Rubelstreit Russland stoppt Gaslieferungen an die Niederlande

Der Kreml eskaliert den Rubelstreit: Weil sich die Holländer weigern, in russischer Währung zu zahlen, bekommen sie kein Gas mehr. Als Nächstes könnte der Bann Dänemark treffen.
Empfangsstation der Pipeline Nord Stream 1 in Lubmin. Ein Teil des Gases, das durch diese Leitung kam, war für die Niederlande bestimmt – bislang

Empfangsstation der Pipeline Nord Stream 1 in Lubmin. Ein Teil des Gases, das durch diese Leitung kam, war für die Niederlande bestimmt – bislang

Foto: Stefan Sauer / dpa

Der Kreml eskaliert den Streit über die von Wladimir Putin geforderten Rubelzahlungen für Erdgas.

Offenbar stoppt der Staatsmonopolist Gazprom von Dienstag an sämtliche Lieferungen an den niederländischen Importeur GasTerra. Dies teilten die Niederländer am Montagnachmittag auf ihrer Homepage mit.

»GasTerra bekommt in der Periode vom 31. Mai bis einschließlich zum 30. September nicht zwei Milliarden Kubikmeter Erdgas durch Gasprom geliefert«, schrieb GasTerra. Das Unternehmen weigert sich, in Rubel zu zahlen.

Auch der dänische Versorger Orsted warnte am Montag öffentlich vor einem möglicherweise bevorstehenden Ausfall der Lieferungen durch Gazprom. Am 31. Mai laufe die Zahlungsfrist aus, schrieb Orsted. Und man sei nur bereit, in Euro zu bezahlen.

Überschaubare Mengen

Damit wächst die Zahl der EU-Länder weiter, die von Gazprom nicht mehr beliefert werden. Angefangen hatte es mit Polen und Bulgarien, dann kam Finnland hinzu. In allen Fällen sind die Liefermengen jedoch vergleichsweise überschaubar; zudem wollten manche Abnehmer ohnehin demnächst kein russisches Gas mehr beziehen.

So ist es auch bei GasTerra. Der Vertrag mit Gazprom sollte im Herbst enden. Die niederländische Regierung hatte erklärt, man wolle spätestens zum Jahreswechsel kein Gas aus Russland mehr beziehen – und Rubelzahlungen kategorisch ausgeschlossen.

Die zwei Milliarden Kubikmeter, die Gazprom nun nicht liefert, entsprechen etwa einem Siebtel des gesamten niederländischen Bedarfs im Sommerhalbjahr. Zum Vergleich: Deutschland benötigt per annum um die 90 Milliarden Kubikmeter.

»Der Lieferstopp an GasTerra kam nicht überraschend«, sagte Tom Marzec-Manser, Chef-Gasstratege des Londoner Analysehauses ICIS, dem SPIEGEL. Ein Engpass in den Niederlanden sei vorerst nicht zu erwarten. »GasTerra kann das Gas von anderen Lieferanten einkaufen. Der Markt wird es absorbieren.«

Dies würde auch für Orsted gelten. Der dänische Konzern importiert im gesamten Jahr weniger als zwei Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland.

Entsprechend gelassen reagierten zunächst die Energiebörsen. Am europäischen Erdgas-Referenzmarkt TTF verteuerte sich der Juni-Terminkontrakte nach der GasTerra-Bekanntgabe um etwa vier Prozent, fiel dann aber wieder.

»Es wird nicht einfach, die Speicher vollzubekommen.«

Dennoch könnten die verringerten russischen Lieferungen mittelfristig zum Problem werden: weil sie den Europäern erschweren, ihre Speicher wie geplant bis zum Herbst vollzubekommen.

»Langsam wird der Markt verknappt«, sagte Hanns Koenig, Gasexperte beim Beratungshaus Aurora Energy Research, dem SPIEGEL. »Es wird nicht einfach, die Speicher vollzubekommen.«

Die Niederlande gehörten selbst jahrzehntelang zu den führenden europäischen Erdgasproduzenten, sie haben aber die Ausbeutung ihres Hauptgasvorkommens bei Groningen wegen Erdbebengefahr in den vergangenen Jahren drastisch heruntergefahren. Dennoch sind sie längst nicht so abhängig von russischen Einfuhren wie etwa Deutschland.

Immerhin seien die Reservoirs für diese Jahreszeit mittlerweile ordentlich gefüllt: EU-weit zu knapp 46 Prozent, in Deutschland sind es 48 Prozent. Und seit Wochen bekommt Europa per Schiff große Mengen Flüssigerdgas (LNG) geliefert.

Die beiden wichtigsten Gazprom-Kunden in Europa sind der deutsche Uniper-Konzern und die italienische Eni. Anders als bei GasTerra und Orsted könne der europäische Gasmarkt ausgefallene Lieferungen für diese beiden Kunden nicht kompensieren; sagte Marzec-Manser. Dazu sind die Mengen zu groß.

Uniper hatte zuletzt erklärt, man habe ein Modell gefunden, das im Einklang mit dem von Russland geforderten neuen Zahlungsmechanismus stehe und nicht gegen die Sanktionsbestimmungen verstoße. Eni will sogar in Rubel zahlen.

Ob der Kreml dies akzeptiert, wird sich voraussichtlich in den kommenden Tagen zeigen, wenn Zahlungen fällig werden.

Energieexperten halten einen Lieferstopp nach wie vor für unwahrscheinlich. Schließlich kann Russland das Gas aus den westsibirischen Feldern allenfalls zu einem Bruchteil an Abnehmer in anderen Weltregionen verkaufen. Es mangelt an entsprechenden Pipelines und LNG-Kapazitäten.

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