Geplante Sanierungspflicht Für viele Hauseigentümer wird es teuer

Wer ein schlecht gedämmtes Haus besitzt, wird dies in den nächsten Jahren möglicherweise modernisieren müssen: Die EU-Kommission will Eigentümer zur Sanierung von Altbauten verpflichten. Dabei fehlen schon jetzt die Handwerker.
Wärmebild eines ungedämmten Hauses

Wärmebild eines ungedämmten Hauses

Foto: Marius Schwarz / imago/Marius Schwarz

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Bis 2050 sollen sämtliche Gebäude in der EU klimaneutral sein. Das ist das Ziel, welches die Kommission in ihrem »Fit for 55«-Paket vorgegeben hat. Mit der neuen Gebäuderichtlinie, deren Entwurf sie an diesem Mittwoch in Brüssel vorgelegt hat, konkretisiert sie, wie die Modernisierungswelle in Schwung kommen soll. Die Devise lautet »Worst First«: Die schlechtesten Gebäude sollen als erste modernisiert werden.

Die EU-Kommission will dazu die Mitgliedsländer verpflichten, »Minimum Energy Performance Standards« durchzusetzen, MEPS genannt: Mindeststandards für Gebäudeeigentümer. Solche Effizienzklassen existieren bereits in Großbritannien oder in den Niederlanden.

Brüssel schlägt vor, das Prinzip europaweit durchzusetzen. Nicht nur, um die Klimaziele zu erreichen. Sondern auch, »um etwas gegen die Energiearmut in Europa« zu tun, wie Kommissionsvize Frans Timmermans sagt: Vor allem Geringverdiener seien belastet, weil »noch immer viel zu viel Geld buchstäblich aus dem Fenster geblasen wird«.

Objekte, die heute zur schlechtesten Kategorie G gehören, sollen demnach so saniert werden, dass sie mindestens die Klasse F erreichen. Private Eigentümer sollen verpflichtet werden, bis 2030 ihre Häuser zu modernisieren, öffentliche Gebäude sollen schon bis 2027 renoviert werden. Von der neuen Richtlinie sind knapp 15 Prozent der insgesamt rund 220 Millionen Wohnungen in der EU betroffen, also etwa 35 Millionen.

Der Gebäudesektor ist neben der Energiewirtschaft, der Industrie und dem Verkehr ein Bereich, der dem Klima am meisten schadet. Für Heizen und Warmwasserversorgung wird Energie benötigt, die bisher noch überwiegend aus fossilen Brennstoffen erzeugt wird. Mehr als ein Drittel aller Treibhausgasemissionen in Europa gehen auf das Konto von Immobilien.

Die Hälfte aller Heizungen verbrennt Erdgas

Wie viele Eigentümer in Deutschland durch die neuen Vorgaben aufgefordert sind, ihre Häuser instand zu setzen, lässt sich nicht präzise abschätzen, die Staaten Europas wenden ganz unterschiedliche Systematiken zur Klassifizierung an. Die EU unterteilt Immobilien in sieben Effizienzklassen, von A bis G. In Deutschland dagegen reicht das Spektrum von A+ bis H. Als Erstes gilt es also für die Mitgliedstaaten, das System zu harmonisieren.

In Deutschland jedenfalls, so schätzen Fachleute, wären deutlich mehr Gebäude betroffen als etwa in den Niederlanden, auch weil hierzulande noch immer in erster Linie fossile Energie eingesetzt wird. Fast die Hälfte aller Heizungen wird mit Erdgas betrieben, in knapp einem Drittel der Anlagen wird sogar noch Öl verbrannt.

Ende des Traums von eigenen vier Wänden?

Der Eigentümerverband Haus & Grund übt scharfe Kritik an der geplanten Richtlinie, für Millionen Gebäude in Europa bedeute sie das Aus. In Deutschland sind es nach Schätzung des Verbands etwa drei Millionen Häuser, die in zwei Stufen ab 2030 und 2033 nicht mehr genutzt werden dürften. »Für viele Gebäude der Energieklassen F und G wird eine Sanierung keine Option sein«, sagt Haus-&-Grund-Präsident Kai Warnecke. »Für viele private Eigentümer beendet die EU damit den Traum von den eigenen vier Wänden.«

In Deutschland gehört fast ein Drittel der Wohnhäuser den schlechtesten Effizienzklassen G oder H an. Ein Gebäude der Klasse H benötigt achtmal mehr Energie als eines der Klasse A+.

Dabei hat die Brüsseler Kommission ihre ursprünglichen Ziele bereits deutlich reduziert. Eigentlich wollte sie, dass ab 2027 nur noch Häuser oder Wohnungen verkauft werden dürfen, die mindestens die Effizienzklasse E erreichen. Dieses Ziel hat sie fallen gelassen, nachdem es zu viel Kritik aus den Mitgliedstaaten gab.

Ein Vierteljahr für einen Termin beim Handwerker

Eine der größten Herausforderungen zur Umsetzung der Richtlinie wird nun die Verfügbarkeit von Fachkräften sein. Überall fehlt es an Handwerkern, die in der Lage sind, die Sanierungsarbeiten vorzunehmen.

Es mangelt an Schreinern, Elektrikern oder an Anlagenmechanikern, die eine Wärmepumpe installieren können. Heute schon dauert es oft ein Vierteljahr, um einen Handwerkertermin zu bekommen. Der Wohnungsriese Vonovia wirbt neuerdings sogar in Kolumbien Fachkräfte an, um den Engpässen zu begegnen.

Zudem fehlt es in fast allen Gewerken an Nachwuchs. Die Betriebe haben Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Und es herrscht auch noch Materialmangel. Es gibt zu wenig von fast allem: Dämmplatten, Baustoffen, Maschinenteilen. Und wenn man das Glück hat, die Ware zu bekommen, dann oft nur noch zu viel höheren Preisen.

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