Schelte des Bundespräsidenten Banker lassen Köhler ins Leere laufen

Mit deutlichen Worten hat Bundespräsident Köhler den Spitzenbankern ins Gewissen geredet und Konsequenzen aus der Finanzkrise gefordert. Doch die Top-Manager auf dem Frankfurter Bankenkongress flüchten sich in Fatalismus - und sitzen die Schelte des Staatsoberhaupts aus.

Horst Köhler liest den Gastgebern die Leviten, und zwar ordentlich. Anders vielleicht, als es so mancher Spitzenpolitiker in den vergangenen Wochen getan hat, weniger aggressiv. Das viel strapazierte Wort Gier fällt kein einziges Mal. "Die Kette des Versagens schließt viele ein", sagt der Bundespräsident stattdessen im Mozart-Saal der pompösen Alten Oper in Frankfurt. Doch dann wird Köhler deutlich: Das Bankgewerbe müsse sich grundlegend erneuern. "Zu allererst sind Sie Treuhänder derer, die Ihnen Ihr Erspartes überantwortet haben", ruft er dem Publikum zu.

Bundespräsident Köhler: "Lassen Sie unseren Mittelstand nicht im Stich"

Bundespräsident Köhler: "Lassen Sie unseren Mittelstand nicht im Stich"

Foto: DPA

Dort sitzen Spitzenbanker aller großen deutschen Banken und vieler Institute aus anderen Ländern in ihren schwarzen und grauen Anzügen. Es ist der Frankfurt European Banking Congress 2008 in Frankfurt, der Abschluss der großen Euro Finance Week mit ihren Tausenden Gästen aus der ganzen Welt. Auch Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der vielen Deutschen wie kein anderer als Inbegriff des um die Welt jettenden, renditehungrigen Bankers gilt, sitzt in einem der gepolsterten Stühle. Auch er hört sich brav an, dass zu viele in der Finanzbranche "die vielfältigen Warnungen in den Wind geschlagen und lieber mitgewettet" hätten.

Ohne zu murren nehmen auch die übrigen Banker die Ratschläge des Ex-Chefs des Internationalen Währungsfonds (IWF) hin. "Verlassen Sie sich im Risikomanagement nicht nur auf Computermodelle", sagt der Bundespräsident und mahnt, den Kunden wieder "wirklich" zu kennen. "Lassen Sie vor allem unseren Mittelstand nicht im Stich", ruft Köhler in Anspielung auf die Beschwerden aus der Industrie ins Publikum, viele Banken knauserten mit den überlebenswichtigen Krediten.

Ackermann wie ein Schuljunge

Sogar als Köhler die Spitzenmanager quasi zu Ablasszahlungen aufruft, weicht der andächtige Ausdruck nicht aus den Gesichtern. In pastoralem Ton fordert der Bundespräsident einen Härtefallfonds: "Diejenigen aus Ihrer Branche, die durch die Entwicklung der vergangenen Jahre viel Geld gemacht haben, könnten hierdurch einen eigenen Beitrag, ein besonderes Zeichen der Solidarität setzen." Es könne nicht im Interesse des Bankgewerbes sein, wenn die private Altersvorsorge in Verruf gerät. Im Publikum: keine Reaktion.

Sicher, auch Banker haben dem Bundespräsidenten schon immer Respekt gezollt. Trotzdem wird an diesem Tag in jeder Minute klar, wie drastisch sich das Selbstverständnis der Branche geändert und das Verhältnis zur Politik gewandelt hat. Etwa an der Art, wie Deutsche-Bank-Chef Ackermann vor dem Beginn der Veranstaltung am Eingang steht und auf Köhler warten muss. Der kommt wegen des plötzlichen Wintereinbruchs eine gefühlte Ewigkeit zu spät. Ackermann bleibt nichts übrig, als sich mit vor dem Bauch gefalteten Händen in Geduld zu üben, wie ein Schuljunge sieht er dabei aus.

Als Köhler dann endlich durch den Türbogen tritt, atmet der mächtige Manager noch einmal sichtbar durch, bevor er ihm die Hand gibt und dabei zweimal mit dem Oberkörper nach vorne nickt. Wie man das eben so macht, wenn man eine Respektsperson grüßt. Trotzdem wirkt die Demutsgeste bei dem mächtigen Manager seltsam.

"Banken haben die Pflicht, sich selbst zu schützen"

Doch der Gleichmut, den auch seine Kollegen an diesem Tag zeigen, ist auch ein bisschen die fatalistische Haltung derer, die dauernd gescholten werden. Warum soll man sich immer wieder auf's Neue verteidigen? Also schweigen sie und fahren nach der Veranstaltung genauso fort, wie sie es für richtig halten.

Ja, das seien mahnende Worte gewesen, sagt Klaus-Peter Müller, Aufsichtsratschef der Commerzbank, nach der Veranstaltung etwa. Trotzdem sehe er für einen Notfallfonds für Privatanleger derzeit "die Notwendigkeit nicht". Edgar Most, Direktor a.D., nennt die Idee schlichtweg Polemik. Das funktioniere in einer Marktwirtschaft nicht - "wo soll man da die Grenzen ziehen, wer Geld bekommt und wer nicht?"

Ganz vorsichtig wird sogar Kritik am Staatsoberhaupt und den dauernden Anfeindungen gegen die Branche geübt. Den Mittelstand jetzt mit Krediten zu überschwemmen sei sicher der falsche Weg, sagt etwa Ex-Deutsche-Bank-Manager Most. "Banken haben auch die Pflicht, sich selbst zu schützen und keine übertriebenen Risiken einzugehen."

Er hätte sich von dem Präsidenten zudem gewünscht, dass er als Ex-IWF-Chef seine eigene Mitverantwortung eingesteht, sagt Most: "Er hätte einfach sagen können, ich habe das auch nicht gesehen." Udo Steffens, Präsident der Frankfurt School of Finance & Management, sagt bei einer Tasse Kaffee, trotz aller Fehlentwicklungen hätten die Finanzmärkte auch einen wichtigen Beitrag zum Wohlstand beigetragen. Das werde derzeit ziemlich oft vergessen, es sei eben wie immer beim Kapitalmarkt: "Die Ausschläge sind extrem."

Die Banker in Frankfurt wissen offenbar, dass sie gegen diese Stimmung wenig tun können. Man werde sicher nicht zur Tauschwirtschaft zurückkehren, heißt es schon mal hinter vorgehaltener Hand - doch nach außen hin wird Buße geübt. "Ich gebe es zu: Ja, Banken und Marktteilnehmer haben Fehler gemacht", sagt etwa Commerzbank-Chef Martin Blessing. Die Branche nehme ihre Verantwortung an, "wie nie zuvor".

Doch den Worten Taten folgen lassen, damit zögert die Branche dann doch noch. Die Tatsache etwa, dass abgesehen von der Commerzbank und der ohnehin offensichtlich kriselnden HRE noch keine private Bank das Rettungspaket der Bundesregierung in Anspruch genommen hat, findet keine Erwähnung in den Beiträgen am Morgen.

Von Hektik keine Rede

Dabei mahnen Experten und Politiker gleichermaßen oft, die deutschen Banken müssten endlich handeln. Bundesbankpräsident Axel Weber warnt zum x-ten Mal in dieser Woche, die Geldinstitute des Landes sollten ihre Kapitalbasis ausbauen - sonst hätten sie keine Chance mehr im internationalen Wettbewerb. Doch während im Ausland Banken per Zwangskapitalspritze vom Staat ihre Kräfte stärken, traut sich in Deutschland nach wie vor kein weiteres Institut vor. Stattdessen etwa lobt Deutsche-Bank-Chef Ackermann das Paket immer wieder - um es dann für seine Bank auszuschließen. Das sei einer der Gründe, warum sich auch kein anderes Institut vorwage, glaubt so mancher Experte. "Herr Ackermann hätte das vielleicht nicht unbedingt rhetorisch begleiten müssen", kritisiert etwa Steffens.

Commerzbank-Aufsichtsratschef Müller, der auch Chef des Bundesverbands Deutscher Banken ist, setzt auf Beruhigung: Viele Geldinstitute könnten eben die Entscheidung, staatliche Bürgschaften oder gar eine Kapitalspritze in Anspruch zu nehmen, nicht von heute auf morgen treffen. "Da müssen Businesspläne erstellt werden und man muss erwägen, welche Konsequenzen das hat", sagt er.

Schließlich sei von "Hektik" auch in Köhlers Ansprache nicht die Rede gewesen.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren