
Kampf um Russlands Energiekonzerne Oligarch unter Hausarrest
- • Geldwäsche-Vorwurf: Russland klagt Milliardär Jewtuschenkow an
- • Joint Venture mit BP: Rosneft zahlt 28 Milliarden Dollar für TNK-BP-Anteil
Der Oligarch Wladimir Jewtuschenkow besitzt ein Anwesen vor den Toren Moskaus. Die noble Bleibe ist momentan jedoch ein Gefängnis: Die Behörden haben den Milliardär unter Hausarrest gestellt. Die Anklage lautet auf Geldwäsche und Unterschlagung in Milliardenhöhe.
Jewtuschenkow darf sein Haus nicht verlassen, auch im Garten zu spazieren, ist untersagt. Er darf nicht telefonieren, keine E-Mails schreiben, nicht im Internet surfen. Und: Jewtuschenkow, dessen Vermögen auf knapp sieben Milliarden Dollar taxiert wird, trägt eine elektronische Fußfessel.
Russlands Ermittlungskomitee hat ein Verfahren gegen ihn eingeleitet. Die Nachricht ließ den Kurs seiner Holding AFK Sistema an der Moskauer Börse um 18 Prozent einbrechen. Russische Medien vermuten hinter dem Vorgehen der Behörden den Versuch einer feindlichen Übernahme. Der Angreifer soll der staatliche Ölkonzern Rosneft sein, die Rede ist bereits von einem "zweiten Fall Chodorkowski".
Der Ölmagnat Michail Chodorkowski hatte sich zwischen 2002 und 2003 mit dem Kreml angelegt. Er wurde zu langjährigen Haftstrafen verurteilt, Beobachter stuften den Prozess als politisch motiviert ein. Sein Ölkonzern Jukos wurde zerschlagen. Die Filetstücke landeten bei Rosneft.
Auf den ersten Blick verbindet die beiden Männer wenig. Jewtuschenkow, 65, ist ein Anti-Chodorkowski. Der Jukos-Chef kritisierte den Kreml öffentlich und finanzierte die Opposition, Jewtuschenkow gab sich dagegen immer still und meistens loyal. Chodorkowski ist mit 51 Jahren deutlich jünger. Als die Sowjetunion zusammenbrach, war er gerade Ende 20 und nutzte seine guten Drähte im sowjetischen Jugendapparat, dem Komsomol, aus.
Jewtuschenkow dagegen war bereits Anfang 40. Sein Aufstieg ist eng verbunden mit Moskaus langjährigem Bürgermeister, Jurij Luschkow. Als Luschkow 1990 gewählt wurde, machte er seinen Vertrauten Jewtuschenkow zum Vorsitzenden des städtischen "Komitees für Wissenschaft und Technologien".
"Moskauer Konsortium"
Das passte gut zu Jewtuschenkows Geschäftsinteressen: In den Neunzigerjahren übernahm er Telefonbetreiber und baute den größten Telekommunikationskonzern in Russland auf. In der russischen Hauptstadt nannte man das Geflecht aus Geschäften und Seilschaften rund um Bürgermeister Luschkow auch "Moskauer Konsortium" und "Monopol ohne Namen".
In Deutschland sorgte Jewtuschenkow 2005 für Aufsehen, als er bei der Telekom einsteigen wollte. Damals warnte der Nachrichtendienst BND vor der "Gefahr, dass Unbefugte in die Telekommunikation zwischen Behörden, Wirtschaftsunternehmen und Privatpersonen eindringen". Das Geschäft scheiterte.
Jewtuschenkows verhielt sich dem Kreml gegenüber weitgehend loyal. Vor ein paar Jahren durfte er vor laufenden TV-Kameras Wladimir Putin ein "russisches Smartphone" überreichen, das seine Mitarbeiter entwickelt hatten. Zum engsten Machtzirkel um Putin gehörte er aber nicht. Sein Telekom-Geschäft hätte der Milliardär womöglich weiter unbehelligt betreiben können, wäre er nicht vor einigen Jahren in eine Branche eingestiegen, die im Kreml Chefsache ist: das Rohstoffgeschäft.
In der Anklageschrift ist die Rede von Unregelmäßigkeiten bei Jewtuschenkows Übernahme der Ölfirma Baschneft im Jahr 2009. Die wickelte damals der Sohn des damaligen Präsidenten der russischen Teilrepublik Baschkortostan ab. Der Deal wirkte zwielichtig, wurde aber vom Kreml durchgewunken.
Nun heißt es, der Staat sei um 214 Milliarden Rubel geschädigt worden, nach heutigem Kurs rund 4,4 Milliarden Euro. Im Falle einer Verurteilung droht Jewtuschenkow eine langjährige Haftstrafe. Russlands Unternehmerverband kritisierte den Hausarrest als überflüssig, der Fall schade dem Geschäftsklima.
Bislang wollte Jewtuschenkow nicht verkaufen
Bereits im Juli wurde Jewtuschenkow von Ermittlern verhört. Der Milliardär sprach daraufhin von einer "gewöhnlichen Raider-Attacke". So nennt man in Russland feindliche Übernahmen, bei denen sich Angreifer korrupter Behörden bedienen. Am Dienstag wurde Jewtuschenkos Zentrale in der Moskauer Innenstadt durchsucht. Am Abend führten Beamte des Geheimdienstes FSB den Oligarchen einem Richter vor.
Es soll der staatliche Rosneft-Konzern sein, der ein Auge auf Baschneft geworfen hat. Versuche, Jewtuschenkow zu einem Verkauf zu bewegen, sollen bislang nicht gefruchtet haben. Rosneft-Chef Igor Setschin ist ein langjähriger Vertrauter Putins. Setschin soll auch bei der Zerschlagung von Jukos 2003 die Strippen gezogen haben, er selbst bestreitet das vehement.
Eine Übernahme von Jewtuschenkows Baschneft entspräche der Kreml-Strategie. Seit Putins Amtsantritt müht sich die Regierung, alle Öl- und Gasgeschäfte unter staatlicher Kontrolle zu bündeln. 2012 übernahm Rosneft etwa das russisch-britische Joint Venture TNK-BP.
Baschneft wollte noch im Herbst in London an die Börse und Geld von internationalen Investoren einsammeln. Daraus wird nun wohl nichts werden. Jewtuschenkow hat den Kreml nicht öffentlich herausgefordert, womöglich bleibt ihm deshalb eine lange Haftstrafe wie Chodorkowski erspart. Immer vorausgesetzt, er trennt sich doch noch von seinem Ölgeschäft. Dass der Kreml am längeren Hebel sitzt, war Jewtuschenkow jedenfalls stets bewusst.
Wenige Monate vor der Übernahme von Baschneft 2009 gab der Oligarch dem SPIEGEL ein Interview. In Russland habe man ein Sprichwort, sagte er damals: "Gott hat es gegeben, Gott hat es genommen."
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Russlands Präsident Wladmir Putin mit Wladimir Jewtuschenkow (r.) im Oktober 2006 bei einer Fabrikbesichtigung: Der Milliardär Jewtuschenkow wurde unter Hausarrest gestellt. Die Behörden werfen ihm Geldwäsche und Unterschlagung vor.
Doch während der frühere Jukos-Chef und später verurteilte Chodorkowski den Kreml öffentlich kritisiert und die Opposition finanziert hatte, gab sich Jewtuschenkow dagegen immer still und meistens loyal. Auf dieser Aufnahme aus dem Jahr 2010 durfte Jewtuschenkow, der auch einen Telekommunikationskonzern aufgebaut hatte, ein "russisches Smartphone" überreichen, das seine Mitarbeiter entwickelt hatten.
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