moskau forderte entsprechend, der Staat möge für die Beilegung des Konflikts unter Einhaltung der gültigen Gesetze sorgen.
Poker um Anteile
Die russische Regierung dementiert freilich jegliche Einflussnahme. "Diesen internen Streit müssen die Aktionäre selbst beilegen", sagte Arkadi Dworkowitsch, Berater von Präsident Dmitri Medwedew, am gestrigen Montag in Moskau. Der Kreml sehe derzeit keine politischen Risiken für TNK-BP in Russland. Vorwürfe von Kritikern, die britischen Aktionäre würden in Russland diskriminiert, wies Dworkowitsch zurück. Die Einwanderungsbehörde handele strikt nach dem Gesetz und werde ihre Beschlüsse offen fassen, sagte der Berater nach Angaben der Agentur Interfax.
Ilja Ratschkow, Moskauer Partner der deutschen Kanzlei Nörr, Stiefenhofer, Lutz, hatte denn auch stets seine Zweifel, ob die Kooperaton gut geht: "Am Anfang gibt es Flitterwochen und die Ehe läuft einige Zeit lang gut. Aber irgendwann scheitern die meisten 50-50-Joint-Venture. Das ist weltweit der Fall, in Russland vielleicht sogar etwas häufiger."
Bleibt die Frage, wie das Gerangel endet. Analysten rechnen damit, dass die Oligarchen-Combo den Ölförderer komplett übernehmen will. Rechtsanwalt Ratschkow erwartet dagegen ein mehrjähriges Gerichtsverfahren, das mit einem Buy-Out endet und zwar an die Briten. Für viel Geld könnten sie die russischen Anteilseigner ausbezahlen.
Ein Branchenkenner glaubt den eigentlichen Sinn hinter den permanenten Attacken gegen den BP-Manager entsprechend erkannt zu haben: "Es geht hier nicht nur um ihn. Die russischen Aktionäre versuchen, den Preis für ihre Anteile hoch zu treiben." Das wird Dudley trotzdem nicht beruhigen.