Schnäppchen-Airline Oasis Rentner im Cockpit
Der plumpe Werbespruch appelliert an die niederen Instinkte, die ein Oasis-Passagier entwickelt. "Be the envy of the flight - Seien sie das Neidobjekt des Fluges. Kaufen Sie ein Jet Set", heißt es auf einer Plastikkarte. Sie steckt bei den Sicherheitsanweisungen und der etwas klebrigen Getränkeliste in der Rückenlehne des Vordersitzes.
In dem derart beworbenen Jet-Set-Köfferchen stecken Kissen, Zahnbürste, Cremes und Oropax. Auf dem zwölfstündigen Marathonflug von Hongkong nach London sehnt sich irgendwann jeder nach diesem bisschen Luxus.
Bei anderen Fluglinien wäre solcher Service normal - doch bei Oasis sind im Flugpreis neben der groben Decke nur Wasser und zwei matschige Mahlzeiten enthalten. Selbst für Cola und Bier werden je drei Euro fällig, wobei das Kabinenpersonal derlei Annehmlichkeiten nur selten vorbeibringt. Und auch die Sitze sind zwar mit ihren 81 Zentimetern Breite nicht enger als gewöhnlich, ohne Jet-Set-Pack aber doch eher ungeeignet zum Schlafen. Der Kopf fällt haltlos hin und her.
Allen Einschränkungen zum Trotz: Die Maschine ist voll. Wie fast jeden Tag. Die Auslastung der Oasis-Flüge lag im April bei 85 Prozent. Ein ziemlich beachtlicher Schnitt.
Nur ein Hongkonger Milliardärsehepaar vertraute ihm
Wenn Stephen Miller über solche Zahlen spricht, liegt ein Hauch von Triumph im Gesicht des Briten. Keiner wollte so recht an die Idee von den Billigflügen für lange Strecke glauben. Über ein Jahr suchte er nach Investoren. Endlich begeisterte sich das Hongkonger Milliardärsehepaar Lee für die Idee. Raymond Lee, inzwischen Oasis-Chairman, ist Immobilien-Tycoon und nennt sich nach einem Theologiestudium Reverend - von Luftfahrt hatte er anfangs allerdings so wenig Ahnung wie seine Frau.
Vielleicht kümmerten sich die beiden deshalb nicht um die mahnenden Worte vieler Luftfahrtexperten.
Die nämlich warnten: Das Prinzip Billigflieger funktioniert nur auf kurzer Strecke. Bei weiten Wegen können Airlines nicht mehr auf kostspieliges Catering und großes Personalaufgebot verzichten. Auch die Punkt-zu-Punkt-Landungen, bei denen Ryanair und Co. wegen der ultrakurzen Stehzeiten am meisten sparen, funktionieren bei langen Distanzen nicht. Da sollte man für den Notfall schon eine Ersatzmaschine an jedem Flughafen stehen haben.
Es scheint, als habe Stephen Miller diese Binsenweisheiten auf den Kopf gestellt. Hongkong-London bietet er ab 75 Pfund an, das sind nur rund 110 Euro. Catering, Gepäcktransport und den technischen Service hat er outgesourct, seine Business-Kunden mietete er in den Flughafen-Lounges der Konkurrenz ein.
Billigpersonal, Billigpiloten, Billigflugzeuge: Woran Oasis spart
Die beiden Boeing 747-400, die schon täglich in der Luft sind, hat er second hand bei Singapore Airlines ergattert. Für rund 50 Millionen Euro das Stück. Neu kosten sie rund 150 Millionen Euro.
Auch beim Personal spart Miller, wo er kann: Die Stewards und Stewardessen arbeiten nach Hongkonger Standard - und verdienen damit etwa 20 Prozent weniger als ihre europäischen Kollegen. Die Piloten sind ehemalige British-Airways- oder Virgin-Atlantic-Mitarbeiter, die eigentlich schon in Rente oder Frührente waren. Mit ihren 52 bis 55 Jahren dürfen sie noch mindestens fünf Jahre fliegen.
Und natürlich gilt der unglaubliche Preis nur für zehn Prozent der Tickets.
In seiner Economy-Class will Miller jene 20 Prozent der Hongkong-Reisenden locken, die der Statistik zufolge aus Kostengründen sonst Zwischenstopps einlegen. Und natürlich die, die sich den Flug bisher gar nicht leisten konnten.
Der Jungfernflug wurde zum Desaster
Miller schwärmt gerne mit ausgebreiteten Armen von Hongkong als dem Tor nach China - dem Wirtschaftswunderland des 21. Jahrhunderts. "Gibt es einen besseren Platz für ein Unternehmen wie unseres?", fragt er feierlich. Anders als bei herkömmlichen Billigfliegern gibt es deshalb auch eine Oasis-Business-Class. Dort ist das Besteck zwar aus Plastik und das Spirituosenangebot überschaubar - dafür sind die Tickets ab 470 Pfund zu haben. Bei der Konkurrenz kostet es mindestens das Dreifache. "Wir wollen vor allem kleine und mittelständische Unternehmer gewinnen, die nach China wollen", sagt Miller. Der Businessverkehr nehme in rasender Geschwindigkeit zu.
Die Logistik seiner Fluggesellschaft funktioniert trotz der mit 70 Mitarbeitern äußerst schmal besetzten Firmenzentrale. Nur zwischen drei und neun Prozent der Oasis-Flüge sind mehr als 15 Minuten zu spät.
Da scheint der desaströse Jungfernflug im Oktober tatsächlich eine Ausnahme gewesen zu sein: Damals rollte die startbereite Maschine stundenlang hin und her, weil Russland per E-Mail die Überflugsrechte zurückgezogen hatte. Schließlich mussten die Passagiere wieder aussteigen, die Maschine hob erst 24 Stunden später ab. Miller habe mit den Papieren geschlampt, hieß es in der zuständigen Behörde. Der Firmenchef sagt, in den Büros sei es chaotisch zugegangen.
Experten beobachten den Luftfahrtpionier noch heute ziemlich misstrauisch. "Oasis ist ein Experiment - und es gibt jede Menge Risiken", sagt Peter Hilton, Analyst bei Credit Suisse in Hongkong. Trotz aller Sparsamkeit, auf langer Strecke könne es auf Dauer nie ähnlich beeindruckende Preisunterschiede geben, wie bei kurzen Distanzen. Die aktuellen Marktbedingungen seien obendrein außergewöhnlich: "Wir erleben einen unglaublichen Boom in der Luftfahrt. Aber was, wenn der vorbei ist?"
Noch dazu haben die etablierten Airlines nach dem Schock des 11. Septembers und der Sars-Krise 2003, als der Flugverkehr in Asien fast zum Erliegen kam, viel zu wenig investiert - so sind Plätze in die Region chronisch knapp. "Die etablierten Gesellschaften haben im Moment keinen Grund, die Preise zu senken", sagt Hilton. Irgendwann wird sich auch das wieder ändern.
Ryanair plant Langstrecken-Kampfpreise ab zehn Euro
Außerdem wird Miller auf dem Markt nicht lange allein bleiben. Denn auch etablierte Schnäppchen-Airlines werkeln an Konzepten für Langstreckenflüge. Ryanair will um das Jahr 2010 die USA anfliegen - und hat Kampfpreise ab zehn Euro angekündigt. Die malaysische Air Asia, die schon auf dem Kurzstreckenmarkt für Trubel sorgte, fliegt ab 2008 von Kuala Lumpur aus Amerika an. Die Günstigangebote werden irgendwann auch British Airways und andere zu Preisnachlässen zwingen, sagt Hilton.
Miller reagiert auf solche Einwände mit britischer Gelassenheit. Er werde im Schnitt immer 30 Prozent billiger sein als die Konkurrenz, verspricht er vollmundig - über das Wie schweigt er sich aus.
Auf den Einwand, dass schon jetzt viele Tickets bei Oasis mit Steuern über 450 Euro kosten und damit nicht mehr viel billiger sind als Angebote großer Linien, zieht er nur die Augenbrauen nach oben - als wollte er voller Zweifel sagen: "Ist das so?" Zu seinen Durchschnittspreisen äußert er sich ebenfalls nicht.
Köln auf jeden Fall, vielleicht auch Berlin
Lieber spricht er über die Zukunft, wie er sie sich vorstellt. Am Samstag wurde der nächste Flieger geliefert, zwei weitere sind bestellt, Ende Juni starten Flüge nach Vancouver, im kommenden Jahr stehen Köln und vielleicht auch Berlin auf dem Plan. In fünf Jahren sollen 120 Ziele in aller Welt angeflogen werden. In den ersten fünf Jahren soll die Flotte auf 25 Flieger aufgestockt werden. Schon 2008 will der Airline-Chef außerdem operativen Gewinn machen. Auch vom Börsengang des Unternehmens um das Jahr 2009 war schon die Rede.
Miller ist ein alter Hase im Geschäft. 1972 fing er bei Cargolux an, in den Achtzigern arbeitete er in einer Firma von Ryanair-Gründer Tony Ryan, die sich auf Flugzeugleasing spezialisiert hatte. Miller hat auch schon mal eine erfolgreiche Airline gegründet, Dragonair.
Aber diesmal pokert er ziemlich hoch. Er verhandle grade mit Kurzstrecken-Billigfliegern wie Ryanair, Easyjet und Germanwings über gemeinsame Angebote für abgestimmte Zubringerflüge, sagt er zum Schluss sogar.
Bei Easyjet und Germanwings hat man davon noch nichts gehört. "Wir haben überhaupt kein Interesse an einer solchen Allianz", sagt Easyjet-Sprecher Oliver Aust sogar. "Das würde unserem Geschäftsmodell komplett widersprechen. Wenn wir jetzt auch noch mit Langstreckenflügen anfangen würden, wären wir ja eine ganz normale Airline."