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WIRTSCHAFTS-KOMMENTAR Schön und schnell in die Krise

Von Dietmar Hawranek *
aus DER SPIEGEL 13/1988

Es besteht aus ein bis zwei Tonnen Blech, Glas und Kunststoff, kann Menschen von hier nach dort transportieren, doch für den Deutschen ist das Auto mehr: Es dient stets auch der Eitelkeit. Da unterscheiden sich die Manager der Automobilindustrie wenig von ihren Kunden - es zählen PS und Zylinder.

Sicher, auch Japaner und Koreaner bauen ganz nette Fahrzeuge. Doch Wagen made in Germany, meinen die Manager in Wolfsburg, Stuttgart und München, überholt so schnell niemand. Schließlich wird kein Modell in Europa häufiger gekauft als der Golf, fährt kaum ein Straßenwagen schneller als Porsches 959, machen BMW und Daimler unter sich aus, wer die besten Autos der Welt herstellt.

Deutsche Automobile sind Spitze - und doch droht einer der größten Branchen der Republik schon bald viel Ungemach. In den neunziger Jahren kämpfen nicht einzelne Hersteller gegeneinander, sondern Konzerngruppen. Und schon jetzt zeigt sich, daß japanische und amerikanische Autochefs ihre Firmen viel besser auf diese Auseinandersetzung vorbereitet haben. Erfolgreiches Management ist mehr als gute Technik.

Die größte Autofirma der Welt, General Motors, hat sich längst mit den Japanern und Koreanern verbündet, mit Toyota, Suzuki, Isuzu und Daewoo. Ford ist mit Mazda, Nissan und Kia Motors liiert. Es gibt gute Gründe für solche Zweckbündnisse.

Entwicklungskosten für neue Motoren und Modelle etwa, die stets in die Milliarden gehen, werden geteilt. Immer häufiger wird der Wagen dann in einer gemeinsamen Fabrik hergestellt. Am Ende des Fließbandes wird ihm nur wechselweise das japanische oder amerikanische Firmenemblem auf die Haube geklebt - rationeller geht es kaum.

Der Verbund dieser Firmen bietet weitere Vorteile: Ein Produzent kann in Werken auf allen wichtigen Märkten fertigen, in den USA, in Europa und Asien. Währungsschwankungen lassen sich so leichter ausgleichen, Handelsschranken verlieren ihre Schrecken.

Die japanischen Autobauer führen die Vorzüge einer weltweiten Strategie gerade vor: Nach dem Dollar-Sturz verdienen sie weniger an Fahrzeugen aus Japan, also stellen sie einfach mehr in ihren amerikanischen Werken her. VW dagegen muß, nach dem peinlichen Rückzug aus Westmoreland, seine Autos in die Staaten exportieren.

Bei den derzeitigen Wechselkursen können die Japaner ihre in den USA gefertigten Wagen sogar nach Japan und Europa ausführen. Profitabel ist das allemal, und mit Handelsschranken können die Europäer sich die lästige Konkurrenz bald auch nicht mehr vom Leib halten.

Den mächtigen Firmengruppen aus Amerika und Asien stehen vier deutsche Hersteller gegenüber, die vor allem eines auszeichnet: ihr Stolz auf die Selbständigkeit. Bislang bietet nur Daimler-Benz als Antwort auf die neue Herausforderung ein eigenes Konzept an - den Ausbau zu einem Technologie-Konzern.

Porsche und BMW aber können schon ins Schleudern geraten, wenn nur eine neue Modellreihe zum Flop wird. Und die Manager in Wolfsburg spüren bereits: Sich als Nummer eins in Europa feiern zu lassen, während Amerikaner, Japaner und Koreaner den Weltmarkt untereinander aufteilen, wird auf Dauer nicht reichen.

Es wird höchste Zeit, daß auch die deutschen Automanager Verbündete suchen, um im Wettkampf mit den internationalen Giganten nicht unterzugehen. Die Amerikaner haben eine ähnliche Krise bereits hinter sich. Erst als die Japaner ein Werk nach dem anderen in den USA errichteten und die einheimischen Firmen ihre Schwächen einsahen, haben die Amerikaner sich mit den Asiaten verbündet. Zuvor glaubten sie jahrelang, es genüge, immer neue Heckflossen für ihre Straßenkreuzer zu entwerfen, um im Wettbewerb zu bestehen.

Die deutschen Hersteller, die sich heute so sehr auf Zylinder und cw-Werte konzentrieren, sollten die Lehre aus Detroit annehmen. Die Zukunft des deutschen Automobilbaus wird nicht durch den Luftwiderstand der Modelle entschieden.

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