Versorgung Westeuropas
Russland und Ukraine unterzeichnen Gastransitvertrag
Das erste Abkommen zwischen Kiew und Moskau nach mehr als fünf Jahren Konfrontation: Der russische Staatskonzern Gazprom und der ukrainische Energieversorger Naftogaz einigen sich im Gasstreit.
Gaspipeline durch die Ukraine nach Westeuropa (Archivfoto)
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Russland und die Ukraine haben einen wegweisenden Vertrag für den Gastransit zur Versorgung Europas unterzeichnet. Der russische Staatskonzern Gazprom und der ukrainische Energieversorger Naftogaz unterschrieben nach tagelangen Verhandlungen am Montagabend die Vereinbarung. Das teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei Facebook mit. Auch Gazprom-Chef Alexej Miller bestätigte die Unterzeichnung, wie mehrere russische Nachrichtenagenturen übereinstimmend meldeten.
Es ist das erste Abkommen zwischen Kiew und Moskau nach mehr als fünf Jahren totaler Konfrontation im Ukrainekonflikt. Der Transitvertrag für die sichere Versorgung Europas, vor allem Deutschlands, gilt für fünf Jahre. Er wurde praktisch im letzten Moment unterzeichnet, weil der aktuelle Zehn-Jahres-Vertrag an diesem Dienstag ausläuft.
Der russische Regierungschef Dmitri Medwedew hat das Abkommen als für beide Seiten angemessen bezeichnet. "Es war ein Kompromiss, der gefunden werden musste", schrieb er am Dienstag im sozialen Netzwerk Vkontakte.
Russische Medien hatten zuletzt kritisiert, dass Russland in dem neuen Vertragswerk der Ukraine zu viele Zugeständnisse mache. So überwies Gazprom eine Summe von 2,9 Milliarden US-Dollar (2,61 Milliarden Euro) an Naftogaz. Die Ukraine begrüßte das. Das Geld gibt dem chronisch klammen Land wieder mehr sozialpolitischen Spielraum. Mit dem Milliardenbetrag sollen Forderungen aus mehreren Rechtsstreitigkeiten beigelegt werden. Die Ukraine verzichtet nach russischen Angaben im Gegenzug auf Forderungen gegen Russland in zweistelliger Milliardenhöhe.
Einigung im Gasstreit: Russlands Energieminister Novak (M.) und sein ukrainischer Kollege Orzhel auf einer Pressekonferenz in Berlin (Archivfoto)
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Russland und die Ukraine hatten bereits am 19. Dezember die Einigung unter Vermittlung der EU und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) verkündet. Die Transitmengen fallen künftig deutlich geringer aus als in der Vergangenheit.
Transitmenge geringer wegen Nord Stream 2
Die Ukraine hätte gern eine möglichst große Transitmenge gehabt, weil das für das finanzschwache Land mehr Einnahmen aus den Durchleitungsgebühren bedeutet hätte. Statt der bisher rund 90 Milliarden Kubikmeter im Jahr, sollen 2020 nur 65 Milliarden russisches Gas durch die Ukraine nach Europa gepumpt werden. Von 2021 bis 2024 seien 40 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr für den Transit geplant. Russland will künftig die im Moment durch US-Sanktionen lahmgelegte Ostseepipeline Nord Stream 2 für direkte Lieferungen nach Deutschland nutzen. Deshalb ist die Transitmenge durch die Ukraine künftig geringer.
US-Sanktionen hatten das Nord-Stream-Projekt gestoppt, weil die Schweizer Firma Allseas aus Angst vor Strafen ihre Spezialschiffe abzog. Um die Röhren am Boden der Ostsee zu verlegen, sind solche Schiffe nötig. Russland hat aber inzwischen erklärt, es habe eigene Schiffe, um den Bau von Nord Stream 2 zu beenden. Von der Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland fehlen nach Angaben des Baukonsortiums noch 160 Kilometer.
Die USA begründen ihr Vorgehen gegen Nord Stream 2 mit einem Schutz der Energiesicherheit in Europa. Sie warnen vor einer zu großen Abhängigkeit von russischem Gas. Neben der Ukraine sind auch mehrere EU-Staaten gegen die Pipeline. Die USA wiederum stehen in der Kritik, sie wollten ihr eigenes, teuer produziertes Flüssiggas in Europa verkaufen.