Schreckensszenarien Altersarmut und zu wenig Geburten

Bis 2030 seien Rentenerhöhungen kaum möglich, sagen Wissenschaftler vom Ifo-Institut. Dabei würde jede fünfte Frau ein Kind und damit einen Rentenbeitragsleister mehr bekommen, wenn der Staat mehr für Familien tun würde, wie eine andere Studie der Forschungseinrichtung zeigt.

München - Dem Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) zufolge könnte der Staat die deutsche Rate von derzeit 1,35 Geburten pro Frau um bis zu 0,2 Prozentpunkte auf dann 1,55 steigern, wenn er ein Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung zusätzlich für Familienpolitik ausgeben würde. Die familienpolitischen Pläne der Großen Koalition können da also nur ein Anfang sein. Die Regierung will für das ab 2007 geplante neue Elterngeld und die steuerliche Abschreibung von Kinderbetreuungskosten rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich ausgeben - das sind nur etwa 0,07 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Die Erhöhung des monatlichen Kindergeldes um 31 Euro könne aber immerhin einer weiteren Faustregel zufolge etwa drei Prozent der Frauen zum Kinderkriegen animieren, heißt es in der Studie weiter. Grundsätzlich habe eine Erhöhung des Kinder- oder Erziehungsgeldes und der Kinderfreibeträge außerdem eine stärkere Wirkung auf die Geburtenrate, als eine pauschale Verbesserung der Einkommen von potenziellen Familien etwa durch das Ehegattensplitting.

"Die geplante Erhöhung das Elterngeldes sollte sich durchaus bei der Geburtenrate bemerkbar machen. Die schlichte Bereitstellung von Krippenplätzen bringt dagegen für die Geburtenrate nichts", erläuterte Autor Volker Meier vom Münchner Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo). "Der Staat würde deshalb geschickter fahren, das Geld direkt an die Eltern zu zahlen, anstatt Kindergärten oder Krippen zu subventionieren, wenn er die Zahl der Geburten erhöhen will."

Entscheidend für angehende Eltern sei die Frage, wie teuer sie ein Kind zu stehen komme. In dieser Rechnung spiele auch eine wichtige Rolle, auf wieviel Einkommen Mutter oder Vater verzichten müssen, wenn sie wegen des Nachwuchses aufhören zu arbeiten. "Viele Eltern haben nichts davon, wenn Krippen oder Kindergärten subventioniert werden, weil sie diese nicht nutzen", erläuterte Meier. Es sei deshalb etwa nicht zu erwarten, dass ein besseres Angebot von Krippenplätzen in Westdeutschland zu mehr Geburten führe. "Die Frauen im Osten kriegen auch nicht mehr Kinder als im Westen, obwohl es dort viel mehr Krippenplätze gibt."

Kaum Rentenerhöhungen bis 2030

Harsch geht das Institut allerdings mit der Rentenpolitik der Regierung ins Gericht. Zwar sei Altersarmut bei der heutigen Rentner-Generation noch wenig verbreitet, erklärte Sozialexperte Martin Werding. Durch das geltende Recht könne Armut von Rentnern in Zukunft jedoch ein ernsthaftes Problem werden. Das gelte besonders für diejenigen, die den geburtenstarken Jahrgängen angehören und in etwa 30 Jahren in Rente gehen.

Es sei deshalb unverzichtbar, die Altersvorsorge durch private Ersparnisse zu ergänzen. Dennoch drohe auch dann eine "soziale Schieflage". "Wenn der Staat die Renten ohne Unterschiede kürzt, werden auch jene bestraft, die zwei oder drei Kinder aufgezogen haben", sagte Werding. Das sei nicht akzeptabel. Künftig solle sich die Höhe der Renten auch an der Frage bemessen, wer wie viele Kinder hat. Alleinstehende müssten dann in einem stärkeren Maße private Vorsorge betreiben.

Für Rentenanpassungen sieht der Experte in den nächsten Jahren kaum Chancen. "Über den Inflationsausgleich hinaus kommt kaum etwas dazu. Und den Rest wird die Politik dann vielleicht auch noch kassieren", sagte Werding dem "Münchner Merkur". Die laufende Rentenanpassung werde unter anderem durch die Erhöhung der Riester-Sparquoten oder den Nachhaltigkeitsfaktor gedämpft.

"Aus Sicht des Ifo-Instituts gibt es bis etwa 2030 - nach dem jetzt geltenden Recht und unter normalen Annahmen - wenig Spielraum für Rentenerhöhungen, die pro Jahr höher sind als real ein Prozent", sagte Werding. Der Experte bestätigte damit eine Analyse des Freiburger Finanzexperten Bernd Raffelhüschen, der bis zum Jahr 2035 fast ausschließlich mit Nullrunden für die Rentner in Deutschland rechnet.

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