Zur Ausgabe
Artikel 30 / 58

WEIZEN »Saumäßigste Qualität«

aus DER SPIEGEL 15/1950

Von diesem Weizengeschäft habe ich mehr Kummer als Freude gehabt«, sagt Helmut Porr, Deutschlandvertreter der südamerikanischen Compania continentale de granos. Auf seine Initiative hat die Bundesrepublik 160000 Tonnen argentinischen Weizen von der Continentalen gekauft. Und dieser Weizen stinkt zum Himmel.

Das Geschäft wurde im November 1949 angebahnt. Dr. Wolfgang Dix Chef der Frankfurter Außenhandelsstelle für Futtermittel und Getreide, hatte sich aus dem Offertenberg für Auslandsweizen Helmut Porrs Angebot herausgesucht. Dessen Compania in Buenos Aires wollte 85S Dollar je Tonne haben. Das war billig, einige Dollar unter Weltmarktpreis.

»Die billigste Offerte kommt zum Zuge«, befürwortete Dix. »Und damit die saumäßigste Qualität«, gifteten Porrs Konkurrenten.

Daß in der Porr-Offerte von »leichtem Käferfraß« die Rede war, hatte Dr. Dix nicht weiter gestört. »Der Bundesstaat kann es sich nicht leisten, erstklassige Getreidesorten zu hohen Preisen einzuführen«, erklärte er mit Seitenblick auf den schlaffen Bonner Subventionsbeutel. Bei einem Weizenpreis von 90 Dollar kostet in der Umrechnung (1 USA-Dollar = 4,20 DM) die Tonne 378 DM. Um das Brot billig zu halten, liegt der preisbehördlich festgelegte Inlandpreis bei 280 DM. Die Differenz zahlt die Staatskasse.

Darum achtete Wolfgang Dix bei den Angeboten auf jeden Dollar-Cent Porr erhielt die Zusage. 42 deutsche, behördlich in das Argentinien-Geschäft eingeschaltete Getreide-Importeure rieben sich die Hände: »Bei Garantie des Weizenabsatzes durch die Behörden wird das ein glattes Geschäft.«

Dix, Porr und die Importeure hatten Pech. Die Rechnung war ohne die Müller gemacht. Im November 1949 rissen die Mühlen den Importeuren noch das knappe Mehl aus den Händen. Nicht mehr im Januar, als der erste Porr-Dampfer kam. Inlandweizen wurde reichlich angeboten.

Die Lager der Müller waren voll. Sie schraubten ihre Qualitätsansprüche hoch. »Bis zu 30 Prozent sind die Körner von Käfern angefressen. Das gibt eine 30 Prozent niedrigere Ausbeute. Dafür können wir nicht den vollen Preis zahlen«, wiesen sie die mit Weizenproben dastehenden Importeure zurück. Die hielten sich an Porr. Aber der hatte keine Vollmacht, den 85S-Dollar-Preis zu senken.

Er schickte Proben an Hamburgs Staatsinstitut für angewandte Botanik, um die 30 Prozent Käferfraß zu widerlegen. Die Botaniker stellten 6,2 bis 6,9 Prozent Käferfraß fest. Umsonst.

Die Müller blieben hart: »Wir können den argentinischen Weizen nur in ganz geringen Mengen besserem Weizen beimischen. Schon aus gesundheitlichen Gründen.« Je Tonne Weizen haben die Mühlen den Festpreis von 273 DM zu zahlen. Außerdem 11 DM als Spanne für Import und Großhandel und 3 DM als »Qualitätsaufschlag«. Der wird für ausländischen Weizen grundsätzlich erhoben. Wegen besserer Qualität.

»Es ist hahnebüchen, uns bei einer so miserablen Beschaffenheit auch noch einen Qualitätsaufschlag abzupressen« entrüstet sich Dr. Georg Steiner, Syndikus vom Verband Norddeutscher Handelsmühlen.

Die Qualität des Porrschen La-Plata-Weizens kennzeichnet er schlicht: »Wenn man den Weizen riecht, glaubt man, man sei auf einer Kloake.« Das ist nach Steiners Ansicht schlimmer als der Käferfraß. »Man weiß nicht, ob sich der Geruch verliert, schließlich müssen wir an den Verbraucher denken.«

Die 42 Einfuhrfirmen schieben die Schuld der Frankfurter Außenhandelsstelle zu. Wir können nicht entscheiden. Was importiert wird, bestimmen die Behörden. Hätten wir uns nicht an dem Geschäft beteiligt, wäre es von anderen gemacht worden.«

Auch Steiner läßt Dixens Außenhandelsstelle nicht ungeschoren: »Wenn die Behörde Subventionen aus Steuergeldern zahlt, hat sie die Pflicht, sich um die Qualität der Waren zu kümmern, damit nicht jeder Mist und Dreck importiert wird.«

Steiner fordert Preisnachlaß für die Mühlen. Entweder durch höhere Subventionen oder durch verminderte Porr-Preise. Hellmut Porr hat, um künftige Kunden der Continentalen nicht zu verärgern, nach Buenos Aires gekabelt.

Continental-Direktor Mayer soll sich nach Europa einschiffen, um am runden Tisch noch einmal das Käferfraß-Thema mit den Beteiligten durchzupeitschen.

Zur Ausgabe
Artikel 30 / 58
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren